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Das Hotel Bellevue mit Blick auf Bahnhof und Hafen von Genua ist gewiss keine Luxusherberge und auch kein posto piacevole wie unser appartamentino im Orto Botanico, aber wir konnten gut schlafen und bekamen sogar noch ein gut sortiertes Frühstück, obwohl Samstag um Sieben noch keine offizielle Zeit für die prima colazione war. Unsere Räder waren von fleißigen Händen unter ein Vordach geschleppt worden - wir hatten sie mit den vorderen Rahmenschlössern abgesperrt. Wir trugen sie die Treppe hinunter, packten vor dem Hoteleingang auf und fuhren das kurze Stück hinunter zum Bahnhof. Dort haben wir dann zwischen Treppen, Rolltreppen und Aufzügen irgendwie die Orientierung verloren, so dass die Zeit am Ende doch etwas knapp wurde. Als dann der Lift zum Gleis nicht reagieren wollte und die Einfahrt des Zuges schon angesagt war, trug ich mein voll beladenes Rad die Treppe zum Bahnsteig hinauf und schaffte es gerade so, mit weichen Knien heil oben anzukommen. Friederike zog es vor, abzuladen. Im Zug gab es ein echtes Fahrradabteil und Sitzplätze in Sichtweite. Ein Italiener mit lückenhaften Zähnen und großflächigen blauen Flecken an den Armen erzählte, wie weit er schon als Fan seines Fußballvereins in Europa herumgekommen sei. Auch jetzt sei er unterwegs nach Mailand, um ein Auswärtsspiel zu sehen. Er zeigte uns ein Tattoo des Vereinsemblems an seinem Arm. Es gäbe keine Fußball-Sonderzüge mehr, seit die Tifosi immer die Wagen zerlegt hätten. Es gäbe überhaupt zu viel Gewalt im Fußball, aber er halte sich heraus. Diese gesagt habend schaute er eine Weile gedankenvoll zum Fenster hinaus und berührte wie prüfend seine verbliebenen Zähne. Wir wollen ihm glauben.

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20160402_101304In Milano reichte unser Aufenthalt, um den Bahnhof zu verlassen und eine Runde durch die Umgebung zu drehen. Bei einer Bar kehrten wir zu Cappuccino ein. Der alte Barista warnte uns -  'occhio!' - nur gut auf unsere Räder und das Gepäck aufzupassen. Es gäbe zu viele Albaner, Zigeuner und andere in der Stadt, die alles klauten und verkauften. Es sei nicht mehr gut. Ich fragte ihn noch nach einem nahen Supermarkt und wir fuhren hin, um uns mit Wasser und Proviant zu versorgen. Als wir auf dem Weg zum Bahnhof nochmal an seinem Lokal vorbeifuhren, rief er grüßend heraus. Auch der Bahnhof von Mailand verwirrte durch die Vielzahl der Etagen und Zugänge. Am Ausgang vom Bshnhofsgebäude zu den Bahnsteigen wieder Sicherheitskontrollen. Nur wer ein Ticket hatte, durfte zu den Zügen. Die Abfahrtsbahnsteige wurden sehr kurzfristig bekannt gegeben. Vor der Anzeigetafel bildete sich eine lange Menschenschlange.

Am Bahnsteig dann das bekannte Suchen nach den richtigen Wagen. Dort, wo sich unsere reservierten Sitzplätze befanden, war kein Platz für die Räder. Der war ein paar Wagen weiter, aber die Leute hatten ihn mit Koffern zugestellt. Ein Schaffner schuf uns Platz. Die Leute murrten. Diesmal waren wir in einer Sitzgruppe mit einer dicken Frau und einem älteren Mann, der alsbald zu erzählen begann, dass er seit seiner Pensionierung schon in vielen Ländern mit dem Rad unterwegs gewesen sei. Südamerika und Cuba, Deutschland, die Strecke Turin - Istanbul und einiges mehr.

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In Verona hatten wir Zeit, in den Park auf dem Stadtwall zu fahren und dort auf einer Bank Brotzeit zu machen. Anschließend gab es noch Cappuccino vor einer Bar. Dann ging es wieder zurück zum Bahnhof und - liftab, liftauf - zum Gleis. Wo wieder einmal völlig unklar war, wo unser Wagen wäre. Den Platznummern nach würde es wieder, wie auf dem Hinweg, einer dieser Waggons sein, die an jedem Ende genau einen Fahrradhaken haben. Wir warteten gespannt. Immerhin erschienen kurz vor Einfahrt des Zuges auf blassen Monitoren entlang des Bahnsteigs die Nummern der dort haltenden Wagen und wir konnten uns orientieren. Das mit den verschiedenen Wagenenden war wieder doof, weil wir uns trennen mussten und einander nicht beim Einsteigen helfen konnten. Ich wollte mit beladenem Rad in den Zug und bat einen Mitreisenden, mir zu helfen. Die Aufhängevorrichtung war auch hier zu niedrig für mein Fahrrad angebracht, so dass ich es kopfunter mit eingeschlagenem Lenker hängen musste. Alle diese Unterbringungsmöglichkeiten für Fahrräder in den Zügen sind irgendwie unpraktisch. Sie sollen vor allem Platz sparen und taugen nicht für größere und schwerere Reiseräder mit breiten Lenkern und dicken Reifen. Am angenehmsten sind Abteile, in die man sein Fahrrad ebenerdig hineinschieben und beladen abstellen kann, aber die gibt es auch in Deutschland nur selten. Immerhin kamen wir unter, fanden unsere Plätze und rollten den Alpen entgegen, in deren höheren Lagen immer noch Schnee lag, während im Tal die Obstbäume zu blühen begannen.

