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Der Tag begann mit strahlend blauem Himmel. Nach dem Frühstück starteten wir zu einer Rundfahrt auf der bzw. entlang der Stadtmauer, um Ferrara noch einmal aus anderen Blickwinkeln zu sehen. Das war ganz spannend, aber kürzer als erwartet. Ich fand aber noch einen Tourvorschlag, der kreuz und quer durch die Stadt führte und so gelangten wir nicht nur zu einigen Sehenswürdigkeiten, sondern auch in Gegenden mit kleinen Gassen und niedrigen Häusern, die recht malerisch waren. Einziges Problem: wie schon in anderen Städten sind viele Gassen hier mit großen runden Kieseln gepflastert und das rüttelt beim Fahren ganz furchtbar. Wir fragen uns, warum eine Stadt sich das antut und staunen immer wieder über Frauen, die auf diesem Pflaster mit hochhackigen Schuhen unterwegs sind, ohne sich die Beine zu brechen.

Auf der Stadtmauer von Ferrara

Ferrara bezeichnet sich als Fahrradstadt, ich würde sie fast eher als Stadt des shared space bezeichnen, denn zumindest Radfahrer und Fußgänger teilen sich, ungeachtet bisweilen abweichender Beschilderung, fast alle Wege und das funktioniert sehr gut, denn kaum jemand radelt extrem schnell, niemand verlässt sich auf Regeln, nicht einmal auf das scheinbar so fundamentale Rechtsfahrgebot und deshalb fahren alle aufmerksam und fehlertolerant. Wenn sich jemand einen Schnitzer leistet, bügeln die anderen das durch Geschicklichkeit aus und haben daran vermutlich mehr Freude, als mancher deutsche Verkehrsteilnehmer an seiner Rechthaberei.

Im Straßencafé

Das Wetter war nicht sehr warm und so zog es uns am Spätnachmittag zur Siesta in unser Zimmer zurück und wir machten uns erst am Abend wieder auf den Weg, studierten die Speisekarten verschiedener Lokale und landeten schließlich bei Le due Comari, was sowohl "Patinnen" als auch "Klatschbasen" heißen kann und ein Lokal mit Schwerpunkt Fisch ist. Das Essen war gut, die Portionen allerdings etwas zu übersichtlich. Immerhin lernten wir bei der Gelegenheit, dass es sich bei dem nach Spinat aussehenden, aber völlig anders schmeckenden Gemüse, das wir neulich auch auf dem Land in der Trattoria Ruzzenente bekommen hatten, um Zichorie, genauer um deren Sorte Catalogna handelte.

Ferrara - Via Guiseppe Garibaldi

Da auch der Wein in überschaubaren Mengen kredenzt wurde, schauten wir danach noch in einem winzigen Laden vorbei, wo uns ein Inder für erstaunlich wenig Geld einen ganz trinkbaren sizilianischen Nero d'Avola verkaufte, den wir mit aufs Zimmer nahmen, um ihn gemeinsam aus dem letzten im Alloggio Cavour auffindbaren Plastikbecher zu genießen.

Wir schliefen gründlich aus und gingen dann zum Frühstück in die Bar gegenüber, wo wir mit dem Kärtchen unserer Pension 10% Rabatt bekamen. Es war kühl und windig draußen. Als wir losradelten, blies uns eine Bö den Straßenstaub um die Ohren. In einer Durchfahrt am Dom wollten Arbeiter gelbe Müllsäcke aufladen. Bevor das Müllauto sie einziehen und in seinen Bauch verpressen konnte, flogen einige Säcke im Sturm davon, andere platzten und alles trieb hinaus auf den Domplatz, wo die Müllwerker die Einzelteile wieder einzufangen versuchten.

Wir fuhren zum Palazzo dei Diamanti, fanden allerdings die dortige Ausstellung geschlossen. Es begann zu regnen und wir gingen in ein Restaurant, um eine Kleinigkeit zu essen und fanden es danach auch ohne Regen so kalt und ungemütlich, dass wir ins Hotel fuhren und den Nachmittag verschliefen.

Am Abend hatten Wind und Regen aufgehört, aber es war kühl und die Straßen waren leergefegt. Auch in den Restaurants herrschte nachfeiertägliche Ruhe. In der kleinen Kneipe, wo wir schließlich einkehrten, waren wir die einzigen Gäste. Danach gingen wir durch beinahe leere Straßen auf kurzem Weg nach Hause.

Am Abend hatten wir auf eigene Faust unsere Räder ins Foyer gestellt, denn in der Ciminiera war niemand da, den wir hätten um Erlaubnis fragen können. Das erwies sich als nützlich, weil etwas später noch ein kräftiges Gewitter mit leichtem Hagel niederging. Das machte auch der Jahrmarktsmusik ein Ende und so konnten wir in Ruhe schlafen.

