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Wir hatten eine erholsame Nacht im Etap-Hotel. Irgendjemand hatte die Verriegelung des Fensters geöffnet und vergessen, es wieder zu schließen, so dass es bei unserer Ankunft leicht offen stand. So konnten wir sogar bei Frischluft schlafen, ohne Zwangsklimatsierung. Wie gesagt, sind die Etap-Hotels vom Konzept her ganz in Ordnung. Aber immer wenn ich auf einer Reise viele Hotelzimmer gesehen habe, möchte ich am liebsten selbst ein Gästehaus aufmachen, um all die kleinen und großen Fehler zu vermeiden, die mir begegnet sind. So war zum Beispiel der Kloschrank in unserem Zimmer genau so groß, wie unbedingt nötig, aber es war kein Halter für die Reserve-Papierrolle vorhanden, also lag die am Boden. Bei so viel Perfektion ein seltsamer Mangel. Anstelle eines Griffes hatte die Glastür der Duschkabine ein Griffloch, durch das Wasser von der Brause direkt auf den Boden spritzte.

Dafür waren Brause und Armatur wirklich in Ordnung. Keine zehnfach verstellbare Massagebrause, die nur ein paar Wochen lang schick ist und für den Rest ihres Daseins ein schreckliches Ärgernis für jeden Gast. Sei es, dass nur mehr ein Rinnsal herauskommt, sei es, dass das Wasser nach allen Seiten davonspritzt, sei es, dass ein scharfer Strahl unerwartete Empfindungen an Stellen hervorruft, die man eigentlich nur waschen wollte. Ein besonderes Monster von Dusche gab es bei unseren beiden Besuchen in Aurillac. Dort standen Fertigduschen mit einer großen fest eingebauten Brause über dem Kopf, die am liebsten dann losging, wenn man die Haare trocken behalten wollte. Dann gab es sechs oder acht schwenkbare seitliche Düsen unterschiedlichen Verstopfungsgrades, die beim Versuch, sie zu schwenken, zum Herunterfallen neigten, und schließlich noch die obligatorische Handbrause mit fünf Massagefunktionen. Siehe oben. Wie einfach könnte das Leben sein.

Wie wäre es mit der Möglichkeit, das Handtuch in Greifnähe der Dusche aufzuhängen? Wie generell mit Gelegenheiten, Handtücher aufzuhängen, so dass man sie auch noch am nächsten Morgen auseinanderhalten kann? Überhaupt gibt es selten ausreichend Haken und Bügel, seine Sachen aufzuhängen. Die vom Schwitzen feuchten Sachen bei der Ankunft, die unterwegs verpackt gewesenen Sachen zum Aushängen, ehe man sie anzieht, die schnell mal herausgewaschenen Sachen zum Trocknen, die Hose und das Hemd während man schläft.

Steckdosen sind meist auch Mangelware. Entweder fernsehen oder das Mobiltelefon laden. Im Etap-Hotel Genf hätte ich einen Adapter gebraucht, um mein Netbook aufzuladen, weil der in Deutschland und Frankreich passende Schuko-Netzstecker hier in der Schweiz nicht zu gebrauchen war. Dies alles hier festzuhalten hatte ich die Muße, während Friederike nach unserem Frühstück in einer einfachen Bar beim Migros Proviant und Mitbringsel einkaufte.

Blumenuhr mit Touristenbähnle

Dann rollten wir weiter durch die Stadt, stellten fest, dass die berühmte Blumenuhr höchstens wegen der vor ihr posierenden Touristen interessant ist, dass Genf das Geld hat, riesige alte Bäume mit der Handbrause begießen zu lassen, dass wir inzwischen so gut trainiert sind, dass wir den steilen Weg hinauf zur Kirche St. Pierre samt Gepäck radeln können, ohne abzusetzen, dass es in der Kirche dann allerdings außer Kanzel und Chorgestühl kaum etwas zu sehen gibt, dass es aber beim Heim für Töchter in einer Ecke des Platzes eine lauschige Bank zum aufeinander Warten gibt, dass man von dem Berg nur schwer wieder ohne Treppen herabfindet, dass das Solar-Touristenbähnle am Quai Gustave Ador kurz hält, damit seine Bleiakkus mittels Hubwagen ausgewechselt werden können und dass das durchorganisiert ist, wie ein Reifenwechsel bei der Formel 1, dass sich ein Teil der genfer Businesspeople mittags gerne mit einer Schachtel Takeaway-Food auf Steinstufen am Fluss setzt, während die vermutlich besser verdienenden ein paar Schritte weiter teuer speisen. Wir setzten uns auf eine Steinstufe am Quai, schauten dem bunten Treiben zu und aßen Brot und Käse vom Migros. Der Montblanc lag im Dunst verborgen.

