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Der Wetterbericht war nicht sehr günstig und so wussten wir nicht genau, wo unsere Tagesreise enden würde. Eigentlich wären wir gerne über Rosenheim und Feldkirchen nach Hause gefahren und hätten noch irgendwo unterwegs eine Nacht Halt gemacht, aber das musste sich im Laufe des Tages ergeben. Wir verließen Tittmoning durch das Laufener Tor und wandten uns bald danach rechts am ehemaligen Bahnhof vorbei der alten Eisenbahnstrecke zu. Dort wo ich als Kind immer im Schienenbus vorne beim Fahrer sein durfte, der bei jedem Feldwegübergang weithin hörbar die Signalpfeife ertönen ließ, beginnt heute ein Radweg in gemächlicher Steigung aus dem Tal hinauf. Linerding, Gramsam, Maierhofen, Holzhausen, Falting, Harmoning, Tengling, Lampertsham, Palling, Höhenstetten.

Vor Traunreut westwärts nach St. Georgen, Hassmoning, Truchtlaching und ab da südwärts in Richtung Seebruck am Chiemsee. Von jetzt an ging es nahe am Ufer entlang weiter, während am Horizont immer finsterere Gewitterwolken aufzogen und schon einzelne Blitze zuckten. Wir radelten zügig voran, bei den ersten Häusern von Prien begann es zu regnen und kaum hatten wir den Bahnhof erreicht, ging mit Donnerkrachen und Wolkenbruch ein Unwetter nieder, das unsere Reise vorzeitig beendete. Wir warteten auf den nächsten Regionalzug nach München und fuhren nach Hause.

GPX-Track

Am Morgen fanden wir die Stadt festlich geschmückt. Das Rathaus hatte Fahnen gehisst, auf dem Stadtplatz waren Altäre aufgebaut und vor vielen Fenstern hingen feierlich die roten Tücher. Während aus den offenen Türen der Pfarrkirche Orgelmusik und Chorgesang erklangen, betrachteten wir außen Reliefs und Gemälde und machten uns allerlei Gedanken.

Als der Gottesdienst zu Ende war, begann der Fronleichnamszug durch die schmale Stiftsgasse hinaus auf den sonnigen Stadtplatz. Fahnenträger, Männer und Frauen in festlicher Tracht, Blechbläser, Ministrantinnen und Ministranten, weihrauchumhüllt unter dem von vier Männern getragenen Baldachin der Priester mit der Monstranz. So ging der Zug von Altar zu Altar über den schönen Platz und immer wenn die Gebete gesprochen waren und der Priester das Allerheiligste erhob, grüßten die Schützen mit ohrenbetäubenden Böllerschüssen. Ein irgendwie doch seltsamer Brauch, der in Bayern weithin gepflogen wird.

Aber bunt und festlich war es und auch schön zu fotografieren und so gibt es hier noch eine ganze Serie weiterer Bilder.

Als der Zug den Platz wieder verlassen hatte besuchten wir meine betagte Tante, die am Stadtplatz wohnt und sich alles bequem vom Fenster ihrer Wohnung aus hatte anschauen können. Dann holten wir unsere Räder aus dem Abstellraum beim Hotel und fuhren nochmal hinüber nach Österreich, diesmal südwärts nach Ostermiething und Haigermoos, am Höllerersee entlang nach Sankt Pantaleon und über Kirchberg wieder hinunter zur Salzach, wo wir am Ufer entlang zurück nach Tittmoning kamen. Dort wandten wir uns in der Wasservorstadt gleich wieder flussaufwärts und fuhren über Hainach und Wies auf Abtenham zu, dem Heimatort meines Vaters.

Den Aufenthalt am Bauernhof bei Großeltern, Onkel, Tanten und Cousine hatte ich als Stadtkind stets sehr genossen und jedes Mal wenn ich zu Besuch komme, wird davon erzählt, wie ausgelassen ich damals nach der Ankunft immer ums Haus tobte und die ländliche Freiheit genoss. Hier habe ich viele Wochen meiner Kindheit und frühen Jugend verbracht und vieles erlebt und gelernt. Bairische Sprache und ländliche Tradition, die Arbeit mit und die Ehrfurcht vor der Natur, Aussaat und Ernte, Geburt, Aufzucht und Schlachtung von Tieren, Traktorfahren und allerlei handwerkliche Fertigkeiten.

Wir wurden herzlich empfangen, es gab Kaffee und Kuchen auf der Bank vor dem Haus beim uralten Kastanienbaum, Erzählungen von damals und heute und einen kleinen Rundgang zu Ponys und Eseln. Vieles hat sich geändert im Laufe der Jahre, vieles ist mir noch immer vertraut. Spät nachmittags nahmen wir Abschied und fuhren wieder auf Tittmoning zu.