Am Morgen lernten wir schließlich jemanden vom Personal kennen, nämlich eine junge Rumänin, der man den Laden über die Feiertage ganz alleine überlassen hatte und der darüber sogar das Brot fürs Frühstück ausgegangen war. Hörnchen und Kuchen gab es noch und damit waren wir zufrieden. Wir zahten, packten und fuhren los. Ein recht kräftiger Wind hatte den Regen verblasen und weiße Wolken hingen am blauen Himmel. Wir hatten uns entschieden, nicht den rechtsseitigen Po-Radweg zu benutzen, sondern hatten das Navi befragt und blieben auf der linken Seite.

Kraftwerk am Po (Centrale termoelettrica di Ostiglia)

Da ging es nach einem Stück Industrielandschaft fast die ganze Zeit auf einer ruhigen Teerstraße den Damm entlang, mit Blick auf kleine Orte und auf Bauernhöfe, viele davon, wie schon an den letzten Tagen, dem Verfall preisgegeben. Oft waren einzelne Gebäudeteile hergerichtet und bewohnt, während daneben liegende verfielen oder schon eingestürzt waren und blühender Holunder durch die Fensterhöhlen wuchs.

Infotafel zum Radweg Sinistra Po

Der Weg wechselte mit Fluss und Damm immer wieder die Richtung uns so blies auch der Wind mal von hier, mal von da und machte das Fahren beschwerlicher. Es gab verschiedene Rastplätze und wir wählten einen, wo am Rande einer Pappelplantage ein Baumlehrpfad flusswärts führte. Die zum Teil schon recht großen Bäume trugen Schilder mit botanischen Angaben, einzelne auch mit Hinweisen auf die individuelle Herkunft des Setzlings. Später fuhren wir noch einmal nach der Landseite vom Damm herunter in einen kleinen Ort und besuchten eine Bar.

Via Argine Po - Straße auf dem Damm des Po

Mit der Zeit nahm der Ausflugsverkehr  auf unserer Straße zu und man bemerkte auch landschaftlich immer mehr die Annäherung an eine Stadt. Ich kündigte, wie erbeten, per SMS unsere Ankunft bei der gebuchten Unterkunft an und um 16:30 Uhr erreichten wir unser Alloggio Cavour in Ferrara. Unsere Räder erhielten einen sicheren Platz neben vielen anderen in einem abgeschlossenen Hinterhof und wir ein ordentliches Zimmer in der Pension im fünften Stock.

Brücke über den Po vor Ferrara

Nach einer Ruhepause machten wir uns zu Fuß auf in die Innenstadt, fanden bekannte Stellen und Ansichten von unserem Besuch vor etlichen Jahren, wanderten eine Zeit lang umher und gerieten schließlich eher zufällig in die Via delle Volte mit ihren charakteristischen Torbögen und den ortstypischen Gasthäusern, wo wir damals recht gut gespeist hatten.

Wir gingen ins Il Mandolino, hatten Capoletti mit Kürbisfüllung in Salbeibutter, Tortellini mit Fleischfüllung in Brühe vom Kapaun, gebackenen Käse mit Gemüsen sowie Kartoffelbrei mit gekochter gehackter Salami, Salama da sugo con purè di patate, einer ferrareser Spezialität, von der mir die Kellnerin zum Probieren zunächst nur eine halbe Portion brachte, bei der ich es auch gut hätte bewenden lassen können, aber das sehr deftige Gericht schmeckte mir, so dass ich auch die zweite Hälfte orderte. Gut gesättigt und zufrieden schlenderten wir durch die Gassen zurück.

17.04.17 Track Ostiglia-Ferrara

Nachts hörten wir ein paar mal klägliches Hundegeheul, gegen Morgen begannen der Hahn zu krähen und ein paar Tauben zu gurren. Landleben ist nicht leise.

Wir genossen die wahrhaft luxuriöse Dusche mit Hand- und Regenbrause hinter der großen Glaswand, gegen die wir nachts auf der Suche nach der Toilette mehrmals gelaufen waren. Alles war wunderbar komfortabel und funktionierte wie gewünscht.