Mittagspause am Quai

Am Bahnhof herrschte die übliche Verwirrung, wo das Fahrradabteil des Zuges sein würde. Ich fragte einen Eisenbahner, aber der gab eine falsche Auskunft, so dass wir nach Einfahrt des Zuges den üblichen Spurt hinlegen mussten. Hastiges Einsteigen also, aber als Mitfahrer hatten wir einen Richter aus Toulouse, der sehr gut deutsch sprach, viel mit dem Fahrrad herumgekommen war und allerhand zu erzählen hatte. So wurde uns bis Zürich nicht langweilig. Dann umsteigen in den Zug nach München, wo wir für Menschen und Räder reservierte Plätze hatten. Auch das klappte alles recht problemlos. Ab Lindau schlich der Zug wegen Bauarbeiten auf irgendeiner Umleitungsstrecke dahin. Es gab Strom für mein Netbook, also schauten wir uns meine Fotos an, ich hörte Musik, Friederike las in ihrer französischen Krimisammlung. Uns war so langweilig, wie das klingt. Zudem stand uns noch die Radltour vom Hauptbahnhof nach Hause bevor, denn auf der S-Bahn-Stammstrecke in München wird an allen Sommerwochenenden gebaut.

Sonnenuntergang am Bodensee

Um nicht vor Hunger und Durst vom Rad zu fallen, gönnten wir uns kurz vor Schließung der Imbissstände am Hauptbahnhof noch einen Snack und je eine Flasche Augustiner, lernten dabei einen lustigen Bahnhofsfan kennen und fuhren dann, ganz ohne Navi, auf meiner „Nachtroute“ über Ramersdorf und Perlach nach Hause. Dort war alles noch an seinem Platz.

Gesamt-Track

 726 Fahrradkilometer

Kurze Nacht. Kein Frühstück. Frösteln in der Morgenkühle. Auf dem Weg zum Bahnhof holte Friederike in einer Boulangerie Croissants und Pains au Chocolat. Der Zug stand schon da, es war reichlich Platz für unsere Räder. Außerhalb der Ferienzeit wäre wohl in einem Frühzug um 7:55 Uhr bedeutend mehr los.

Räder im Zug ab AurillacAuf der Fahrt durchs Cantal suchten wir wieder bekannte Orte. Thiezac hat offenbar keinen Bahnhof mehr. Vor vielen Jahren waren wir hier mit einem scheppernden Zug zu unserem ersten Wanderurlaub in Frankreich angereist und hatten immer auch die Bahn zur Hin- oder Rückfahrt bei unseren Wanderungen über die Ränder des alten Vulkankraters benutzt. Um diese frühe Morgenzeit lag Tau auf den Wiesen und Nebel in einigen Teilen des Tals.

Blick aus dem Zugfenster im CantalIn Clermont-Ferrand gibt es leider weder Rampen noch Aufzüge, so dass wir Taschen und Räder separat schleppen mussten. Allerdings sind wir inzwischen ein gut eingespieltes Team und schaffen das Rauf und Runter in Rekordzeit, ohne dabei die Kontrolle über die Lenkertaschen mit den Wertsachen, die Räder und das übrige Gepäck zu verlieren. Die Übergangszeit erlaubte es uns, gegenüber dem Bahnhof in Ruhe einen Milchkaffee zu trinken, Wasser und Kekse zu kaufen und eine ganz kurze Runde in der Stadt zu drehen, bevor wir uns im Zug nach Lyon einrichteten. Da gab es wieder Hängevorrichtungen für die Räder, so dass wir alles Gepäck separat verstauen mussten. Außerdem sind die Aufhängungen für niedrigere Fahrräder konstruiert, so dass die Leute immer an den Lenkern und vor allem an unseren Rückspiegeln hängen bleiben. Würden die Konstrukteure solcher Waggons selbst mit dem Fahrrad reisen, gäbe es bestimmt Stellplätze, an denen man beladene Fahrräder sicher abstellen könnte. Schon für ganz normale Koffer ist in vielen modernen Zügen nicht ausreichend Platz. Die Konstrukteure fahren vermutlich im Alltag mit dem Auto und verreisen mit dem Flugzeug. Dort wird an das Gepäck gedacht.

Am Bahnhof in Clermont Ferrand hatten wir erfragt, dass es eine Zugverbindung nach Genf gäbe, die uns drei Stunden Wartezeit ersparen würde. Einziges Handicap: nur achtzehn Minuten Übergangszeit in Lyon. Aber mit den Rampen am dortigen Bahnhof wäre das zu schaffen. Wir räumten also beizeiten unsere Taschen in die Nähe des Ausgangs, nahmen Aufstellung und versuchten, zu raten, auf welche Seite der Bahnsteig sein würde. Gepäck raus auf den Perron, Fahrräder von den Haken, ohne irgendetwas aus den Augen zu verlieren, Fahrräder beladen und zwischen Bahnsteigkante und gedrängten Reisenden fast die ganze Bahnsteiglänge bis zu den Rampen und hinab. An Gleis B keine Rampe, nur ein Aufzug, vor dem viele Leute warteten. Dahinter eine Rolltreppe. Rolltreppe fahren mit beladenen Rädern hatten wir schon. Mit guten Bremsen kein Problem. Oben das bekannte Ratespiel, wo die Fahrradabteile sein würden. Als der Zug kam, stellte sich heraus, dass wir es mit unserem Standort nicht schlecht getroffen hatten. Wir waren die ersten Radler im Zug. Hinter uns kam noch eine Familie aus Luzern, mit zwei Kindern, zwei Rädern, Kinderrad, Kinderanhänger und mords Gepäck. Aber ebenfalls gut organisiert. Alle erstmal rein, dann Plätze reservieren, Gepäck abladen im Getümmel der übrigen Fahrgäste, Gepäck verstauen, hinsetzten, durchatmen, geschafft! Wir hatten einmal Umsteigen in Bellegarde gespart und würden dreieinhalb Stunden eher in Genf sein.