In Zügen kann man lesen, schreiben, dösen, hinaus in die Landschaft gucken oder drinnen die Leute beobachten. Dabei kristallisieren sich mit der Zeit Regeln der Menschenkenntnis heraus. Eine davon heißt: Je dicker, desto fress. Menschen, deren Körpergewicht deutlich erkennbar jegliches Maß überschritten hat, hören nicht etwa auf zu essen, wie es ihnen der Arzt bestimmt schon längst geraten hat, sondern sie führen den reichlichsten Reiseproviant mit sich und sprechen ihm am eifrigsten zu.  Man kann kaum hinschauen.

Die Frau, die auf einem großen Teil dieser Fahrt die Vierer-Sitzgruppe neben der unseren alleine einnahm, begann sich nach einer Weile mit ihren enggelockten, rotbraun gefärbten Haaren zu beschäftigen. Sie studierte ausgiebig deren Spitzen, entwirrte sie und wo sie unter Spliss litten, knabberte sie die Enden ab. Manche Menschen sind von köstlicher Unbefangenheit, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.

Wir hörten gemeinsam mit Kopfhörern Musik von meinem Telefon, Friederike las auf dem Tablet die heimatlichen Tageszeitungen, die ich noch am Bahnhof in Milano heruntergeladen hatte, als es freien WLAN-Zugang gab. Unser Zug überquerte den Brenner, wo auch auf näher gelegenen Höhen noch Schnee lag und fuhr durch wieder grüner werdende Landschaft abwärts. Bis Rosenheim das übliche Erstaunen, wie weit das österreichische Mobilfunknetz reicht und wie lausig anschließend das deutsche ist.

Hinter Rosenheim wurde der Zug sehr langsam. Mit der Zeit wurde uns klar, dass wir nicht die übliche Strecke nach München Ost fuhren, sondern auf der Mangfallbahn nach Holzkirchen unterwegs waren. Bemerkenswerter Weise kamen wir am Ende aber doch fahrplangerecht pünktlich am Hauptbahnhof an. Beim Aussteigen stellte ich fest, dass die Kette an meinem Rad herausgesprungen war. Es wäre zu umständlich gewesen, am Bahnsteig den Kettenkasten zu demontieren, um das in Ordnung zu bringen. Die Fahrt nach Hause wurde etwas langwierig, weil wir am Ostbahnhof umsteigen mussten. Und, man glaubt es kaum, der Lift an Gleis 3/4 ist zu klein für Fahrräder. Aber am Ende kamen wir gut an und Anna hatte schon für uns gekocht.

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Das waren unsere ~400 km Sizilien:

Sizilienrunde

Abreise von Sizilien. Das Appartement in der Hausnummer 24 des kleinen Cortile del Giuoco hatte es uns wirklich angetan. Man betrat es von der Straße her über eine schmale Veranda, die sich wie ein um vier Stufen erhöhter Gehsteig die ganze Front des Hauses entlangzog. An dieser Front gab es vier Türen und eine davon führte in unser Appartement. Die äußere Tür war ein robustes zweiflügeliges Gitter, die zweite eine einfache Glastür. Durch diese gelangte man in ein geräumiges Wohnzimmer mit zwei vermutlich ausziehbaren Sofas und einem runden Esstisch. In diesem Raum konnten problemlos auch unsere Fahrräder stehen. Hinter diesem Zimmer befand sich links ein Flur, der zu den gartenseitigen Räumen führte. Die verbleibende Breite des Appartements neben diesem Flur nahm unser Schlafzimmer ein, kaum breiter als das große Doppelbett, mit zwei schmalen Regalen, die als Nachttische dienten und einer Kommode mit drei Schubladen. Zum Wohnzimmer hin gab es ein offenes Fenster, das man durch ein verschiebbares Wandbild hätte verschließen können. Die hinteren Räume bestanden aus einer vollständig mit Einbaumöbeln, Herd und Kühlschrank ausgestatteten Küche und einem Bad mit Wanne, WC, Bidet und Waschbecken. Gartenseitig gab es vor Badfenster und Terrassentür wieder robuste abschließbare Gitter. Die Terrasse war ganz schmal, hatte aber Platz für ein Tischchen und zwei Stühle und dürfte ein angenehmer Schattenplatz für den Sommer sein. Alles in allem ein hübscher, wohnlicher, ruhiger, sicherer und sauberer Ort, ganz nah am Trubel des Zentrums. Das obere Stockwerk des Hauses scheint zu einer anderen Wohnung zu gehören.

Am Morgen gingen wir wieder in eine der nahen Pasticcerie frühstücken, dann packten wir, beluden unsere Räder und verließen um kurz nach Zehn das Haus. Bis zum Checkin am Hafen um 20 Uhr hatten wir so nochmal einen ganzen Tag in Palermo. Unser erstes Ziel war San Giovanni degli Eremiti, ein kleines altes Kloster mit einem sehr hübschen alten Kreuzgang. Wir durften unsere Räder in einem kleinen Nebenhof parken und konnten so gemeinsam unsere Besichtigungsrunde machen.

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Den Rest des Tages verbrachten wir in verschiedenen Parks und in Cafés und radelten zwischendurch kreuz und quer durch die Straßen und Gassen der Stadt. Etwa um halb Acht konnten wir am Hafen einchecken. Am Schiff mussten wir dann noch über eine Stunde warten, ehe wir an Bord durften. Wir standen in einem Pulk von Motorradfahrern und schauten zu, wie emsige Zugmaschinen zunächst einen um den anderen Sattelauflieger aus dem Bauch des Schiffes hervorholten und dann eine ganze Reihe anderer wieder dort verstauten. Hinter uns warteten die PKWs. Einige Familien waren ausgestiegen und warteten mit ihren Kindern hinter einer Absperrung.

