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Die Lage unseres Zimmers direkt am Marktplatz hätte in der Freitagnacht einigen Lärm von Nachtschwärmern erwarten lassen, aber es blieb bemerkenswert still und wir konnten in dem bequemen Bett wunderbar schlafen. Auch die Marktleute bauten ihre Sachen frühmorgens so leise auf, dass wir beim ersten Blick aus dem Fenster ganz erstaunt waren, einige Stände mit Obst und Blumen und einen Wurstbrater direkt vor dem Haus zu entdecken. Der machte mit eigener Leibesfülle Reklame für sein nahrhaftes Angebot und in der Tat fand er auch schon so zeitig am Morgen Kundschaft.

Wir standen auf und gingen zum Hotelfrühstück. Als wir fast fertig waren, erlosch das Licht im Raum, und, wie sich schnell herausstellte, nicht nur im ganzen Hotel, sondern auch in der Nachbarschaft. Sogar die Uhr am Rathausturm blieb stehen, holte aber die verlorene Zeit schnell wieder nach, als der Strom nach einer guten Viertelstunde zurückkehrte.

Wir bezahlten die geschuldeten 95 Euro für die fürstliche Nachtruhe und machten uns auf den Weg. Beim Bäcker gab es Proviant, unsere Wasserflaschen hatten wir schon am Hahn im Hotel gefüllt. Erst ein Stück durch die Stadt, dann fanden wir den Einstieg in die Saaleroute. Wir folgten einer der für den Osten so charakteristischen aufgeständerten Rohrleitungen. Hinter den Rohren eine der ebenso charakteristischen Datschen-Siedlungen. Kleine Parzellen mit Gartenhäuschen und Lauben, Obstbäumen, Gemüse- und Blumenbeeten. Die Wegweiser wichen von der Route auf Karte und Navi ab, führten durch ein Industriegebiet, das von ganz vielen Rohren durchzogen war. "Thermische Verwertungsanlage Schwarza" stand an einem Gebäudekomplex mit zwei dünnen hohen Schloten. Neusprech für Müllverbrennung. Der Weg führte zwischen hohen Zäunen weiter, rechts die Bahn, links eine Papierfabrik. Dann zum Glück doch wieder unter Bäumen durch die Flussaue. So erreichten wir Saalfeld.

Auf dem Marktplatz Trompetenkonzert vom Rathausbalkon, nicht immer ganz tonrein. Die Marktleute packten schon ein. Wir genossen Cappuccino, dann radelten wir zum Bahnhof. Wir erreichten noch einen früheren Zug nach Weida, als geplant, und hatten dort, am modernen Haltepunkt mitten im Niemandsland, reichlich Zeit, treppab, treppauf, den Bahnsteig zu wechseln.

Mit dem Dieselzug in Richtung Regensburg verließen wir Thüringen. Das Wetter auf dieser Reise hätte besser sein können, aber an den meisten Tagen gab es nur kleine Schauer oder etwas Niesel. Richtig unangenehm war es nur vor Weimar, von wo unsere Räder und Taschen einen grauweissen Belag mitgebracht haben. Immer wieder erstaunt hat uns die Freundlichkeit der Menschen. Oft sind Autofahrer ausgewichen oder langsam hinter uns her gefahren, obwohl der Platz für eine enge Vorbeifahrt gereicht hätte. Nie wurde gedrängelt oder gehupt. Auch in den Ortschaften erlebten wir viel unerwartete Rücksichtnahme, etwa dass Leute extra geduldig stehen blieben, um mir beim Fotografieren nicht in den Weg zu laufen. Wir hatten auf dieser Tour niemals unangenehme Erlebnisse - bis auf die Rückfahrt.