Genfer SeeDie Fahrt ging dann auch ganz problemlos. An den Haken baumelten ein Kinderrad und vier teure Fahrräder mit Rohloff-Schaltung.  Die Schweizer hatten sogar Zahnriemen-Antrieb statt Kette (bis sie einmal im Winter damit fahren und gefrorener Matsch in den Riemenscheiben festfriert, wie damals bei Pias stolzem Patria-Kinderrad). Wir fuhren durch schöne Landschaft, aßen restliches Baguette und Kekse und freuten uns auf einen netten Abend in Genf. Das Etap-Hotel war leicht gefunden, der Weg bergauf dorthin angesichts des Trainingszustandes, den wir in den letzten Tagen erreicht hatten, auch kein echtes Problem. Wir sicherten unsere Räder vor dem Haus mit der schweren amsterdamer Kette, machten uns frisch und radelten dann in die Innenstadt und dort ein Wenig umher, durch ein paar Straßen mit teuren Lokalen, dann an den See. Wir wechselten fünfzig Schweizer Franken ein, stellten fest, dass die Preise noch höher sind, als in München und landeten nach einigem Suchen zum Abendessen in einer sehr reellen Pizzeria in einem innenstadtnahen Wohnviertel.

Dann radelten wir in der Abenddämmerung die Quais entlang, saßen eine Weile auf einer noch sonnenwarmen Steinmauer in der lauen Abendluft, sahen den Leuten zu, schauten aufs Wasser hinaus und auf die Lichter der Stadt und fuhren am Ende wieder den langen Berg hinauf zum Hotel.

Genfer See bei Nacht

Die Nacht in unserem schönen grossen Zimmer zum Hauptplatz von Marcolés war etwas unruhig. Die Wimpelleinen vor dem Haus flatterten hörbar im kräftigen Wind und fast die ganze Nacht über kamen gelegentlich lärmende und offenbar auch betrunkene Festgäste vorbei. Diese Sommerfeste in der Haupt-Urlaubszeit, wie wir sie jetzt hier in Frankreich erleben und auch aus Italien kennen, haben wohl etwas damit zu tun, dass viele Einheimische entweder im eigenen Land oder gar nicht verreisen. Bei uns sind Feste eher vor den Sommerferien, weil danach sehr viele weg sind. So waren am Morgen auch alle im Haus mit emsigen Festvorbereitungen beschäftigt. Straßensperren wurden aufgestellt, Getränke gekühlt, Tische und Bänke hergerichtet. Am Vorabend hatten wir in der Kirche sehen können, dass auch die Jungfrau Maria zu ihrem Geburtstag, dem 15. August, besonders hergerichtet wurde.

Baum in FeldernTrotz des Feiertags hatte der kleine Supermarkt vormittags geöffnet, so dass wir uns wieder versorgen konnten, ehe wir losfuhren. Wir waren lange Zeit fast allein auf den kleinen Straßen, die uns auf und ab durch kühle Flusstäler und über weite Höhen führten. Auf den Weiden standen Kühe, in der Luft kreisten immer wieder Greifvögel. Bald tauchte vor uns in der Ferne wieder die Berglandschaft des Cantal auf. Der recht starke Wind, der schon nachts ums Haus gepfiffen hatte, dauerte an, kam aber zum Glück fast nie von vorne. Er kühlte angenehm, denn eigentlich war es recht heiss. Als wir nach einer Brotzeitpause am Bouleplatz von X wieder aufbrachen und auf der breiten sonnenbeschienenen Ortsstraße aufstiegen, zeichneten sich meine Reifenspuren im aufgeweichten Asphalt ab.

FeldwegAuf einer Weide beobachteten wir Kühe, die sich gegen die lästigen Insekten gerne die Hilfe von Vögeln gefallen ließen, die sich ihnen sogar auf die Schnauze setzten und dort herumpickten.

KüheNachdem unsere Tagesroute nicht lang war, konnten wir uns bei den Aufstiegen Zeit lassen, hatten allerdings im Internet auch die Gewitterwarnungen für den Nachmittag gesehen und wollten gerne bei gutem Wetter nach Aurillac kommen. Als wir den Ort aus einigen Kilometern Entfernung unten vor uns liegen sahen, begannen sich hinter uns bereits dunkle Wolken zusammenzuziehen. Wir erreichten aber problemlos die Stadt und fanden auch gleich unser Hotel, Le Renaissance, wo man bei heftiger gewordenem Wind bereits begann, die Außentische abzuräumen. Als wir uns aber frisch gemacht hatten und wieder auf die Straße kamen, hatte der Wind nachgelassen und das angekündigte Unwetter war zumindest vorerst ausgeblieben. Während wir beim Nachmittagskaffee saßen, drang sogar wieder die Sonne durch die Wolken.