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Auf dem großen Platz vor dem Schiff herrschte ein wirres Durcheinander von Fahrzeugen. Einige Offizielle führten Regie, so gut es mangels jeglicher wegweisenden Beschilderung ging. Zwischen allen wild kurvenden Lastzügen und PKWs und den wartenden Fahrzeugen und Menschen lief ein großer gelber Hund umher, einige Leute gaben ihm zu fressen und spielten mit ihm. Plötzlich ein Kinderschrei, denn der Hund hatte sich das Stofftier eines Kindes geschnappt und rannte damit davon. Der Vater des Kindes setzte ihm nach, aber der Hund lief zwischen den schnell rangierenden Fahrzeugen hin und her und war nicht zu erreichen. Erst als der Capo der Hafenleute ihn rief, folgte er und ließ sich das Spielzeug nehmen.

Schließlich durften wir mit unseren Fahrrädern an Bord. Wir luden ab, fuhren wieder mit dem Lift in die siebte Etage, schleppten unsere Sachen durch enge Gänge von ganz hinten nach ganz vorne und bekamen wieder die gleiche komfortable Kajüte, wie bei der Herfahrt. Wir richteten uns ein und gingen dann in das Selbstbedienungs-Restaurant an Bord zum Abendessen. Die Speisen waren eher kalt und nichtssagend. Kurz nach dem Ablegen des Schiffes waren wir dann wieder im Freien auf den oberen Decks und schauten noch lange auf die langsam entschwindenden Lichter Palermos.

Die weitere Überfahrt ist schnell erzählt. Am nächsten Tag war es nicht kalt, aber die Sonne konnte die Wolken kaum einmal durchdringen. Das Meer war etwas unruhiger, als auf der Hinfahrt, Auf den Wellen zeigten sich vereinzelt kleine Schaumkronen. Wir verbrachten viel Zeit schreibend, dösend und schlafend in unserer komfortablen Behausung und knabberten Cuor di Mela und, als besonderes Highlight, die Marzipan-Süßigkeiten, die wir aus Palermo mitgebracht hatten. Die Fahrt mit den Grandi Navi Veloci ist bestimmt die komfortabelste Reisemöglichkeit mit Fahrradtransport nach Sizilien, so lange es keine durchgehenden Züge mit Fahrradtransport gibt. Aber irgendwie langweilig ist es auch.

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Um 17h kam wieder die Aufforderung, sich je nach Transportmittel und Parkdeck an bestimmten Stellen des Schiffes zu versammeln. Dazu musste man natürlich erstens das Parkdeck wissen - in diesem Punkt waren wir von der Hinreise gewitzt, unsere Räder standen auf dem 'ebenerdigen' Deck C - zweitens aber hatte niemand eine Idee, ob wir als einzige Radler an Bord nun Fußgängern oder Autofahrern gleichzusetzen seien.

Wir warteten zunächst in der Bar auf Deck 9, weil dort kein Karaoke zu erwarten war, wie bei der Hinfahrt auf Deck 7. Am Ende entschlossen wir uns dann, auf eigene Faust zu dem Lift zu gehen, der uns beide Male beim Einsteigen nach oben gebracht hatte, und uns auf die Sachkenntnis der Frau zu verlassen, die ihn bediente, So kamen wir schließlich zu unseren Rädern, beluden sie und fuhren hinaus an Land. Die umständlichen Fahrwege im Hafen von Genua kannten wir schon von der Hinreise. Mein Navi führte uns auch rasch zum Hotel, aber der Wind war so stark und böig, dass es gar nicht einfach war, sicher durch den dichten Verkehr zu manövrieren. Beim Hotel mussten wir unsere Fahrräder auf eine höher gelegene Außenterrasse tragen. Das Hotel hieß Bellevue und von unserem Zimmer aus hatten wir einen immerhin recht weiten Blick, einerseits auf den Hafen und das Schiff, mit dem wir gekommen waren, andererseits hinunter auf den Bahnhof, von dem wir anderntags frühmorgens in Richtung Heimat abfahren würden. Wir packten nur das nötigste aus und gingen in einer nahen Pizzeria essen, die von zwei asiatischen Frauen geführt wurde. Nach dem Essen drehten wir noch eine Runde durch die Gassen, wo die afrikanischen und asiatischen Händler langsam ihre Läden schlossen und gingen dann ins Hotel.

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Der Tag in Palermo begann wie immer in einer der beiden Pasticcerie nahe unserem netten Appartement, das diesmal leider den Nachteil hatte, dass Wasserhahn und Dusche nur knapp lauwarmes Wasser lieferten. Ich rief die Nummer an, die ich vom Vermieter hatte, und als wir vom Frühstück zurückkamen, gab es wieder heißes Wasser. Wir gingen los auf Besichtigungstour.

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Eigentlich wollten wir uns zunächst die Straßenmärkte ansehen, von denen viel zu hören und zu lesen ist. Unterwegs kamen wir eher zufällig zu der Chiesa dell'Immacolata Conzezione und gingen hinein.

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Wir fanden einen überwältigenden Reichtum an barockem Bildwerk, vor allem aber faszinierende Intarsienarbeiten in Stein, und zwar nicht nur geometrische Muster, sondern regelrechte Gemälde, die aus passend geschnittenen farbigen Steinen zusammengesetzt waren.

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Anschließend liefen wir durch einige der Marktgassen, wo die Händler ihre Ware meist vor ihren Läden aufgebaut haben und anbieten. Es gab sowohl Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse und Gewürze in buntester Vielfalt, dazu aber auch Stoffe, Kleidung, alle Arten von Haushaltswaren und manches sonst.

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Nach einigem Wandern durch Straßen und Gassen kamen wir zur Kathedrale Maria Santissima Assunta, die wir bei unserem ersten Aufenthalt verschlossen vorgefunden hatten.