Unten in der großen Küche fanden wir schon unser Frühstück aufgebaut, mit Obst und sauer eingelegtem Gemüse, Joghurt, Marmelade, Käse, Wurst und Toast, Saft und Kaffee. Kaum hatten wir uns niedergelassen, erschien auch schon die Signora und begann mit der Unterhaltung. Wir erfuhren, dass vergangene Woche ein Nachbarshund gestorben war, daher wohl das Gejaule seines Kumpanen; dass der ganze Hof Besitz der Großfamilie sei; dass ihr Vater vor vielen Jahren auf seinem Traktor von einem Lastwagen getötet wurde und dass sie das Haus mit viel Eigenarbeit so schön hergerichtet habe. - Wir hatten uns schon morgens im Bett darüber unterhalten, welchen wirtschaftlichen Nutzen wohl der viele Tand und Schnichschnack hätte, der uns umgab. Landwirtschaftliche Gerüche wurden durch chemische Düfte übertönt, die auf dem Flur leise schnaubenden batteriebetrieben Apparaten entströmten. Madame hatte uns, um ihre Arbeitsbelastung gerade vor Ostern zu erklären, bereits am Telefon über ihren Hauptberuf als Friseuse informiert, der sich auf den Borden und in den Schränken des Bades in unzähligen Dosen, Tuben und Fläschchen mit allerlei Salben und Essenzen für den Herrn und die Dame manifestierte.

Später lernten wir auch noch die Mama kennen, die gekommen war, um gemeinsam das Ostermahl für die ganze Familie zu bereiten. Nur der Ehemann sei vor Jahren mit einer Rumänin durchgebrannt und der gemeinsame Sohn mit ihm. Wir bekamen, als Referenz zum pfirsichblütigen Namen des Hauses, noch ein Glas eingelegte Pfirsiche geschenkt, schrieben Lobpreis und Dank in das Gästebuch, fotografierten uns gegenseitig und machten uns mit Küsschen links und rechts auf unseren weiteren Weg. Sehr nett all dies, wenn auch ein wenig viel des Guten.

Landschaft in der Po-Ebene

Wir hatten heute keinen fertigen Radweg, dem wir folgen wollten, sondern hatten uns schon mit der Wahl dieses Übernachtungsortes entschieden, ein Stück des Po-Radweges auszulassen und erst bei Ostiglia wieder darauf zu stoßen. So ließen wir uns einfach vom Navi den Weg weisen, und OpenStreetMap, dessen App neuerdings etwas verwirrende Updates erfahren hatte, erledigte diese Aufgabe ganz vorzüglich. Den ganzen Tag waren wir auf untergeordneten Straßen und meist gut befahrbaren Feldwegen unterwegs. Das Land lag in Ostersonntagsruhe und unsere Tagesdistanz ließ, zumal die Strecke völlig eben war, ruhiges Dahinfahren zu, das bisweilen von Rückenwind begünstigt wurde.

Straße in Villimpenta

Nur mit der Gastronomie war es etwas schwierig, weil viele Bars zu hatten oder nur geschlossene Gesellschaften bewirteten. Immerhin fanden wir in einem kleinen Ort eine Bar unter asiatischer Leitung, wo sich etliche Männer niedergelassen hatten, die offenbar an diesem Festtag keine andere Unterhaltung hatten. So kamen auch wir zu unserem Nachmittagskaffee.

Ostiglie - Hotel La Ciminiera

Gegen Vier waren wir in Ostiglia vor dem Hotel La Ciminiera wo wir gebucht hatten, aber niemand war da, um uns zu öffnen. Nach längerem Warten und Läuten rief ich die Telefonnummer, die auf einem Zettel an der Tür stand und verstand die erhaltene Auskunft so, dass gleich jemand käme, um uns einzulassen. Als eine halbe Stunde später noch immer niemand erschienen war, rief ich nochmals an und erhielt den Einlasscode für die Tür und die Information, welcher der auf der Theke bereit liegenden Zimmerschlüssel für uns gedacht sei.

Wir gingen in unser Zimmer, ruhten uns eine Weile aus und machten uns dann auf den Weg, etwas zu Essen zu suchen. Das war nicht ganz einfach, denn wie das Restaurant bei unserem Hotel hatten auch viele andere Gaststätten wegen Ostern geschlossen. Am Ende fanden wir aber doch ein geöffnetes Hotelrestaurant und bekamen dort gute Pizza. Es herrschte da auch reger Andrang von Leuten, die Pizza für die ganze Familie zum Mitnehmen holten. Als wir wieder zu unserem Hotel zurückkamen, dröhnte die Musik am nahen Jahrmarkt bei leeren Karussels für ein paar herumstehende Jugendliche. Wir hörten den Klang auch noch, als wir schon im Bett lagen.

16.04.17 - Track Campazzo-Ostiglia

Es war eine Ruhige Nacht in der Ferienanlage. Morgens mussten wir, wie schon am Vorabend, die Heizung etwas dressieren (oder sie uns), damit wir warmes Wasser hatten, denn immer wieder ging die Zündflamme aus.