Beim Einstieg in Weida war unser Zug wenig besetzt. In Hof allerdings kam eine Invasion von Radfahrerinnen und Radfahrern, die mit großer Rücksichtslosigkeit in den Wagen drangen und alles zustellten. Die gleichen Leute trafen wir dann auch beim Umsteigen in Regensburg, wo sie sich zwischen uns drängten, so dass unsere Räder zum Schluss an entfernten Enden des Zugs zu stehen kamen. Durch einen Lokführerstreik gab es große Verspätungen, einige Züge waren ausgefallen und alle hatten Sorge, noch einen Platz zu ergattern. Ende gut, alles gut, wir erreichten München und kamen etwas später als erwartet, aber heil zu Hause an.

Tour Ilm/Saale Juni 2011

 

Wirtshausfrühstück im Thüringer Hof, wo wir sehr komfortabel übernachtet hatten. Dann zum Supermarkt, um Proviant und Wasser zu kaufen. Schließlich zurück auf den Saale-Radweg. Heute wieder mit anständiger Orientierung. Die Beschilderung ist nicht ganz so konsequent wie an der Ilm, manchmal auch irreführend, aber wir haben die neue leporellogefaltete Karte (die sich einmal beim Umblättern während der Fahrt im Wind entfaltete und munter davonflog). Außerdem hatte ich mir mehr Zeit mit der Vorbereitung des Navi genommen: Umwandeln der Wegbeschreibung aus dem Radreise-Wiki vom kml-Format ins Garmin-Format bei gleichzeitiger Aufteilung der Route in passende Teilstücke. Auf dem Netbook eigentlich kein Problem mit WinGDB3, aber doch nicht ganz ohne Tücken. Dann noch Umkehren der einzelnen Abschnitte, denn wir fahren ja in Gegenrichtung...

Nach der langen gestrigen Stecke waren wir etwas lahm und steigungsmüde. Außerdem wehte kräftiger Gegenwind, der immer wieder dunkle Regenwolken vorbeitrieb, die uns kurze Schauer bescherten. In Rudolstadt nahmen wir Zuflucht unter dem großen Schirm des Eiscafe Aquila im Hotel Adler und fanden den Ort so hübsch, dass wir nach kurzem Studium von Landkarte und Zugfahrplänen beschlossen, die letzte Nacht dieser Reise hier zu verbringen. Und da wir schon einmal vor dem Hotel Adler saßen, leisteten wir uns den kleinen Luxus, es dem alten Goethe gleichzutun und in diesem Haus abzusteigen. Das prachtvolle Zimmer hat zwei große Fenster zum Rathausplatz.

Nachdem wir unsere Habseligkeiten in Schrank und Fensternischen untergebracht hatten, wanderten wir durch die schmalen Gassen hinauf zum Schloss Heidecksburg. Rudolstadt ist wirklich sehr hübsch. Der Sozialismus hat nur wenige Bausünden hinterlassen. Ein Teil der Gebäude ist noch im heruntergekommenen Altzustand, aber viele sind liebevoll und stilgerecht renoviert. Vom hohen Schloss schöne Blicke auf Stadt und Landschaft. Auch Schlosshof und -garten sehr nett anzuschauen. Wir blieben eine Weile, verzichteten aber auf den Besuch des Museums und der Fürstengemächer. Wie schon mehrfach an diesem Tag kündigte sich mit Windböen und finsteren Wolken ein heftiger Regenguss an, aber wieder fielen nur wenige Tropfen.

Durch einen Laubengang stiegen wir ab in die Stadt und wanderten durch die bunte Häuservielfalt der Schillerstraße bis zum Cafe im Schillerhaus, wo wir zu Kaffee und Kuchen einkehrten. Dann querten wir Bahn und Fluss, schlenderten auf der anderen Seite durch den Park und zur Abendessenszeit wieder in die Stadt zurück.

Zum Abendessen kehrten wir im Verrückten Kartoffelhaus am Markt ein. Das Lokal ist mit originellem Trödel ebenso überladen wie die Speisekarte an originellen Gerichten mit und ohne Kartoffeln. Deftig, gut und absolut reichlich. Nur ein paar Schritte über den Marktplatz und wir waren zurück im Hotel.