Blumenampeln in AurillacWir wanderten einige Zeit durch die Gassen der Stadt. Aurillac ist nicht wirklich das, was man einen malerischen oder hübschen Ort nennen würde. Es gibt viele heruntergekommene Gebäude, einige horrende moderne Bausünden und viel gestalterische Lieblosigkeit, auch wenn in manchen Straßen große gut gepflegte Blumenampeln hängen. Natürlich sieht eine Stadt anders aus, wenn auch noch feiertagshalber die Geschäfte zu sind. Aber unser Gesamteindruck war nicht enthusiastisch.

Am frühen Abend setzten wir uns vor das moderne Café, wo wir schon ein paar Stunden zuvor gewesen waren, tranken Bier vom Fass und schauten allerlei illustrem Volk zu, das in dem Lokal verkehrte. Im Hintergrund standen wieder finstere Wolken, aber es blieb warm und trocken.

Im Hotel ist der W-Lan-Zugang kaputt und wegen des Feiertags gibt es niemanden, der ihn reparieren kann. Ein überraschendes Phänomen auf dieser Reise war, dass es in fast allen Unterkünften einen kostenlosen Internet-Zugang per W-Lan gab. Mehr noch: auch auf dem Land konnte ich ohne Probleme meine Blog-Photos hochladen und hatte den Eindruck, dass die Internet-Anbindung immer im Bereich mittlerer DSL-Geschwindigkeit, also bei mindestens 5 MBit lag. Davon können vergleichbare Gegenden in Bayern nur träumen.

Als wir zum Abendessen in unser Hotel hinübergingen, begann es zu regnen. Das Abendessen war gut und ein durchaus passender  Abschluss für den kulinarischen Aspekt dieser Reise. Die Darbietung war eher sachlich. Den Näpfchen, in denen die einwandfreien Pommes Frites angeboten wurden, fehlten drei Fünftel von vier Henkeln.

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Spätnachts, als ich mein Netbook gerade wegpacken, den W-Lan-Bereich in der Lobby verlassen und ohne Bestätigung für unsere nächste Hotelbuchung ins Bett gehen wollte, war die Absage gekommen. Also wurde es nichts aus dem Wagnis, auf über 900 m zu klettern. Wir planten beim Frühstück um und wählten ein weniger ehrgeiziges, wenn auch nicht ganz anspruchsloses Ziel im Süden. Das dortige Hotel wies zwar auf seiner Internet-Seite auch kein freies Zimmer mehr aus, aber telefonisch konnten wir dann doch noch etwas bekommen.

AusblickNach einer kurzen Runde zur Dorfkirche und dem Einkauf von Wasser und Obst bei zwei alten Leutchen im einzigen Laden des Ortes machten wir uns also wieder auf den Weg. Beim ersten Aufstieg bot sich und erneut ein wunderbarer Ausblick auf die Vulkanberge des Cantal, dann auch auf das westlich gelegene Hügelland. Auf den Weiden immer wieder die hier typischen rotbraunen Salers-Kühe mit den langen geschwungenen Hörnern.

Nach einer Weile ging es in kühler Serpentinenabfahrt hinunter an einen Fluss, wo gerade ein Kleinkraftwerk gebaut wurde, dann wieder recht zügig aufwärts. An diesem Tag war alles nur Landschaft. Wenige und nur sehr kleine Ortschaften, kaum Verkehr, bis auf ein kurzes Stück Straße, das auf der Landkarte rot markiert war und auf dem sich entsprechen mehr Verkehr abspielte. Wir kamen aus einer sehr kleinen Straße dort hin, die an einigen einzelnen Bauernhöfen vorbei geführt hatte. Beim letzten Haus hatten uns zwei große Hunde verbellt und dabei die Gartenmauer übersprungen. Danach waren sie uns weiter gefolgt, und rannten mit uns, auch als wir auf die Hauptstraße einbogen. Dort trabten sie wild hin und her und sorgten für einige Verkehrsstörungen. Vor allem bei großen Lastzügen wichen sie nicht aus, sondern liefen ihnen voran und ließen sich auch durch kräftiges Hupen nicht verscheuchen. Als wir die Hauptstraße nach eineinhalb Kilometern wieder verließen, blieben sie bei einen Anwesen halten, kamen dann aber doch wieder im Galopp hinter uns her. Wegen der ansteigenden Straße konnten wir sie auch nicht durch erhöhte Geschwindigkeit abhängen. Erst als sie dann in ein Grundstück mit einer großen Hecke einbogen und dort herumschnüffelten, waren wir sie los.

Blick zurückEs ging dann nochmal bergab, bevor wir Marcolés erreichten. Der letzte Aufstieg zum Ort sollte auf einem Kilometer hundert Höhenmeter betragen und wir waren durch die kurze Strecke sehr früh dran, also machten wir in einem Seitenweg Brotzeitpause und durften dabei drei Jugendlichen zusehen, die sich anschickten, ein kaputtes Moped an einen Motorroller zu binden, um es abzuschleppen. Nach langem Probieren und Verhandeln hatten sie es geschafft. Das Mädchen fuhr den Roller, der Junge führte sein gezogenes Moped hinterher, der dritte bildete die Nachhut.