Wir packten unsere weit im Haus verstreuten Sachen zusammen, bepackten unsere Räder und fuhren hinüber ins B&B zum Frühstück, wo uns die Signora mit Küsschen Küsschen empfing und ein gutes Frühstück servierte.

Dann entschlossen wir uns, doch noch bis zur Spitze der Landzunge von Sirmione zu fahren. Das lohnte sich nicht wirklich, denn wir sahen eigentlich nur einen endlos langgezogenen Badeort, eine endlose Autokolonne und viele Feriengäste zu Rad und zu Fuß. Das gegenüberliegende Ufer des Sees war heute im Dunst nicht auszumachen.

Am Tor zur Altstadt endete unsere Fahrt, denn dort waren Fahrräder nicht zugelassen. So setzen wir uns für eine Weile auf eine Bank am Kai, ließen die Touristengruppen zu Lande und die Touristenboote und - schiffe zu Wasser an uns vorbeiziehen, schrieben dieses, lasen Zeitung und schauten auf den See hinaus.

Peschiera del Garda- Stadttor mit Touristen und Händlern

Als wir genug gesehen hatten, machten wir uns auf den Rückweg. Obwohl schon alle Parkplätze im Ort und entlang der Zufahrtsstraße belegt zu sein schienen, kam uns immer noch eine endlose Autoschlange entgegen und Scharen von Fußgängern waren ebenfalls in Richtung Landspitze unterwegs. Erst nach dem Ende von Peschiera, als wir wieder am Mincio waren, wurde es leerer. Das war wohl auch dem Wetter geschuldet, das sich etwas bedeckt und kühler gab, als in den letzten Tagen.

Radweg am Mincio

Wir hatten reichlich Zeit, machten zwischendurch auf einer Bank am Fluss Pause, dann fuhren wir weiter am Mincio entlang abwärts, verließen den Fluss bei Valeggio und kletterten hinauf, bis kurz unter die Burg.

Über den Dächern von Valeggio

Dann ging es weiter über Land, jetzt ohne Radwanderweg, navigeführt über kleine Straßen und Feldwege bis zu unserer Unterkunft in Campazzo. Der Ort, allem Anschein nach ehemals ein großer Bauernhof, wäre ohne Navi kaum zu finden. Wir hatten die Zeit unserer Ankunft fest vereinbart und wurden von der Wirtin des B&B Peschi in Fiore sehr herzlich empfangen. So herzlich in der Tat, dass wir uns ihrer Redseligkeit nur mit Mühe entziehen konnten.

Unser Zimmer mit Balkon war sehr geräumig und das luxuriöse Gemeinschaftsbad hatten wir für uns allein, weil sonst keine Gäste da waren. Auf unsere Frage nach Essensgelegenheiten reservierte uns die Signora einen Tisch in der Trattoria Ruzzenente im gut sieben Kilometer entfernten Ort Pizzoletta und da die angekündigten Gewitter auszubleiben schienen, fuhren wir hin. Das lohnte sich sehr, denn für nur 11 Euro pro Person bekamen wir Wein, Wasser, Primo (Tortelli di Zucca und Tagliatelle in brodo con i fegatini) und secondo (Calamari und Schweinehals) mit weißen Bohnen, Gemüse und Pommes, zum Abschluss Café. Anschließend ließen wir uns durch die dunkle Landschaft zurücknavigieren und setzen uns noch zu Bier und Kerzenlicht auf unseren Balkon.

15.04.17 Sirmione-Campazzo Track

Wir konnten gut und ruhig schlafen im B&B Abbazia, verzichteten aber wieder auf das zweite "B" und frühstückten lieber in der Altstadt in einer Bar bei der alten Camera di Commercio. Dann ließen wir uns vom Navi noch einen Supermarkt zeigen, wo ich Käse, Biobananen, Wasser und zwei Mehrfachstecker für den Strom kaufte, denn ich hatte meinen, wie das schon mehrfach passiert war, versehentlich in Parma zurückgelassen.

Mantova - An der Camera di Commercio

Dann ging es zum Fluss Mincio, der eigentlich ein gemauerter Kanal ist, und an dem entlang unsere Tagestour zum Gardasee führen sollte. Die Strecke scheint bei Tagesausflüglern vom Gardasee beliebt zu sein, die uns immer zahlreicher entgegen kamen, je näher wir an unser Ziel gelangten.

Pfadfingergruppe auf Rädern am Mincio

An einem Boule-Platz am Fluss machten wir Pause. Ein Mann kam und ließ sich auf einem der Plastikstühle an der anderen Seite des Weges nieder. Einer kam mit dem Moped, kehrte aber gleich wieder um. Schließlich, als wir aufbrachen, erschien einer auf dem Fahrrad, in einer Hand eine Karre mit Boule-Utensilien hinter sich herziehend.