 

Gut geschlafen, beim Erwachen die Sonne durch den Rolladen blinzeln sehen, geräkelt, gewaschen, gepackt, von der an allem herzlich Anteil nehmenden Frau Nowak verabschiedet, die Räder bepackt, hinüber zum Nahkauf um Frühstück und Proviant und ab in den Park. Déjeuner mit Blick auf Goethes Gartenhaus.

Dann wieder auf die Route. Bedrückend unterhalb einer hohen Bahnbrücke Totenmale für jugendliche Selbstmörder. Ein Eisenkreuz, aufgehäufte Schottersteine, Fotos, Gedichte, kleine Kuscheltiere, ein großes Graffittibild in lebensfrohen Farben. RIP. Weiter durch Wald am Flüsschen entlang. Von Tiefurt bis Kromsdorf hieß die Route "Maria-Pawlowa-Promenadenweg", dann "Franz-Liszt-Promenadenweg" - jedem Ort seine Berühmtheit. Zwischen Oßmannstedt und Oberroßla eine Kirschbaumallee mit wohlschmeckenden reifen Früchten. Am Eingang von Niederroßla machte sich Luftmangel in meinem Hinterreifen bemerkbar. Aufpumpen half nur kurz, also Schlauchwechsel am baumbestandenen Dorfplatz. Problemloser Aus- und Einbau des Hinterrades. Das haben Utopia und Rohloff elegant gelöst. Gleich noch Brotzeit. In der Ferne dunkle Wolken.

Auch hier, wie schon am Morgen, immer wieder Sturmschäden an Bäumen. An einem verwahrlosten Kirschgarten ein riesiger uralter Ast mit wundervollen Früchten. Früher sei hier geerntet worden, heute kümmere sich niemand mehr um die Kirschen, erzählte eine Frau, die mit dem Auto aus Eberstedt herüber gekommen waren, um Kirschen für einen Kuchen zu pflücken. Wir aßen reichlich, aber maßvoll. Das Wetter blieb uns hold.

An der begehbaren Sonnenuhr von Eberstedt machten wir die Bekanntschaft von Leuten, deren Tochter in Ottobrunn am Haidgraben wohnt. "Klein ist die Welt." Zwei große Schalen Milchkaffee "Zum Wassermann" in Bad Sulza. Leider kein Fahrradgeschäft, wo ich mir eine anständige Luftpumpe hätte borgen können, denn mein Hinterreifen war noch etwas schlapp.

Ein paar Kilometer weiter, wo die Ilm in die Saale mündet, endete dann der Ilm-Radweg und wir fuhren saaleaufwärts. Sattgrüne Laubwälder an den Hängen des Tals. Zuerst ging es eine ganze Weile an der Saaletal-Bahn entlang. Dann etwas weiter entfernt in den Auen. Irgendwann beschlossen wir, dass es nun nicht mehr lohne, vor Jena Station zu machen.

Aber Jena wollte uns nicht. Alle in Frage kommenden Hotels, einschließlich Ibis, belegt. Die Gegenden der Stadt, durch die wir auf der Suche kamen, ließen uns insgesamt zweifeln, ob es sich lohnen würde, zu bleiben. Um halb Acht beschlossen wir, im Einkaufszentrum Neue Mitte unter dem riesigen Glasturm eine Radtourenkarte des Saaleradweges und eine große Flasche Wasser zu kaufen und die Stadt flussaufwärts zu verlassen.

Es sollte allerdings noch bis halb Zehn dauern, bis wir den Thüringer Hof in Kahla erreichten. Bei leichtem Niesel und zwei wunderbaren Regenbogen hatten wir uns schon alle Arten der Nächtigung im Freien ausgemalt. Zum Schluss wurde es noch einmal spannend, denn der Gasthof hatte Ruhetag und alles war dunkel. Schließlich wurden wir aber doch noch eingelassen und bekamen für 49 Euro ein frisch renoviertes Zimmer mit allem Komfort. Auf Empfehlung der Wirtin suchten wir dann noch ein griechisches Lokal im ehemaligen Ratskeller und bekamen gut und reichlich zu essen. Fast wären es an diesem Tag 100 km geworden.