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Wie auch in anderen Kirchen, die wir in diesen Ostertagen gesehen hatten, war über dem Altar eine Statue des Auferstandenen errichtet. Wir liefen weiter, blieben bisweilen sitzen, schauten, beobachteten und genossen den warmen sonnigen Tag. Palermo ist von je her eine multikulturelle Stadt. Menschen verschiedener ethnischer Herkunft, Religion und Hautfarbe leben hier. Eine Sache, die uns besonders auffiel, war, dass die Parkraumverwaltung fest in schwarzafrikanischer Hand zu sein schien. Sie wiesen die raren Parkplätze zu, dirigierten die Fahrer und Fahrerinnen beim Einparken, organisierten an manchen Stellen auch Parken in zweiter Reihe, indem sie dafür sorgten, dass die Besitzer störend abgestellter Autos gerufen wurden, wenn jemand ausparken wollte. Und natürlich nahmen sie Geld für ihre Dienste. Ob amtlich gewollt oder stillschweigend geduldet, wissen wir nicht.

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Am Spätnachmittag gelangten wir ans Meer. Am Hafen der Segelboote hielten etliche Angler ihre Köder in die unappetitliche Brühe und waren dabei ähnlich von Zuschauern umlagert, wie zuvor die Kartenspieler im Park. Auf der großen Wiese, bei den Steinbänken saßen eng umschlungene Liebespaare, lagerten Familien, hockten junge Mädchen beisammen und hörten Musik vom Smartphone. Jungs spielten Fußball, darunter auch einige größere Gruppen Schwarzer, die dabei bewundernswerte Geschicklichkeit und Spielfreude an den Tag legten.

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Wir besuchten nochmal eine der Patisserien und schwelgten in den immer wieder neuartigen Süßigkeiten zu gutem Cappuccino, ruhten uns eine Weile in unserem Appartement aus und gingen dann noch einmal in die Antica Focacceria zum Essen. Wir hatten gelesen, dass der Inhaber sich eines Tages geweigert habe, Schutzgeld zu zahlen und dass er damit zu einer Leitfigur des Kampfes gegen die Mafia geworden sei. Im Touristenbüro haben wir auf Nachfrage ein kleines Buch bekommen, das unter dem Titel Pago chi non paga - Ich zahle an die, die nicht zahlen - Firmen und Institutionen auflistet, die sich der Bewegung gegen Schutzgelder Addiopizzo angeschlossen haben.

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Der Mann vom Hotel, der offenbar Portier, Manager, Klempner und Zimmermädchen in Personialunion sein sollte, war bereits seit unserer Ankunft an einem heftigen Infekt seiner Innereien erkrankt und schleppte sich nur gelegentlich aus seiner Wohnung herbei, um nach uns zu schauen. Deshalb hatten wir auch das ganze Hotel für uns allein, denn es war niemand da, um Neuankömmlinge zu empfangen. Unsere Abreise hatten wir für 11 Uhr verabredet und die Zeit bis dahin wollten wir nutzen, um noch einige der Stätten zu besichtigen, die am Vortag geschlossen hatten. So stellten wir unseren Wecker und gingen für unsere Verhältnisse zeitig los, frühstückten in einer nahen Bar und besuchten dann Kirche und Kloster Santo Spirito.

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Die Kirche erstaunte uns durch ihren sizilianischen Barock, der Klosterhof war sehr hübsch.

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Im Museum fand ich in der volkskundlichen Abteilung zwei Gerätschaften, die mir in ganz ähnlicher Form aus Kindheitstagen im Elternhaus meines Vaters bekannt waren, nämlich eine Milchzentrifuge und eine mobile Schmiedeesse mit handbetriebenem Gebläse, wie sie auch mein Großvater besessen hatte.

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Durch die engen Gassen liefen wir zurück und taten noch einen Blick in San Lorenzo, auch Chiesa del Purgatorio, Kirche des Fegefeuers genannt.

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Dann holten wir Gepäck und Fahrräder, stellten am Bahnhof fest, dass der gewählte Zug an diesem Tag nicht fuhr und verbrachten die zusätzliche Stunde nochmal auf der Viale della Vittoria, mit dem schönen weiten Ausblick. Schließlich gingen wir zum Zug.

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In Palermo waren wir ganz schnell an dem bereits vom Beginn der Reise bekannten netten Appartement, durften unser Gepäck und unsere Räder schon einmal abstellen, obwohl das Zimmer gerade erst hergerichtet wurde, und machten uns auf den Weg durch die Stadt. Wir besichtigten einige Kirchen, den Hof der juristischen Fakultät und schließlich das Rathaus, dessen Besuch uns der grüne Bürgermeister von Lauf, Benedikt Bisping dringend nahegelegt hatte. Ein freundlicher Wärter führte uns herum und hatte es sehr wichtig damit, dass wir uns von ihm auf den Präsidentenplätzen des Ratssaals und am Senatstisch fotografieren ließen.

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In einer kleinen Trattoria kehrten wir zum Abendessen ein. Der Wirt war sein eigener Koch, drei kleine Mädchen spielten im Gastraum, bis die Mutter sie zum Schlafen brachte und der pubertäre Sohn widersetzte sich lautstark den väterlichen Anweisungen. Wie in so vielen Lokalen hier lief überlaut der Fernseher und so bekamen wir den Beginn eines Länderspiels zwischen den Mannschaften Italiens und Deutschlands mit. Wir blieben dennoch nicht, sondern gingen noch in eine unserer beiden Stamm-Pasticcerie zu Kaffee und Nachtisch und machten es uns dann in unserem Appartement gemütlich.

Ostermontag. Ruhetag. Vor allem für die Einheimischen, die an diesem Tag wohl Besuche machen und Kuchengeschenke mitbringen, weshalb am ehesten noch die Pasticcerie offen haben. Die meisten anderen Läden haben zu, und nachmittags auch fast alle Kirchen, selbst wenn ein Schild an der Tür anderes verkündet.