Radweg am Mincio

Wir fuhren weiter den recht gemütlichen Mincio-Radweg entlang bis nach Peschiera am Gardasee, wo es mit der Ruhe zu Ende war. Der Ort wimmelte vor Urlaubern und so blieb es auch auf dem weiteren Weg bis Sirmione, wo wir im B&B Casa Patrizia gebucht hatten. Die Wirtin hatte schon Nachricht gegeben, dass sie uns nicht in diesem Haus, sondern in der Nähe unterbringen würde. Ich rief ihre Telefonnummer und alsbald erschien sie und lotste uns in ihrem Auto zu einer gepflegten, etwas älteren Ferienanlage, wo wir ein schönes ebenerdiges Appartement in einem Haus unter Bäumen beziehen konnten. Drinnen war es kühler als draußen, denn wir waren wohl die ersten Gäste des Jahres und leider mussten wir die Signora, kaum dass sie fort war, gleich wieder rufen, weil das Warmwasser nicht funktionierte. Sie zeigte uns, wie man den Boiler resettet, etwas, worin wir noch gut in Übung kommen sollten.

Als wir eingerichtet waren, fuhren wir noch ans Wasser und schauten auf den See, dann. zu einem nahen Supermarkt und schließlich zu einer Pizzeria, wo wir, umtobt von Kindern anderer Gäste, zu Abend aßen. Zum Schluss setzten wir uns noch für ein Abendbier auf die Terrasse.

14.04.17 Mantova-Sirmione Track

Morgens packten wir im dritten Stock des "Parmigianino" wieder unsere elf Fahradtaschen in den winzigen Aufzug, in dem zusätzlich nur noch eine Person Platz hatte, schafften sie unten wieder heraus und vor die Tür, holten unsere Fahrräder, die wohlbehalten am Einstellplatz unter/hinter dem Haus warteten, packten auf, wie immer, und fuhren los.

Der Verkehr war gleich recht heftig, aber über einen Kreisverkehr hinweg sahen wir eine Bar, ließen uns hinaustragen und setzen uns zu Cappuccino und Hörnchen. Es war eine jener Bars, wo ein paar alte Männer sich auf einen Schwatz oder zwei niederlassen, der Postbote auf einen Café halt macht, der Fahrer eines kleinen Müllautos mal kurz Pause macht, ein Klempner sich stärkt, ehe er seinen Werkzeugkasten in eines der oberen Stockwerke schleppt, und einer, der gerade vorbeiradelt, kurz grüßt, gegrüßt wird, ein paar Worte fliegen hin und und her, er zögert, bleibt dann doch stehen, lehnt sein Fahrrad an und kommt herein.

Schwerlastverkehr - Autobahnbrücke bei Parma

Wir blieben eine Weile, sahen zu, zahlten, fuhren weiter. Heute wollte es lange nicht gemütlich werden, die große Stadt ließ uns nicht los. Kilometerweit ging es auf größeren Straßen dahin, wo uns immer wieder Lastzüge überholten, auch die Landschaft war mehr von Gewerbegebieten und Industrieanlagen geprägt und erst nach Mittag kamen wir wieder in die Flusslanschaft des Po.

Da wurde der Weg zwar wieder ruhig, führte auf Dämmen und kleinen Straßen entlang, aber hier schien man sich nicht sehr für die Radler zu interessieren, jedenfalls gab es keine Beschilderung und leider auch keine Rastplätze, und da auch der nächste Ort noch fern war, fuhren wir einfach vom Damm herunter ins Ufergehölz und machten Brotzeit im Stehen. Sitzen konnten wir ohnehin den ganzen Tag.

In dem Städtchen Brescello erinnerten die Namen von Lokalen, die Statuen von Don Camillo vor der Kirche und von Peppone vor dem Rathaus und weitere Memorabilia daran, dass die beliebten Filme hier gedreht worden waren.

Brescello - Statue des Peppone vor dem Rathaus

Es blieb dann eher ruhig, auch die Einfahrt nach Mantova führte eher durch beschauliche Wohngegenden, bis wir dann doch im Verkehrstrubel der Innenstadt landeten. Unser Hotel sollte ganz in der Nähe des Bahnhofs liegen. Es erwies sich, dass drei zusammengehörige Unterkünfte nebeneinander an einer dicht befahrenen Straße lagen. Der schmale Gehweg war vor der Straße durch ein robustes Geländer geschützt und im Gedränge dieses Weges mussten wir mit unseren Packeselchen warten, bis uns jemand zu dem Teil des Komplexes brachte, in dem wir unterkommen sollten. Dort, im dritten Hinterhof, wurde es dann angnehm still. Die Räder konnten gut geschützt direkt vor unserer Zimmertür parken und alles war recht nett.