Tagesbeginn mit Regen, der zum Glück bereits nachgelassen hatte, bis wir aus dem Haus kamen. Erster Weg zum Nahkauf, Roggensemmeln, Hefehörnchen und Bananen zum Frühstück, verzehrt im Gehen Richtung Goethes Gartenhaus.

Der Besuch dort gab einmal mehr Anlass zu Gedanken darüber, dass unser vielgelobtes National-Genie einfach auch die gesellschaftliche Stellung und die finanziellen Mittel besaß, das umzusetzen, was ihm sein unternehmender und in so vielen Bereichen dilettierender Geist eingab. Man muß sich den Dichterfürsten ja nicht mit Harke und Spaten in dem von ihm "angelegten" Garten vorstellen, oder auf Knien jätend zwischen Erdbeeren und Spargel. Während ich mich bei einer Tasse Milchkaffee im "Residenz-Cafe" solchen Gedanken hingab, las Friederike im Baedeker die Beschreibung von Goethes späterem Stadthaus am Frauenplan und vermisste folgerichtig die Erwähnung von Küche und Kinderzimmer.

Weiter zur Kirche Peter und Paul, wo gerade eine Mittagsandacht gehalten wurde. Die Pfarrerin meditierte über Stille und lud abschliessend zu solcher ein, bis sie das Zeichen zum gemeinsamen Singen einer Liedstrophe geben würde. Der Organist hatte anderes im Sinn und präludierte die Stille nieder, ehe er gleich zwei Strophen des angekündigten Liedes ertönen ließ. Wozu war er schließlich gekommen?

Auffallend, wie schon an den vorherigen Stationen unserer Reise, ist das Fehlen von innerörtlichen Lebensmittelgeschäften, wo wir etwas zu Essen kaufen könnten. So verschlug es uns in eine moderne Shopping-Mall, wo wir uns mit Aldi-Wasser und Brötchen versehen konnten. Am nahen alten Jakobskirchhof machten wir Rast und beobachteten eine Schülergruppe, die wie wir das Grab von Christiane Vulpius und das Schiller-Mausoleum besichtigte.

Eine Alarmglocke im nahen Plattenbau, der heute ein Studentenheim beherbergt, rief jede Menge Feuerwehr herbei, aber es war wohl nichts Großes passiert. Vom Turm der Jakobskirche aus konnten wir besonders gut sehen, wie der riesige Klotz von 1969 das Stadtbild verschandelt. Einer Informationstafel zufolge hatte man zeitweise die Absicht gehabt, das ganze Stadtviertel platt(e) zu machen. Wir guckten erst aus den Fenstern der Türmerwohnung, dann, nach Bezwingung einer Hühnerleiter, auch noch aus den kleinen Turmfenstern und sahen Dächer, Landschaft, Türme und noch einige weitere Bausünden des 20. Jahrhunderts. Unten in der Kirche übte klangvoll ein langhaariger Organist.

Postkartenschreiben im blumenreichen Garten des Kirms-Krackow-Hauses. Auf dem Markt eine Thüringer Rostbratwurst in der Semmel. Dann auf Umwegen zum Bauhaus-Museum. Während wir uns den Einführungsfilm ansahen, begann draussen ein heftiger Gewittersturm. So hatten wir reichlich Zeit, uns den Saal mit Kunst, Architekturentwürfen und Alltagsgegenständen in Ruhe anzusehen. Es goss anhaltend.