In meiner Kindheit gab es an der Salzachbrücke bei Tittmoning noch eine echte Staatsgrenze mit Zöllnern und Grenzpolizei und gelegentlichen Kontrollen. Heute, zu Zeiten von EU und Schengen, sind die Gebäude wie überall verwaist oder werden anderweitig genutzt. Auf dem Weg zur Grenze fanden wir in der netten kleinen Buchhandlung von Brigitte Riedel die passenden Landkarten und fuhren dann ganz unbehelligt hinüber nach Österreich.

Bald ging es an der Ostseite des Salzachtals nordwärts recht steil hinauf in Richtung St. Radegund. Wir besichtigten Kirche und Friedhof und wunderten uns etwas über die allgegenwärtige Verehrung, die dem jüngst seliggesprochenen Märtyrer Franz Jägerstätter hier zuteil wird. Er war Landwirt und Mesner am Ort und wurde von den Nazis wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichtet. Das verdient sicher Respekt, aber ob deswegen sein Bild riesengroß die Fassade der Kirche beherrschen und sein Name in massiven Lettern eine Mauer schmücken muß?

Christusfigur in der Wallfahrtskirche St. Radegund

Wir fuhren weiter nach Holzgassen, von dort hinunter zur Salzach, wo wir eine nette Bank zu Rast und Brotzeit fanden und dann weiter auf Burghausen zu, dessen langgezogene Burganlage man von dieser Seite aus besonders gut sieht. Über die Neue Brücke kommend erreichten wir auf dem bekannten "Walk of Fame" in den Grüben die Altstadt und plagten uns dann den Ludwigsberg hinauf zur Burg, von wo aus wir eine Weile auf Stadt und Land schauten. Stadt und Burg kennen wir schon von früheren Besuchen recht gut, so dass wir uns diesmal eine genaue Besichtigung sparten und stattdessen eine alten Onkel in der Neustadt besuchten.

Blick zur Burg

Für die Rückfahrt wählten wir den Salzhandelsweg und machten bald Station an der Wallfahrtskirche Marienberg. Bemerkenswert das Beieinander von üppigem Rokokogold und Tod.

Deckenfresko Marienberg

Putten mit Gebotstafeln

Figur mit Kelch und Hostie

Figur mit Drachen

Skelett des Märtyrers St. Felix

Totenschädel am Aufgang zur Kirche

Weiter dem Salzhandelsweg folgend kamen wir vorbei am Leitgeringer See vom westlichen Salzach-Hochufer her auf Tittmoning zu und nutzten die Gelegenheit zu einem kurzen Besuch an der Wallfahrtskirche Maria Brunn in Ponlach, wo meine Eltern anno 1951 geheiratet haben. Mein Großvater hatte zu der nur eine kleine Gemeinde fassenden Kirche den Spruch: "Wenn alle reingehen, gehen nicht alle rein. Wenn nicht alle reingehen, gehen alle rein." Auf dem Rückweg warfen wir noch einen Blick in den Hof der Tittmoninger Burg und fuhren dann hinunter und durch das Laufener Tor wieder in die Stadt.

Kirche Maria Brunn in Ponlach

Der Tag begann trocken, aber unerwartet kühl. Der Himmel sah nicht unfreundlich aus, aber am Fenster war es frisch und die Menschen auf dem Platz vor dem Hotel trugen warme Kleidung.

Rathausplatz WasserburgNach einer kurzen Runde durch die Stadt erreichten wir den etwas durchfeuchteten Auweg am Inn und schon bald die erste sportliche Herausforderung des Tages, den Aufstieg zur Innbrücke.

Blick von der Innbrücke auf WasserburgAuch am anderen Ufer ging es noch eine Weile bergan, dann wieder mit wunderbaren Aussichten übers Land.

LandschaftGastronomisch war das Angebot allerdings eher karg, in Schnaitsee besorgten wir uns im Supermarkt heissen Kaffee im Pappbecher. Der wärmte unsere klammen Finger und schmeckte gar nicht schlecht.

LandschaftIn Wald an der Alz machten wir unter einigen über dreihundert Jahre alten Linden Brotzeit. Die hatte gewiss auch schon meine Ururgroßmutter gesehen, die 1811 hier zur Welt gekommen war. Unseren kleinen Abstecher in die Landschaft der Ahnen setzen wir in Grasset fort, wo die Familie lange Zeit gelebt hatte und wo der Urgroßvater Schmied gewesen war und dann noch in Halsbach, das auch in den standesamtlichen Auskünften verzeichnet ist, die mein Vater vor langer Zeit einmal eingeholt hat. Weithin bekannt wurde der Ort Anfang dieses Jahres durch den erfolgreichen Kampf der Bürger gegen die Neonazis, die den örtlichen Gasthof kaufen und für ihre Veranstaltungen nutzen wollten.