Straßenszene in Mantova

Wir fuhren später noch eine Weile kreuz und quer durch die Stadt, freuten uns über bekannte Plätze und neue Entdeckungen und fanden auch ein ganz nettes Lokal zum Abendessen. Nur die Wirtin war seltsam, drängte sich immer zwischen den Stühlen hinaus auf die Straße, wenn Passanten an ihren Speisekarten stehen blieben und bedrängte sie so sehr, Platz zu nehmen, dass alle sich schnell abwandten. Dann kam sie zurück und schimpfte laut über die Leute, die woanders lieber Pizza oder Precotto äßen, als ihre auf Bestellung frisch zubereitete Kost. Wir aßen gut, aber weder exzellent, noch üppig.

Danach war noch Zeit für ein Eis und einen Blick in den Dom, wo an diesem Gründonnerstagabend eine große Messe mit vielen Priestern, viel Weihrauch und beinahe schlagermäßiger moderner Musik stattfand. Dann führte uns das Navi, das alle Fußgängerzonen und Einbahnstraßen kennt, in seltsamen Windungen zurück zum Hotel. Ich war selbst überrascht, von welcher Seite wir kamen.

13.04.17 Parma-Mantova Track

Le stanze di Anna sind ein durchaus angenehmer Ort. Wir schliefen gut an dem ruhigen Innenhof und wurden nicht zu früh vom Gesang einer Amsel geweckt. Wir brauten uns Tee, nahmen von den abgepackten Hörnchen und Törtchen, aßen Fruchtjoghurt und ließen die Kapsel-Kaffeemaschine lieber in Ruhe.

Cremona - Markt am Domplatz

In der Stadt war Markt und weil da mit unseren bepackten Rädern kaum ein Durchkommen war, verzichteten wir vorerst auf Brotkauf und Kaffegenuss und machten uns auf in die Landschaft. Nach einiger Zeit fanden wir im Auwald ein Lokal, wo sich die einheimische Bevölkerung zur Einkehr zu treffen schien, und setzten uns zum Cappuccino.

Radweg in den Auen des Po

Dann ging es weiter durch die Auen. Die Landschaft war heute etwas abwechslungsreicher, es gab junge Mischwälder, verschiedenen Ackerbau und große Rinderställe. Oft führte der Weg auf Dämmen dahin und folgte in Windungen den Wasserläufen.

In einem kleinen Ort fanden wir um die Mittagszeit einen Bäcker, wo wir Brot holten, und gerade als uns am frühen Nachmittag das Bedürfnis nach einer Rast verspürten, kamen wir durch Roccabianca, wo es schattige Bänke gab, und auch eine Bar, die wir nach unserer Mahlzeit aufsuchten.

Landstraße

Der Weg führte weiter auf mäandernden Dämmen entlang, ein paar Biegungen kürzten wir ab, indem wir wenig befahrene Straßen nahmen. Je näher wir Parma kamen, umso gewerblicher wurde die Landschaft und der Verkehr nahm zu, allerdings fanden wir auch wieder ruhigere Straßen und auf dem letzten Stück einen gut ausgebauten Radweg bis zum Hotel. Auch in der Residence Parmigianino haben wir ein Appartement mit Kochgelegenheit, aber das Haus ist recht groß und hat nicht den Charme wie bei Anna in Cremona. Sonst passt alles.

Parma - Residence Parmigianino

Nach einer Ruhepause radelten wir zum Dom, dann kreuz und quer durch die Altstadt und landeten am Ende bei La Duchessa an der Piazza Garibaldi, wo sich anscheinend auch die Jugend der Stadt zum Pizzaessen trifft. Den Abschluss bildete ein Eis bei einer Gelateria, aber das schmeckte uns nicht so gut wie am Vortag.

12.04.17 Cremona-Parma Track

Der Wirt im Regina hat solche Angst davor, dass seine Gäste die Matratzen verschmutzen, dass er sie unter dem Laken mit einer Plastikfolie überzieht. Das schont zwar das Inventar, trägt ihm aber bei uns gehörig Minuspunkte im Komfortbereich ein. Auf Plastikfolie zu liegen ist "never go there again". Außerdem hatte das Doppelbett eine starke Tendenz zur Mitte, irgendwo gab es auch noch Maschinenlärm, der Kühlschrank machte Geräusche, der Durchlauferhitzer fauchte und so hatten wir 'in somma' eine unruhige Nacht.