Als die Sonne wieder hervor kam, zerrten die Punks vom Theaterplatz einen riesigen Ast über den Plan und stellten ihn am Goethe-Schiller-Monument auf. Feuerwehr war unterwegs, um überall die Unwetterschäden zu beseitigen. Wir wanderten zum Historischen Friedhof, dessen große alte Bäume verschont geblieben waren, umrundeten das Fürstengrab, in dem auch Goethe bestattet ist, fanden auch die restliche Familie Goethe und die Frau von Stein, liefen dann zurück in die Stadt und bekamen in einer Trattoria in Eckermanns Haus gut zu Essen und Ruhe für die müden Beine. Dann in kräftig kühler Abendbrise durch den Park, an Goethes Gartenhaus und der Bauhaus-Villa am Horn zurück zu Frau Nowak, wo wir unsere Betten gemacht und die Handtücher gewechselt fanden.

Die Wirtin hatte zwar verkündet, wenn es in dieser Gegend morgens regne, gäbe es am Mittag trockenes Wetter, aber sollte diese Regel je gegolten haben, so war an diesem Tag Ausnahme. Es ist nicht wirklich schlimm, im leichten Regen zu fahren, wenn es nicht obendrein kalt ist. Aber schönes Wetter ist halt doch angenehmer. Und aufgeweichte Wege aus zementgebundenem Sand hinterlassen auf Rädern, Gepäcktaschen und Kleidung einen unschönen grauen Überzug.

Die Strecke war eigentlich recht schön. Im nun wieder engeren Tal ging es vorbei an München nach Bad Berka und über Buchfart und Oettern nach Mellingen. Einmal überstanden wir einen kräftigen Regenguss im Schutze großer Blauer Terrassenschirme bei heissem Milchkaffee.

Wir erreichten Weimar in leichtem Regen, waren etwas unschlüssig hinsichtlich der Unterkunft und suchten Hilfe beim Touristenbüro, wo wir die Adresse eines Privatzimmers bekamen. Leider hatte das Fräulein vom Amt etwas andere Vorstellungen von Innenstadtnähe, als wir, denn Frau Nowak wohnt auf der Anhöhe jenseits des Parks. Sonst ist alles sehr nett und in Ordnung.

Wir nahmen die schlammbespritzten Gepäcktaschen von den schlammbespritzten Rädern, für die sich ein überdachter Platz im Garten fand, zogen uns um, ruhten etwas aus und wanderten wieder hinunter in die Stadt.

Wir spazierten durch die Gassen, guckten hier, guckten da, fanden Weimar recht hübsch und großenteils auch recht hübsch hergerichtet, staunten über große Pferdekutschen mit mobiltelefonierenden Kutschern, schrieben ein paar Postkarten, fotografierten hier und dort und taten, was man als Tourist so tut, bis wir in Nähe des Schlosses das ACC fanden, ein alternatives Kunstzentrum mit nettem Restaurant und gutem Abendessen.

Überall in der Stadt hatten wir schon Bühnen gesehen, auf denen dann am Abend alle Arten von Musik aufgeführt wurden. Das Wetter war trocken und lau, so dass wir noch lange durch die Straßen wanderten und immer wieder stehen blieben und zuhörten. Am Ende wurde uns der Weg durch finstere Straßen und den Park zurück zu unserem Zimmer ziemlich lang.

In der Stille der Waldeinsamkeit hatten wir wunderbar geschlafen und der Morgen zeigte sich sonnig. Nach einem kurzen Stück Landstraße schwenkten wir bei der Ortschaft Allzunah auf ein schmales Sträßchen ein, das durch Wald und Wiesen dem Lauf der Lengwitz folgt, bis sie sich mit dem Freibach zur Ilm vereint. In Allzunah beginnt der Ilmtal-Radweg, dem wir in den kommenden Tagen folgen wollen. Immer dem Flusstal nach erreichten wir bald die "Goethe-und Universitätsstadt" Ilmenau und fuhren durch die Goetheallee ins Zentrum.

Wir saßen vor dem Cafe Victoria in der Sonne, schrieben vor dem Amtshaus, wo Goethe gerne Quartier genommen hatte und wo er heute in Bronze gegossen auf einer Bank sitzt, ein paar Postkarten  und erschraken dabei immer wieder etwas vor dem kühlen dunklen Herrn neben uns.