Wir blieben noch eine Weile und folgten dann ganz langsam nach, den Berg hinauf. Schon am Ortseingang informierte uns ein älterer Monsieur, dass ein Fest bevorstünde. In der Tat war der charmante kleine Ort geschmückt und wie vor drei Tagen in Meyssac wurden überall Karussells, Buden und Bühnen aufgebaut.

Auberge de la TourUnsere Auberge de la Tour hat einen Treppenaufgang durch einen alten Rundturm aus dem siebzehnten Jahrhundert, mit ganz ausgetretenen Steinstufen. Das Zimmer, das wir bekommen hatten, war riesengroß und hätte auch für fünf Personen gereicht. Nach einer kleinen Ruhepause machten wir uns auf zu einem Rundgang. Überall wurde vorbereitet und alle schienen in Festlaune. Wir streiften durch die malerischen Straßen, in denen es einige Touristenläden mit Kleinkunst gibt, ohne dass der Ort wirklich unter Besucherdruck stünde. Wir schauten uns die Kirche an, in deren Seitenaltären sich viele verschiedene Stilrichtungen treffen und wanderten dann ein Stück weit in eine Allee hinein, die zwischen Viehweiden auf ein Herrenhaus zu führte. In der Ferne brüllte eine Kuh und bemühte sich um ihr offenbar soeben geborenes Kalb, das nicht aufstehen wollte. Es schien sich, so weit wir das von Weitem sehen konnten, einige Male zu bewegen, richtete sich aber nicht auf. Wir gingen im Schutz einer Hecke auf einem Seitenweg näher, konnten aber keine weiteren Einzelheiten sehen und zogen uns wieder zurück, um die Kuh nicht zu stören. Als wir wieder auf dem Hauptweg waren, kam der Bauer mit dem Auto gefahren, brauste über die Wiese, verscheuchte die Kuh und versuchte, das Kalb mit erst vorsichtiger, dann kräftigerer Druckmassage zum Leben zu erwecken, während die Kuh die Szene aufgeregt umkreiste.  Anscheinend war alles vergeblich. Schließlich verlud er das Kalb in sein Auto und fuhr weg.

Bauer mit Kuh und KalbEtwas bedrückt gingen wir zurück in den Ort, setzten uns auf eine Bank und sahen dem vorabendlichen Treiben zu. Hinter uns wurde ein Kinderkarussell herausgeputzt, Musiker kamen und fragten uns nach der Bühne, auf der sie spielen sollten, Schausteller fuhren immer wieder in einem bunt bemalten Auto vorbei, Einheimische und Auswärtige liefen vorüber.

Bis zum Abendessen setzten wir uns vor das Hotel und tranken enzianbitteren Salers (ich) und milderen Avèze (Friederike). Dann ging es zu Tisch. Stellvertretend für die vielen Abendessen, die wir auf diese Fahrt bekommen hatten, sei dieses einmal im Detail beschrieben: Als Amuse Gueule gab es eingangs im Schnapsglas eine nicht weiter erwähnenswerte Crevettencreme. Als Vorspeise folgte ein Block aus einer Zubereitung von kaltem Bleu d'Auvergne, einem Blauschimmelkäse der Gegend. Obenauf ein halbrund geformtes Blatt aus geröstetem Käse, darin fein geschnittenes rohes Gemüse: Blaukraut, Möhren und Blumenkohl. Der Hauptgang bestand aus gebratener Dorade für Friederike und zwei durchgebratenen zylindrischen Rindfleischstücken für mich, dazu im Glas ein mit Butter und Käse aufgeschlagener Kartoffelbrei und etwas gegartes Gemüse, Blumenkohl, Paprika und grüne Bohnen. Danach eine Käseauswahl, einige kleine Stücke, am Tisch nach Wunsch abgeschnitten. Zu allem immer wieder vom Kellner mit einer Vorlegezange nachgereichte kleine hausgemachte Semmeln. Den Abschluss bildete ein Dessert aus einem halben Pfirsich, einem Blatt geröstetem Zucker und einer großen Kugel Pfirsicheis. In dieser Reihenfolge aufgetürmt serviert in einer Schale mit einer Soße, die etwas Rosenwasser zu enthalten schien, passend zu dem gezuckerten Rosenblatt ganz obenauf. Zu allem ein halber Liter einfacher Wein und beliebig viel Leitungswasser aus der Karaffe.

Nicht immer war so viel Zelebration, Schnickschnack und Deko dabei, aber meist war es gut, manchmal ausgezeichnet, nie wirklich schlecht. Das alles zu Preisen von etwa dem Eineinhalbfachen dessen, was wir bei uns für ein Hauptgericht mit Salat und Getränk ausgeben würden. Wenigstens in der von uns bereisten Gegend gibt es noch die berühmte französische Esskultur. Die Portionen sind meist nicht üppig, aber ausreichend. Man merkt den Einfluss der Nouvelle Cuisine.