Immerhin sahen wir noch das Innere des Doms, das zum Teil mit aufwändigen Gerüsten gegen Einsturzgefahr gesichert ist. Gegen einen Obolus bekamen wir sogar das volle Programm, durften uns das barocke Vorderschiff ansehen, hinaufsteigen und aus einem Balkon die Stadt anschauen, mit Erklärungen die uralte bemalte Holzdecke ganz aus der Nähe betrachten und die legendäre Lettera del Diavolo sehen und erklärt bekommen. Zum Ticket gehörte auch noch das Diözesanmuseum ein paar Häuser weiter, und so sahen wir einige Stücke aus dem Kirchenprunk und ein Bett, in dem Papst Johannes Paul II eine Nacht zugebracht haben soll.

Die anderen Kirchen, die wir gerne besichtigt hätten, waren geschlossen, die Läden auch, und so hatten wir nur noch ein Stück schon etwas älteres Brot und zwei Bananen und kein rechtes Ziel, als umherzuwandern und gelegentlich in einer Pasticceria etwas von den wirklich interessanten Süßigkeiten zu holen, die es dort gab. Etliche einheimische und ausländische Touristen taten es uns gleich und so begegnete man sich mal hier, mal dort in den engen Gassen der Altstadt. Da gibt es viele Häuser, die in einem erbärmlichen Zustand sind, manche gar, die nur noch von Stützen aufrecht erhalten werden. Dazwischen Gruppen hoch aufragender moderner Wohnblocks und eher wenige gut restaurierte Altbauten.

Etwas besser ging es in ein paar nobleren Einkaufsstraßen zu, und am Viale della Victoria, der wie eine langgezogene Terrasse schnurgerade am Hang entlang verläuft und von dem aus wir einen schönen Blick hinaus zu den antiken Tempeln hatten. Abends kehrten wir in einer Trattoria ein, die von außen ganz einladend ausgesehen hatte, wo aber drinnen ein irgendwie genervter Geist herrschte und das Essen nur teilweise gut war. Müde, einerseits vom Müßiggang, andererseits aber auch vom vielen Treppensteigen, gingen wir früher als sonst ins Hotel.

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Heute hatten die Räder Pause. Wir schliefen lang, hinzu kam die Zeitumstellung, so dass wir erst am späten Vormittag auf der Straße waren. Über steile Treppen und schmale Durchgänge stiegen wir hinunter in die Bahnhofsgegend, kauften uns in einer Bäckerei, die am Ostersonntag geöffnet hatte, Semmeln und ein süßes Teilchen, setzten uns damit in einen kleinen Park neben einer Kirche und tranken dann in einer Bar gegenüber Cappuccino. Danach liefen wir weiter abwärts, bis wir schließlich den Eingang zu den archäologischen Stätten gefunden hatten. Leider gab es keine brauchbare Beschilderung.

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Der Eintritt kostete 10 Euro. Wir durchwanderten das weitläufige Gelände, bestaunten die Reste der monumentalen Tempel und beobachteten mit Vergnügen unsere Mittouristen, die auf den Altertümern herumkletterten und sich selbst und einander in allen denkbaren Posen fotografierten. Das Wetter war klar und sonnig, aber nicht zu heiß. Die Kleidung der Menschen zeigte den Übergang von kalter zu warmer Jahreszeit: Während einige noch in Pullover, Wintermäntel, Wollmützen und warme Stiefel gekleidet waren, liefen andere schon beinahe sommerlich herum.

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Als wir uns satt gesehen hatten und die Füße müde waren, wanderten wir zurück in den Ort. Unterwegs sahen wir an der Straße zwei riesengroße alte Gummibäume, die ihre Äste waagerecht weit von sich reckten und, abgesehen von der Blattform, in nichts den eher kümmerlichen Gewächsen glichen, die bei uns manche Wohnungen zieren. Überhaupt sehen wir hier Gewächse, die man bei uns nur als handliche Topfpflanzen kennt, in Größe stattlicher Sträucher und Bäume. Gleich neben den Gummibäumen gab es einen großen Brunnen, an dem man Trinkwaser zapfen konnte. Wasser, so lasen wir, sei hier im Sommer mitunter sehr knapp.

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Wir erkundeten, da er ohnehin am Weg lag, noch den architektonisch sehr schönen Bahnhof, um für die Abfahrt gewappnet zu sein. Die Bahnsteige des Kopfbahnhofes liegen zwei Stockwerke unterhalb des Vorplatzes. Über ein Treppenhaus oder mit dem Lift gelangt man hinunter. In der Bahnhofsbar gönnten wir uns noch einen Cappuccino und eine Süßigkeit, außen Teig, innen eine grüne Bonbonmasse. An der Kasse war auch ein Lotterieverkauf und ein grauhaariger Mann kaufte eine Loskarte nach der anderen und setzte sich dann immer wieder an ein Tischchen, um seine Glückszahlen freizurubbeln.

Auf dem Bahnhofsvorplatz lagerten, in gehörigem Abstand voneinander aufgereiht, etliche große Hunde. Verwilderte oder sonst frei herumlaufende Hunde gab es in der Stadt wie auf dem Land, aber sie waren nie zudringlich, sondern eher scheu und fluchtbereit. Nur wo sie ein Territorium zu verteidigen hatten, bellten sie pflichtgemäß, wurden aber sofort wieder ruhig, wenn man vorüber war.