Morgens brachten wir unsere Räder hinaus, die wir über Nacht ins Appartement geholt hatten, packten auf und fuhren zum Frühstück in die Altstadt. Auf einem Nebenplatz der Piazza dei Cavalli setzten wir uns vor eine Bar, bestellten Cappuccino und Hörnchen, hörten den chiacchierate am Nachbartisch zu und freuten uns über unser erstes italienisches Barfrühstück auf dieser Reise.

Piacenza - Piazza dei Cavalli

Dann besichtigten wir noch den Palazzo Gotico und den Dom und verließen schließlich über eine weit den Po überspannende Brücke die Stadt. Auf der anderen Seite, bei einem scheußlichen Gewerbegebiet, gab es widersprüchliche Wegweiser und wir wandten uns dem Fluss zu. Zunächst gab es noch Kraftwerke und ein verwirrendes Netz großer Stromleitungen, später fuhren wir weite Strecken auf Dämmen entlang und blickten über die weite, völlig flache Ebene, hinab auf den Fluss, auf Kanäle, auf frisch geeggte Äcker, auf eben ergrünende Felder, auf Hühnerfarmen, übelriechende Schweinemästereien und immer wieder Pappelplantagen in verschiedenen Entwicklungsstufen von der frischen Pflanzung bis zu Ernte und Abtransport.

Pappelplantagen am Po

Die Radwege waren meist geteert, manchmal aber auch holprig und mit ordentlichen Schlaglöchern, denen wir im Slalom zu entgehen versuchten, bisweilen staubig, so dass die wenigen Autos, die uns begegneten, große Staubfahnen hinter sich herzogen. Erfreulich selten mussten wir auf stärker befahrenen Autostraßen entlang.

Damm-Radweg am Po

An einem höher gelegenen Punkt des Po-Dammes gab es Tische und Bänke. Wir ließen uns zur Brotzeit nieder und verspeisten die letzten Reste Käse und Brot von daheim. Ein Stück weiter machten wir an der Piazza eines kleinen Ortes Halt und tranken Cappuccino. Es war recht warm, meist sonnig und auf unserem mäandernden Weg kam der Wind mal von vorne, mal von hinten. Wir hatten einen höheren Wasserbedarf, als erwartet und bald gingen unsere Vorräte zur Neige. Der Weg war nicht ungewöhnlich weit und auch fast völlig eben, aber die ungewohnte Temperatur machte uns doch zu schaffen und so waren wir froh, am Nachmittag Cremona zu erreichen.

Cremona - Piazza Stradivari

Der erste Stop galt einem Supermarkt, wo wir Wasser und Proviant besorgten. Draußen stand, wie vielerorts, ein Schwarzafrikaner und bot allen an, ihre Einkaufswagen aufzuräumen, wenn er den Pfand-Euro behalten dürfte. Die Italiener*innen sind da überraschend großzügig.

Unterwegs hatte mich eine Nachricht unserer gebuchten Unterkunft erreicht, die in einigermaßen miserablem Englisch Probleme mit unserem Checkin mitzuteilen versuchte. Ich schrieb zurück, wir würden gegen 17h da sein und erhielt zur Antwort, um 18h könne uns jemand einchecken. Wir setzen uns auf die steinernen Stufen des Doms, gingen abwechselnd hinein in sein prunkvoll düsteres Inneres, gönnten uns Eis von der nahen Gelateria und beobachteten die Menschen auf dem Domplatz. Eher selten würden in Deutschland Mütter mit ihren jüngeren Kindern spätnachmittags auf den Platz vor der Kathedrale gehen, damit sie dort tollen, Ball spielen, seilhüpfen und sich müde rennen. Auch darum liebe ich Italien.

Cremona - Piazza del Comune mit Dom und Baptisterium

Gegen 18 Uhr schließlich fuhren wir noch das kurze Stück zu unserer Unterkunft, aber auf unser Läuten reagierte niemand. Nach einiger Zeit rief ich die Telefonnummer an, die am Türschild stand. Ein Signore entschuldigte sich und versprach, dass seine collaboratrice bald eintreffen würde. Es dauerte nochmal zwanzig Minuten und ein weiteres Telefonat, bis eine abgehetzte junge Frau eintraf und uns einließ. Le stanze di Anna ist ein nettes Maisonette-Appartement an einem ruhigen und abgeschlossenen Innenhof. Bis auf die Verzögerung genau das Richtige für uns.