ZuckerwatteZum Ende unsere Mahlzeit nahmen vier Musiker mit Banjo, Klarinette, Akkordeon und Trommel Aufstellung und unterhielten uns mit handgemachter Musik im Stil von Quadro Nuevo. Wir wanderten die Hauptstraße hinunter, in der ein großes Festzelt mit Tischen und Bänken aufgebaut war. Etwas weiter gab es einen großen Grill, wo Muscheln und Würste zubereitet wurden. An einem kleinen Stand gab es Barbe à papa, rosa Zuckerwatte. Als später eine recht gute Band mit einer flotten Sängerin auftrat, wurde getanzt. Wir kauften uns noch ein Bier im Becher und feierten mit, bis wir müde wurden. Vor dem Zu Bett Gehen planten wir noch die letzte Fahrrad-Etappe dieser Reise, nach Aurillac.

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Vor dieser Etappe hatten wir Respekt. Nach etwa elf Kilometern einigermaßen ebener Fahrt würde ein elf Kilometer langer, beinahe kontinuierlicher Aufstieg um über vierhundert Höhenmeter folgen. Die Gastgeber hatten uns ohnehin gebeten, das Zimmer etwas früher zu räumen, weil nach uns Künstler einziehen sollten, die etwas eher kämen, um sich vor ihrem abendlichen Auftritt im Ort von der Anreise zu erholen.

Blick aus dem FensterWir waren so schon etwas früher als sonst auf der Straße, vertaten dann allerdings etwas Zeit mit der Suche nach einem Supermarkt. Schließlich ging es los. Wir hatten beschlossen, wenigstens versuchsweise die Hauptstraße zu nehmen, weil wir uns da den gleichmäßigsten Anstieg versprachen. Der Verkehr dort war erträglich und die Straßenführung recht angenehm, so dass wir auch auf eine eingeplante Abzweigung verzichteten.Von der Höhe boten sich abwechseln nach beiden Seiten weite Blicke ins Land. Erst ein Stück hinter Teulet wechselten wir auf eine kleinere Straße, die uns nun fast durchwegs in Serpentinen abwärts auf Laroquebrou zu führte.

Straße abwärtsWir machten Pause bei einer Bank am Straßenrand hoch über dem Fluss Cère, der sich hier wieder frei durch sein Tal windet, nachdem er an der Barrage de Saint Ètienne-Cantalès zur Erzeugung von Elektrizität herangezogen wurde. Die passierten wir etwas später und nach einem Anstieg lag kurz darauf die ganze Vulkanlandschaft des Cantal vor uns.

CantalUnser Zimmer im Hôtel du Lac war schon gebucht. Wir erreichten es weit eher und weniger erschöpft als befürchtet bereits gegen vier Uhr nachmittags. Friederike probierte den nicht sehr großen Swimmingpool, dann machten wir uns an die Planung für den nächsten Tag. Übermütig vom heutigen Erfolg wählten wir eine Route, die bis auf über 900 Meter führen soll. Allerdings täuscht die Website des Hotels in Saint-Cirgues de Jordanne die Möglichkeit der Online-Buchung nur vor. In Wirklichkeit kann man nur eine Reservierungsanfrage machen und bis zum Abend warteten wir vergeblich auf eine Bestätigung.

Zum Abendessen kamen einige Gäste seltsamer Weise schon mit schlecht gelaunten Gesichtern auf die Terrasse, von der aus man den Himmel, grün bewaldete Hänge und ganz unten ein Stückchen des Stausees sehen konnte. Anders als der Name "Hôtel du Lac" eigentlich erwarten ließ, handelt es sich also nicht um ein "Seehotel", sondern allenfalls um ein "Hotel Seeblick". Zum Badestrand seien es zwei Kilometer abwärts, hatten wir an der Rezeption erfahren. Das Essen war ausgezeichnet, aber seine Zelebration dauerte insgesamt drei Stunden. Zwischen den Gängen war reichlich Zeit, sich aus den Zimmern wärmere Kleidung zu holen, denn nach Sonnenuntergang wurde es etwas kühl unter den Markisen. Uns wurde nicht langweilig beim Beobachten der Leute und eine andere Unterhaltung hätte es - bis auf den Fernseher im Zimmer - an diesem abgelegenen Ort auch nicht gegeben.

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Beim petit déjeuner an der großen Tafel des Hauses "La Croix Verte" trafen sich die Gäste. Wir hatten gar nicht wahrgenommen, dass außer uns noch zwei ältere Ehepaare da waren. Auch am Frühstückstisch standen, wie in den Zimmern, nette und verspielt-praktische Einzelheiten, zum Beispiel eine hölzerne Gehrungslehre für das schräge Abschneiden von Baguettestücken. Ansonsten gab es gute Marmeladen aus England, hergestellt von Madames Mutter. Madame ist Engländerin.

Wegweiser zum GästehausDie nächsten Stunden verbrachten wir mit dem Ausarbeiten unseres restlichen Reiseplans am Computer. Es galt, ohne allzu mörderische Steigungen auf annähernd gerader Linie Aurillac zu erreichen und dabei noch einen oder zwei günstig gelegene Etappenorte anzusteuern, in denen wir sicher Unterkunft bekommen würden.   Das war nicht ganz einfach und vom angestrengten Suchen auf Bildschirm und Landkarte schmerzten am Ende die Augen, bis wir Lacapelle Viescamp am Stausee der Cére als Tagesziel gewählt und dort auch gleich noch online ein Zimmer im Hotel du Lac gebucht hatten. Es soll ein heisser Tag werden und die Route ist manchmal recht steil und nicht unbedingt kurz. Das wird sicher kein Spaziergang.