Blick auf HalsbachDurch einige kräftige, zum Teil auch langgezogene Anstiege begann sich die Tagesetappe zu dehnen und schließlich kürzten wir die geplante Route ab und fuhren auf etwas belebteren Straßen über Asten nach Tittmoning, unserem Stützpunkt für die nächsten Tage.

TittmoningAuch hier hatten wir vorbestellt und fanden uns glücklich, in einem Zimmer mit goldenem Bett und darüber im Sonnenuntergang tanzenden Delfinen wohnen zu dürfen:

Hotel FlorianistubenEin abendlicher Rundgang um den wirklich sehr hübschen und gepflegten Stadtplatz führte uns auch an das Haus, in dem Josef Ratzinger als kleines Kind einmal gewohnt hat, als er noch nicht Papst Benedikt XVI hieß. Die Eigentümer eines anderen Gebäudes am Stadtplatz hat das nicht gehindert, es "Palais Benedikt" zu nennen, pompös herzurichten und auch noch etwas "Kunst am Bau" anzubringen:

Palais BenediktNach einem abendlichen Flötzinger Bier gingen wir müde ins Bett.

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Trackaufzeichnung (GPX)

So ziemlich die ganze Nacht hindurch hatte es kräftig geregnet und wir wollten gar nicht wissen, wie durchweicht die Waldwege sein würden, auf denen wir eigentlich unsere Tour hatten beginnen wollen. So setzte ich mich noch einmal an den Computer und plante um. Mittags hörte freundlicher Weise dann auch der Regen auf und so konnten wir am frühen Nachmittag starten.

Statt, wie zunächst geplant, direkt von Hohenbrunn durch den Wald nach Harthausen zu fahren und von dort weiter über Wolfersberg nach Schattenhofen, machten wir einen weiten Bogen bis an den Rand des Ebersberger Forsts und fuhren auf meist sehr ruhigen aber durchwegs geteerten Straßen über Baldham, Pöring und Eglharting nach Buch so dass wir erst kurz vor Schattenhofen auf den Panoramaweg Isar-Inn trafen, wie sich erwies eigentlich gerade an der Stelle, wo er wirklich beginnt, seinem Namen Ehre zu machen und nicht mehr nur durch den Wald führt, sondern immer wieder auch über weites offenes Land.

LandstraßeAuch wenn es die ganze Fahrt über trocken blieb, zeigte der Himmel doch Wolken in allen Schattierungen und Formationen, aber darunter war es klar und so sahen wir weit über die hügelige Moränenlandschaft und hatten immer wieder wunderbare Ausblicke auf die noch immer schneefleckige Alpenkette.

AlpenpanoramaMeist hielten wir uns auf der beschilderten Route, aber an manchen Stellen war ich auch davon abgewichen und das hatte sich landschaftlich durchaus gelohnt. Wer mag, kann sich die Trackaufzeichnung unten ansehen und versuchen, uns nachzufahren.

PanoramaradwegAngesichts des unsicheren Wetters hatten wir für Wasserburg vorsorglich ein Zimmer im Hotel Paulanerstuben gegenüber dem Rathaus reserviert. Das Haus ziert eine beeindruckende Rokokofassade, unser Zimmer geht zum Marienplatz hinaus, ist geräumig und hat einen kleinen Erker mit netten Seitenfensterchen. Besonders erwähnenswert ist ein eigener Fahrradabstellraum, denn man von der Innseite her ebenerdig erreichen kann. Wir waren nicht die einzigen, die ihre Räder dort parkten.

Hotel Paulanerstuben im KernhausWir machten einen Rundgang durch die malerischen Straßen mit ihren bunten Fassaden, schauten von der hohen Burg aus über die Stadt und gingen dann im einsetzenden Regen wieder hinunter. In der "Perla di Calabria" war das Essen in Ordnung. Anschließend gab es in der "Ratsstube" noch ein Flötzinger Bier vom Fass, am Nebentisch kam es nach langen und für uns leider unüberhörbaren Präliminarien zum Austausch von Mailadressen zwischen Student und Studentin der örtlichen Fachhochschule und zum Ausklang erzählte uns noch der freundliche ungarische Wirt sein Leben. Dann war es für diesen Tag genug und wir gingen zurück ins Hotel.

Wasserburger Häuserfassaden

 

Track Riemerling-WasserburgHöhenprofilTrackaufzeichnung (GPX)