Cremona - Via XI Febbraio

Später gondelten wir noch etwas durch die abendliche Stadt und fanden schließlich in der Via Bordigallo, gegenüber dem Laden eines Geigenbauers - schließlich ist Cremona berühmt für dieses Handwerk - das Lokal Bolero, wo wir angenehm im Freien speisten. Dann radelten wir zurück. Die Nacht dürfen unsere Räder im Haus verbringen.

11.04.17 Piacenza-Cremona Track

Schon am Vorabend hatten wir gepackt und alles hergerichtet, so dass wir am Morgen schnell reisefertig waren. Bei Sonnenschein und erträglicher Temperatur radelten wir schon vor acht Uhr los in Richtung Hauptbahnhof. Das ging ganz flott und wir staunten, wie viele Radler im morgendlichen Berufsverkehr unterwegs waren, aber auch darüber, wie verbissen manche Leute fahren.

Bald nachdem wir am Bahnhof angekommen waren, rollte auch schon der Zug heran. Wir brachten unser Gepäck zu den reservierten Plätzen und die Fahrräder in den Gepäckwagen. Der Zug war ziemlich ausgebucht und es war, wie immer, zu wenig Platz für Koffer und Taschen aller Reisenden.

Sonst ging es ohne besondere Vorkommnisse nach Kufstein, dann hinauf zum Brenner und schließlich nach Bologna. Dort einzeln in viel zu kleinen Aufzügen hinunter vom Bahnsteig und hinauf ins Gewimmel der Schalterhalle, um Tickets für die Weiterfahrt zu holen. Zunächst war alles etwas verwirrend und die Fahrkartenautomaten umlagert, auch schlichen ein paar zwielichtige Gestalten herum, aber am Ende fanden wir einen Automaten in einer etwas ruhigeren Ecke, wo wir einerseits Räder und Gepäck unter Kontrolle haben und uns anderseits auch in Ruhe mit dem Ticketkauf beschäftigen konnten. Dann fuhren wir wieder mit den Aufzügen hinunter und hinauf zum Bahnsteig, wo sich mit der Zeit außer uns auch zahlreiche Pendler einfanden. Der Zug versprach voll zu werden.

Ich fragte einen Eisenbahner, wo voraussichtlich der Wagen mit dem Fahrradabteil halten würde, damit wir uns schon einmal in eine günstige Ausgangsposition bringen konnten. So waren wir, als der Zug einfuhr, zwar am richtigen Ende, aber der Zug war kürzer, als erwartet. Alle liefen hinterher und am Einstieg bildete sich eine große Menschentraube. Auch ein paar weitere Fahrräder waren dabei.

Wir schafften es zwar in den Zug, aber dann waren wir eingekeilt, unter anderem von drei Schaffnern, die uns energisch beschieden, wir müssten unsere Räder senkrecht an die vorgesehenen Haken hängen und die nicht einsehen wollten, dass sie selbst es waren die uns die nötige Bewegungsfreiheit nahmen, ihrer Aufforderung nachzukommen. Als sie sich dann endlich verzogen hatten, lud ich mein Gepäck ab und hängte mein Rad auf, aber es war wieder einmal länger als vorgesehen, so dass es schief hing und das Schutzblech am Boden schleifte. Man scheint hier keine Reiseräder zu kennen und es gibt viel zu wenig Platz. Wieder einmal.

Ein fliegender Blumenhändler und ein paar Schwarzafrikaner spielten Katz und Maus mit den Schaffnern und von der nahen hochmodernen Toilette her fiepte unaufhörlich ein schriller Alarmton, den ein dicker Schaffner trotz telefonischer Unterstützung nicht abstellen konnte. Langsam leerte sich schließlich der Zug und vor Piacenza konnten wir gemütlich im Einstiegsraum aufpacken, so dass wir dann auch schnell und problemlos aus dem Zug kamen. Das im Voraus gebuchte Hotel hatte ich schon in mein Navi eingetragen und so kamen wir zügig hin. Als hätte er schon auf uns gewartet, winkte uns der dicke Portier aus der Toreinfahrt herbei, als wir die Straße erreicht hatten. Die Residence Regina war für unsere Zwecke ganz gut geeignet, denn beidseits eines langen Innenhofs gibt es ebenerdig zugängliche Appartements, so dass wir unsere Räder nachts mit hereinnehmen konnten.

Wir richteten uns ein und machten uns etwas frisch, dann fuhren wir wieder hinaus in die laue Nacht, nochmal dem Stadtzentrum zu, um etwas zu  Essen zu suchen. An der Piazza dei Cavalli fanden wir das Ristorante Al Duca und speisten zwar nicht so fürstlich, wie der Name andeutete, auch nicht besonders reichlich, aber doch sehr annehmbar und mit Blick auf den abendlichen Platz mit den beiden Reiterstandbildern.