Ferienstimmung an der DordogneDen gab es dafür an diesem Nachmittag. Wir radelten in den Ort, besorgten in einer Boulangerie etwas zu essen, setzten uns damit auf eine Steinbank unter Bäumen am Fluss und gönnten uns anschließend Kaffee unter den bunten Schirmen vor einer Bar. Argentat ist nicht überlaufen, aber an der Uferpromenade und in den Lokalen trifft man außer französischen Feriengästen auch Holländer und Briten. Wir gondelten weiter umher durch die recht leeren Gassen, suchten Ein- und Ausblicke, machten bei einem Buchladen Halt, der trotz des Sonntags geöffnet hatte und wo Friederike ein Buch mit kriminalstischen Kurzgeschichten kaufte.

Werbefahrrad vor einer EisdieleVor lauter Müßiggang wurden wir ganz schläfrig. Zur Erfrischung bestellten wir bei einer Bar unser Erfrischungsgetränk dieses Sommers, menthe a l'eau. Dann fuhren wir zurück zu unserem Zimmer und verbrachten eine Weile mit Siesta und Wäschewaschen. Auch dabei bewähren sich übrigens meine neuen "Funktions-Textilien". Als Freund natürlicher Fasern hatte ich lange gezögert, die Plastik-Sachen zu probieren, aber beim schweisstreibenden Radfahren waren mir die schlecht trocknenden klatschnassen Unterhemden und Hemden aus Baumwolle und das Frösteln darin bei Pausen letztlich doch zu lästig geworden, und so hatte ich in der Woche vor unserer Abreise im Schlussverkauf günstig drei Unterhemden und drei Hemden aus Polyester-Fasern gekauft. Die haben sich nicht nur beim Tragen bewährt, sondern sie sind auch mit wenig Waschmittel und Wasser schnell herausgewaschen und klargespült und trocknen problemlos innerhalb einer Nacht.

Abendessen gab es wieder beim bewährten "Fouillade" und auf dem Rückweg zum Haus kam uns nach diesem Faultag der kleine Anstieg mit unbeladenen Rädern so mühsam vor, dass wir dem kommenden Tag mit Spannung entgegenblickten.

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Von der nächtlichen Festmusik haben wir in unserem Zimmer nichts gehört, obwohl wir wegen der Hitze die Tür zum Innenhof geöffnet hatten. Nur ein heftiger Streit zwischen mehreren Leuten irgendwo auf der Straße holte uns einmal kurz aus dem Schlaf. Das Frühstück gab es auch hier im Hauptraum des Hauses. Wir fragten, ob wir noch eine Nacht bleiben könnten, denn die Feierlichkeiten sollten mit abwechslungsreichem Programm das ganze Wochenende lang dauern und das hätte uns interessiert. Aber leider waren die Zimmer schon für Musiker reserviert, die bei dem Fest auftreten sollten.

Die Wirtin wollte uns nicht einfach so ins Ungewisse ziehen lassen und telefonierte überall in der Gegend herum, ob jemand ein Zimmer für uns hätte. Derweil kam auch die uralte Großmutter zum Frühstückstisch, dann die Mutter. Sie machte uns mit einer kleinen Plüsch-Eule bekannt, welche ihrerseits die Namensgeberin des Hauses, La Dame Blanche, repräsentierte, eine Eule, die man samt ihrer seit Generationen  ortsansässigen Großfamilie bisweilen nachts fauchen höre.

Die jüngste der Frauen ließ nicht locker, bemühte für uns persönliche Kontakte und das Internet und fand so schließlich in der Tat noch ein Zimmer am geplanten nächsten Zielort unserer Reise, Argentat.

Blick übers LandSo machten wir uns auf den Weg, und begannen mit einer kleinen Rundfahrt durch den Ort, um erstens Wasser, Obst und Käse zu besorgen und zweitens wenigstens noch etwas von der angekündigten Tierschau zu sehen. Da gab es Pferde und Esel in Boxen und in langer Reihe standen goldbraune Kühe auf Streu, angebunden mit dem Hintern zur Straße und ließen sich besichtigen.

OrtschaftWir stiegen nach dieser kleinen Ortsrunde ohne Hast aus dem Tal auf und fuhren lange Zeit mit weiten Ausblicken ins Land auf ruhigen Straßen dahin. Schließlich fiel die Route steil ab und wir gelangten in schneller Fahrt durch ein Seitental nach Beaulieu an der Dordogne.
Rast an der DordogneWir fanden eine schattige Bank direkt am Fluss, wo wir Brotzeit machen und den Kanufahrern zusehen konnten, die sich auf der Dordogne tummelten. Am gegenüberliegenden Ufer war etwas Badebetrieb. Ein alter Kahn, der eine Weile still auf dem Fluss gelegen hatte, nahm Passagiere zu einer Rundfahrt auf, die, bunte Sonnenschirme über sich haltend, den Erklärungen einer Führerin lauschten. Im Ort gönnten wir uns noch einen Kaffee, bevor wir zum zweiten Teil der Tagesetappe starteten. Der führte uns auf einer stillen Straße am Fluss entlang, in leichten Wellen, aber ohne besondere Steigungen und häufig auch unter Schatten spendenden Bäumen. Auch dieser Tag war, wie der vorherige, außerordentlich heiß, aber in Flußnähe gab es bisweilen angenehm kühle Stellen. So hatten wir uns „Radfahren an der Dordogne“ eigentlich vorgestellt.