Im Hotel fanden wir das Zimmer vor, wie wir es verlassen hatten. Niemand hatte aufgeräumt, die Betten gemacht oder frische Handtücher bereitgelegt. Nach einiger Zeit kam der Mann, der uns am Vorabend eingelassen hatte. Er wolle nachsehen, ob alles in Ordnung sei. Dann würde er sich mit seinen 39 Grad Fieber wieder ins Bett legen. Friederike zeigte ihm den losen Griff der Mischbatterie in der Dusche und wir handelten aus, dass wir die Dusche im Nachbarzimmer benutzen dürften. Wir wären die einzigen Gäste im Hotel und sollten nur die Eingangstür gut abgeschlossen halten.

Die Trattoria gleich nebenan hatte geschlossen. Ein paar Straßen weiter fanden wir zum Glück ein offenes Lokal. Jetzt nochmal über die steilen Treppen hinunterzusteigen hätte uns nicht gefallen. Auch in dem geöffneten Lokal herrschte eine Art Notprogramm, denn viele frische Zutaten waren wegen der Feiertage ausgegangen. Es gab also ein längeres Frage- und Antwortspiel, bis wir bestellt hatten, aber was dann aufgetischt wurde, war völlig in Ordnung. Es dauerte alles nur etwas länger und das gab Zeit, die anderen Gäste zu beobachten, was durchaus unterhaltsam war. Nach dem Essen gingen wir auf dem kürzesten Weg ins Hotel. Es hatte draußen ziemlich abgekühlt.

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Zum Frühstück servierte der padrone hauseigene Orangenmarmelade auf mundgerechten Brotstückchen, kleine Streifen von Aniskuchen und fertig zerteilte Orangenstücke. Auf einem zweiten Teller, warm, Stücke von Focaccia mit Fisch, Käse, Tomaten,  Schinken und aromatischen Kräutern. Zum Schluss ein warmes Hörnchen, aus dem die selbstgemachte Pistazienfüllung nur so quoll. Alles sehr fein. Ein wirklich netter Übernachtungsort, nur das Internet war etwas langsam, das Wasser aus dem Hahn nicht trinkbar und - naja - die Treppenlage. Der zollten wir zum Abschied nochmal Tribut, indem wir Räder und Gepäck hinunter zur nächsten Straße trugen.

Dass der Tag anstrengend werden würde, hatten wir gewusst. Die Fahrt würde über 70 Kilometer lang sein und nicht ganz eben verlaufen. Teilweise würden wir die Hauptstraße benutzen. Es könnte ein kleinwenig regnen, aber der Wirt meinte, das Wetter würde bestimmt gut werden. Es kam alles noch ein wenig deftiger.

Wir fuhren zunächst im Ort noch etwas höher, bis zu einem Supermarkt, wo wir Wasser und Proviant kaufen konnten. Im Park davor spielten Männer Karten. Um die Spieltische standen zahlreiche Zuschauer, am Ende einer Partie wurde heftig debattiert. Als wir Sciacca verließen, war der Himmel einheitlich grau. Nach einer Weile begann es ganz leicht zu regnen. Als wir uns gerade auf einem Streckenstück befanden, wo es keinerlei Unterstand gab, verwandelte sich der Niesel in einen so heftigen Guss, dass wir völlig durchnässt wurden. Im nächsten Ort flohen wir in eine Bar und bestellten heißen Cappuccino und Friederike zog eine trockene Hose an. Zur Weiterfahrt freuten wir uns über unsere Fleecejacken und Handschuhe, denn wir waren etwas durchgefroren und es war so kühl geworden, dass man den Atem sah. Ringsum war dichter Nebel.

Die Straßen waren angenehm ruhig, auch auf der Hauptstraße herrschte nur sehr wenig Verkehr. Die Anstiege waren nur mäßig steil, so dass wir im ersten Teil der Etappe ganz gut vorankamen. Wir erreichten etwa 200 Höhenmeter über dem Meer und waren dabei wegen der dazwischen liegenden Abfahrten 344 Meter aufgestiegen. Dann ging es wieder abwärts bis fast auf Meereshöhe. Der zweite Anstieg wurde beschwelicher. Zwar ließ am Nachmittag der Regen nach, es zeigten sich blaue Stellen am Himmel, fast kam die Sonne durch, es wurde auch wieder wärmer, die Sicht wurde normal. Wir fuhren an großen Plantagen vorbei, wo die Orangen dicht an den Bäumen hingen. Aber der Weg zog sich, die Routenführung wurde unübersichtlich, eine beschilderte Radroute, der wir zeitweise gefolgt waren, machte mit der Zeit unnötige Windungen, der Verkehr nahm zu und wurde gegen Ende sehr dicht und lästig und mit jeder Steigung machte sich die Anstrengung etwas mehr bemerkbar. Langsam wurde auch klar, dass unsere Unterkunft nahe dem höchsten Punkt der Stadt lag. Da gab es Abschnitte, die waren so steil, dass wir sie nur schiebend bewältigen konnten. So umrundeten wir den Berg zur Hälfte, kauften unterwegs noch ein, um für den Ostersonntag auf jeden Fall versorgt zu sein, stiegen ein steiles letztes Stück hinauf und fuhren dann nochmal steil ab zum Hotel Antica Foresteria Katalana, wo uns ein stark erkälteter Mensch empfing. Das Zimmer ist das schlichteste, das wir auf dieser Reise hatten, aber wir waren froh, angekommen zu sein. Wir duschten, zogen frische Kleidung an und gingen in die Pizzeria nebenan zum Essen. Dann wieder ins Zimmer zurück und müde ins Bett.

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Zwar hatte es geheißen, Frühstück gäbe es nur bis 8.30 Uhr, und das hatten wir einfach verpennt, aber dann gab es eine Stunde später auch noch von allem. Joghurt und Brot und Käse und Hörnchen und Saft und Kaffee und Tee und so weiter. Und das am Ende ohne Berechnung. Ganz abgesehen davon, dass wir bei Booking inzwischen den Status genius haben und günstigere Preise bekommen - uns tun schon die Wirte leid.