Ich kaufte einen Radwanderführer mit Beschreibungen der am Weg liegenden Orte und wir sahen uns noch ein Wenig in dem recht netten Städtchen um. Was immer wieder stört, ist die landesweite Gleichförmigkeit der Fußgängerzonen: Esprit, Vodafone, Fielmann, Sparkasse, KiK, die bekannten Drogerieketten und viele der bekannten Embleme mehr. Wohin man kommt, sie sind schon da. Auch hier im Osten, wo sie sich wohl bald nach der Wende ihre Claims gesichert haben.

Hinter Ilmenau fing es dann leider wieder zu regnen an. Bei Langewiesen machten wir an einem überdachten Picknicktisch Rast und bestaunten den Neubau einer riesigen Eisenbahnbrücke, die in 50 m Höhe das Tal überspannt und die zur ICE-Neubaustrecke Ebensfeld - Erfurt gehört.

Das Tal wurde weiter. Bei Cottendorf sahen wir einige Salinen-Bohrtürme aus vergangener Zeit, in Stadtilm gönnten wir uns einen nachmittäglichen Milchkaffee in einer gut besuchten italienischen Eisdiele, wo drei üppige Mädels bedienten, dann ging es weiter, immer auf ruhigen Wegen in Flussnähe, dreifach sicher geführt nunmehr von Navi, meist gut angebrachten Wegweisern und den Karten des neuen Reiseführers und so gelangten wir schließlich nach Kranichfeld, wo wir im Hotel Meininger Hof ein schönes ruhiges Zimmer fanden.

Vielleicht hätten wir da auch gut gegessen, aber montags hat die Küche Ruhetag und so gerieten wir in den "Goldenen Löwen", wo ein missmutige Kellner zwar anständig gebratene Hühnerbrust servierte, der zum wenig schmackhaften frittierten Fisch gereichte Kartoffelsalat hingegen zumindest an diesem Tag einen absoluten kulinarischen Tiefpunkt bildete. Irgendwie passte das zu der trost- und gesichtslosen Hauptstraße des Ortes. Etwas abseits fanden wir dann noch einige liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser und von der Niederburg aus einen schönen abendlichen Blick über das Tal. Der Regen hatte aufgehört.

Die Anreise per Bahn nach Oberhof war etwas langwierig. Fahrradbeförderung gibt es meist nur in Regionalzügen und so zuckelten wir zuerst  nach Nürnberg, dann nach Schweinfurt und von dort schließlich kurvenreich im Dieselzug bis ins thüringische Oberhof am Rennsteig. Sechs Stunden dauerte die Fahrt und am schmucken kleinen Bahnhof von Oberhof empfingen uns Sonne und Regen im Wechsel.

Bahnhof Oberhof (Thür.)

Bahnhof Oberhof (Thür.)Die Station liegt in einem Taleinschnitt und gleich dahinter verschwinden die Gleise im Tunnel. Wir mussten mit unseren Rädern sofort zügig bergan und kletterten auf den ersten neun Kilometern dieser Reise von 630 m auf 942 m. So gerieten wir von innen ins Schwitzen, während uns von außen immer wieder teils kräftiger Regen begoss. Später dann ein paar flotte Abfahrten, wo uns im Fahrtwind recht frisch wurde und am Ende war es gut, dass wir uns für diesen ersten Reisetag nur eine kurze Etappe von kaum mehr als 20 km vorgenommen hatten.

Das sicherheitshalber bereits von zu Hause aus gebuchte Waldhotel Rennsteighöhe, abgelegen, wie der Name verheisst, bot ein schlicht möbliertes aber ordentliches und sauberes Zimmer mit Bad, eine richtige Garage für die Räder und ein sehr annehmbares Abendessen. Das recht große Restaurant war an diesem Abend nur spärlich besucht. Auch sonst fehlte jedes Nachtleben, so dass wir uns bereits recht bald der Bettruhe hingaben.