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Die Tagestour führte an diesem Karfreitag mal landeinwärts, dann wieder auf das Meer zu, auf und ab, quer zu kleinen Flusstälern,  mal vom Wind gebremst, mal geschoben. Von den Höhenrücken aus gab es wundervolle Ausblicke auf die Küste und auf die Ortschaften und Felder im Land. Wir sahen einige Schafherden, Weingärten, in denen die gleichen gelben Blumen blühten, die auch sonst überall zu sehen waren. Es gab große Olivenplantagen, einige Felder mit Artischocken, blühende Mandelbäume und über allem blauer Himmel mit ein paar weißen Wolken und Sonne. Und es war auf den Straßen nur sehr wenig Verkehr. Einziges Problem war, dass es auf dem ganzen Weg keine Geschäfte gab, um Proviant und Wasser zu kaufen. Aber der Weg war nicht besonders beschwerlich, die Tagesetappe eher kurz und so waren wir bereits am frühen Nachmittag in Sciacca.

Unser gebuchtes B&B Porta di Mare war nicht leicht zu finden und noch weniger leicht zu erreichen, denn es lag an einer der langen Treppen, die den steilen Ort durchziehen und hatte keinen Straßenzugang. Als ich es zu Fuß gefunden hatte, mussten wir unser Gepäck und unsere Räder eine steile schmale Treppe hinauftragen. Das Haus ist sehr nett, der Patron freundlich und etwas geschwätzig, aber zur Begrüßung gab es zwei wunderbare Orangen, wie sie in der Nähe des Hauses auch verlockend an einem Gartenbaum hingen.

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Wir richteten uns ein und schauten uns dann den oberen Ortsteil an, von wo wir einen weiten Blick auf das Meer, die Küste und den Hafen hatten. Dort liefen am frühen Abend die Fischkutter ein und das lockte uns hinunter. Sobald ein Schiff anlegte, sammelten sich eine kleine Menschenmenge und einige Fahrzeuge. Der Fang wurde nach Fischarten sortiert in kleinen Kästen herausgereicht und landete entweder zum sofortigen freien Verkauf auf der Ladefläche eines kleinen Dreirad-Autos, wo die Kiste zwischen 10 und 15 Euro kostete, oder wurde zu einem der wartenden Kühlfahrzeuge getragen und dort verstaut. Wir sahen längere Zeit ganz aus der Nähe zu und liefen dann noch ein Stück die lange Hafenmole entlang.

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Kaum war die Sonne untergegangen, wurde es empfindlich kühl. Wir gingen in unser Zimmer, um wärmere Kleidung zu holen und die nächsten Reisetage zu planen, samt Buchung der Unterkunft. Dann gingen wir wieder zum Hafen und zu dem Lokal Al Faro, das wir uns zuvor schon ausgesucht hatten. Das war modern eingerichtet und blendend hell erleuchtet und es gab ein Fischmenü für 25 Euro pro Person, das wir bestellten. Es begann mit eingelegtem Tintenfisch, einem Salat aus Fisch und Couscous, kleinen Heringen, sauer eingelegt, Frittierte Reisbällchen mit Fisch, Fischbällchen in Tomatensauce, gedünsteten Fischröllchen und Muscheln in einem Sugo aus frischen Tomaten. Das war die Vorspeise. Als primo folgte ein Muschelrisotto und als secondo gab es einige kleine Fische, ein großes Stück gegrillten Tintenfisch und eine große Garnele. Zum Schluss kam noch ein Nachtisch aus Ananasstücken und einer mit süßem Ricotta gefüllten Teigtasche. Den Abschluss bildete Espresso. Wein und Wasser waren inbegriffen. Dieses Menü stellte das vom Vortag nochmal weit in den Schatten und der Faro erwies sich wahrlich als kulinarischer Leuchtturm. Hoch erfreut und stark gesättigt stiegen wir wieder hinauf ins Hotel.

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Fürs Frühstück hatte uns der tanzende Satyr zwei Tickets gegeben, mit denen wir in der Bar nebenan Kaffee und Hörnchen bekamen. Dann schoben wir unsere Räder auf die Straße, die über Nacht auch hier im Hausflur gestanden waren, und machten uns auf den Weg. Es war noch ein wenig kühl, aber die Sonne schien. Am Ende des Hafens machten wir nochmal Halt für Fotos.

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Das erste Stück unseres Weges führte mit angenehmem Rückenwind immer am Meer entlang. So hatten wir uns das eigentlich schon die ganze Zeit vorgestellt. Das Wasser war noch unruhig vom Sturm, die Wellen brachen sich schon recht weit draußen. Bei Torretta Granitola wandte sich unsere Route landeinwärts, vorbei an vielen großen Olivenplantagen, einigen Weingärten und wenigen Getreidefeldern.

Auffallend ist überall auf unserem Weg durch Sizilien der viele Müll entlang der Straßen. Achtlos weggeworfene Flaschen und andere Behältnisse sind nur ein Teil davon. Immer wieder finden sich Ansammlungen von Hausmüll in Tüten, die zum Teil aufgeplatzt ihren Inhalt dem Wind überlassen, der sie in der Landschaft verteilt. Überhaupt gibt es anscheinend wenig Ehrgeiz, die Heimat zu verschönern oder schön zu erhalten. Was an Gebautem einstürzt oder umfällt, bleibt einfach liegen. Verbeulte oder ausgebrannte Müllcontainer liegen am Straßenrand, Matratzen, Sofas, Kühlschränke verrotten auf unbebauten Parzellen. Das ist umso schwerer zu verstehen, als die Orte am Meer ja vom Tourismus leben wollen.

Bei Tre Fontane erreichten wir wieder das Meer. Die Ortschaften ziehen sich hier in immergleicher Folge am Meer entlang. Schmale Straßen führen dicht an dicht aufs Meer zu und teilen Geländestreifen ab, die mit Ferienhäusern bebaut sind. Jetzt, im März, waren fast alle unbewohnt, die Geschäfte und Bars leer, die Gegend fast ausgestorben, an einigen Häusern wurde gebaut, mancherorts standen halbfertige Bauwerke schon wieder zerfallend da, Häuser und Grundstücke waren zur Miete oder zum Kauf ausgeschrieben. In einem kleinen Laden, wo Handwerker belegte Semmeln zur Brotzeit kauften, holten wir etwas zu essen und setzen uns damit auf eine Mauer am Strand. Zahlreiche streunende Hunde liefen herum, ließen uns aber in Ruhe. Es war, als hätten die Feriengäste ihre Tiere nach dem Urlaub einfach zurückgelassen.

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An immer mehr Stellen lag Sand auf der Straße, den offenbar das Meer bei Hochwasser da angeschwemmt hatte. Über eine lange Strecke konnten wir den Sandhaufen noch ausweichen, die die Straße verengten. Aber langsam wurden die Haufen größer, die wie Wanderdünen vom Strand her kamen und in die Straße hereinragten. Schließlich sahen wir vor uns ein Räumfahrzeug, das dabei war, den Sand abzutragen, der nun die ganze Straße versperrte. Wenig später führte unser Weg einige Kilometer landeinwärts und dann wieder in Richtung Meer bis nach Selinunte. Dort hatten wir im Hotel "Il Tempio di Hera" gebucht und wurden freundlich empfangen und gleich mit Auskünften zum Ort und seinen Sehenswürdigkeiten überschüttet. Nach kurzer Rast machten wir uns auf zu den weitläufigen archäologischen Stätten.

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Abends suchten wir dann, einer Empfehlung aus dem Hotel folgend, "Il Boomerang" auf, wo uns zwei ältere Männer nacheinander fünferlei Sorten Fisch und Meeresgetier servieten. Es gab etliche kleine Merluzzi (Kabeljau), einige Triglie (Rotbarben), Razza (Rochenflügel), einen weiteren Fisch, den wir nicht identifizieren konnten, weil er in gedrehten Streifen filettiert gebraten worden war, schließlich noch vier Gamberoni (Riesengarnelen) und zu allem Salat und Brot. Den Abschluss bildeten in einer ausgehöhlten Orangenschale servierte Erdbeeren mit Sahne und ein Espresso. Das war reichlich und für 50 Euro inklusive Wasser und Wein auch fair im Preis.

Bei Vollmond, sternenklarem Himmel und überraschender Kühle gingen wir zurück ins Hotel.

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Der Café Lungo im B&B 5 Torri war ein Missverständnis und eine Plörre. Vermutlich wundert sich der Wirt selbst, dass die Touristen immer fleißig mit dem Kopf nicken, wenn er auf die große Tasse zeigt. Sein zweiter Irrtum war, zu behaupten, wenn es in der Nacht so kräftig geregnet habe, wie geschehen, bliebe es am Tag trocken. Es war stürmisch, kühl und die Regengüsse nahmen im Laufe des Tages zu. Allerdings war unser Weg heute fast vollkommen eben und der Sturm blies fast nie von vorne. Von der Seite war er aber auch störend, zumal wenn wir von Lkws etwas knapp überholt wurden. Denn das Gebiet, durch das wir fuhren, entsprach nur sehr entfernt dem, was wir uns unter einem Naturreservat und alten Salinen vorgestellt hatten. Zwar sahen wir rechteckige Becken mit Meerwasser und Haufen von aufgeschüttetem Salz, an denen der Regen nagte, auch staksten einzelne Flamingos umher und irgendwo stand eine kaputte alte Windmühle, aber im Wesentlichen fuhren wir durch eine Agglomeration von Industrieanlagen, kleinteiliger Landwirtschaft, Siedlungen sowie neuen und alten Ruinen. Alles nicht sonderlich sehenswert. Manchmal stellten wir uns irgendwo unter, wenn der Regen zu stark wurde. Und wir versuchten, nach Möglichkeit die riesigen Pfützen zu meiden, die sich auf den Straßen gebildet hatten, und die Fontänen, die von hindurchfahrenden Autos erzeugt wurden.

Auch in Mazara del Vallo mussten wir erst einmal unter dem großen Sommerdach einer Pizzeria Schutz suchen. Dann peilten wir unser Hotel an. Der "Satiro Danzante" war ganz nett, der junge Mann, der uns empfing und der ganz oben in einem Anwaltsbüro hauste, ein Wenig schnöselig. Die Zimmer waren nach griechischen Gottheiten benannt, aber das hat nicht immer ganz geklappt.

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Wir bezogen unser Zimmer und versuchten, so gut es ging, unsere feuchten Kleider zum Trocknen aufzuhängen. Ein Klimagerät hoch oben unter der Decke spendete nur zögerlich Wärme. Draußen war es weiterhin stürmisch mit gelegentlichen Regengüssen. Wir wanderten durch die engen Gassen des sehr charmanten Ortes, vorbei an Kunsthandwerkerläden, bemerkenswert noblen Modeläden und durch Quartiere in denen fast nur arabisch gesprochen wurde, denn Tunesier bilden hier seit historischer Zeit eine fest ansässige Bevölkerungsgruppe. Wir sahen die repräsentative Piazza Repubblica und das vom Sturm aufgewühlte Meer und flohen schließlich etwas vor unserer üblichen Essenszeit in "La Trinacria", wo wir freundlich empfangen und ausgezeichnet mit Couscous, Meeresfrüchten und Fisch bewirtet wurden.

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