Kuh mit neugeborenem KalbAuf den Wiesen weideten überall Rinder jener Rasse, die wir auch bei der Schau am Morgen gesehen hatten. Gegen Abend  entdeckten wir auf einer Weide etwas entfernt ein sehr kleines Kalb. Durch das Teleobjektiv konnten wir sehen, dass es in der Tat ganz neu geboren und sein Fell noch nass war. Es stand auf wackeligen Beinen und schien noch nicht recht zu wissen, wo genau an seiner Mutter das Euter zu finden wäre. Die Kuh befasste sich indessen ausgiebig mit ihrer Nachgeburt, die im Gras lag. Kühe pflegen diese nach der Kalbung aufzufressen. Bald würde das Kalb die prall gefüllten Zitzen finden. Ganz ohne Handbuch und Anleitung. In der Nähe lagen noch einige ganz kleine Kälber in der Spätnachmittagssonne. Die Kühe grasten friedlich in der Nähe.

Landschaft vor ArgentatUnser Ziel, La Croix Verte in Argentat, fanden wir mit Hilfe des schon am Morgen programmierten Navi ganz leicht. Wir wurden sehr freundlich vom Hausherrn empfangen und fanden ein sehr großes Zimmer mit Bad, alles sehr liebevoll mit vielen angenehmen und nützlichen Kleinigkeiten eingerichtet. Es gab jede Menge verschiedene Seifen und Lotionen, reichlich Kleiderbügel und eine Menge charmanten Kleinkram sowie eine Kiste mit Teddies und anderen Stofftieren. Auch die Dame des Hauses, eine gebürtige Engländerin, lernten wir kennen. Auf Empfehlung unserer Gastgeber speisten wir sehr angenehm im  Hotel Fouillade. Der uns bedienende Kellner war noch in der Ausbildung und etwas unbeholfen, aber recht charmant. Da starker Wind aufkam und an allen Seiten dunkle Wolken heranzogen, wurden wir am Ende etwas ungeduldig, aber wir kamen trocken zurück und bis zum Einschlafen stellte sich keinerlei Regen mehr ein.

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Nach dem Frühstück am für uns gedeckten Familientisch, mit selbstgemachten Marmeladen als besonderer Spezialität, nahmen wir wieder die lange Hauptstrasse nach Terrasson. Das Touristenbüro dort händigte zwar bereitwillig jede Menge bunter Prospekte aus, aber mögliche Unterkünfte für die kommende Nacht konnten wir darin nicht finden.

Brunnen an der Kirche in TerrassonSo fuhren wir zunächst hinauf in die Altstadt, besichtigten die frisch renovierte Kirche und packten dann im Schatten einiger Bäume nochmal den Computer aus, um mittels Landkarte und Navigations-Software alternative Tagesetappen zu erkunden. Meyssac war ein denkbares Ziel und anhand unseres Hotelverzeichnisses konnten wir dort auch telefonisch ein Zimmer vorbestellen. Damit war eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des Tages gegeben. Im Gegensatz zum Vortag hatten wir ein sicheres Ziel und konnten uns Zeit lassen, es zu erreichen.

Mit solchen Aussichten fiel auch der Anstieg nicht so schwer, dessen erstes Stück durch die Randbezirke der Altstadt so steil war, dass wir es vorzogen, zu schieben. Oben ging es dann meist weiter bergan, aber auf schönen ruhigen Straßen, oft auch im Schatten von Bäumen. Lange Zeit passierten wir immer wieder neu gebaute Häuser, die hier weit von aller Zivilisation errichtet worden waren. Wer hier wohnt, nimmt weite Wege zur Arbeit, zur Schule, für Besorgungen in Kauf. Vielfach boten Tafeln weitere Areale entlang der Straße zum Kauf an.
Meist standen da typische moderne Einfamilienhäuser, ebenerdig mit Doppelgarage, kargen planierten Gärten, selten ein kleiner Baum, manchmal Plastik-Spielgeräte für die Kinder, fast immer aber, egal ob es sonst eine Einfriedung gab, und ob sie, wenn ja, aus einer Mauer bestand, einer Hecke, einem ordentlichen oder einem schäbigen Zaun, fast immer gab es einen Torbereich mit links und rechts einem Stückchen ordentlicher Mauer, die Einfahrt eingefasst von zwei Säulen, darauf meist wenigstens steinerne Kugeln oder, je nach Geschmack, auch Löwen, Greifvögel mit gespreizten Schwingen, Rösser, Pudel, Löwen, ja, auch Rehfiguren.

Wir sahen auch landwirtschaftliche Anwesen und kamen durch kleine Ortschaften. In Chavagnac fanden wir einen kleinen Lebensmittelladen, in dem wir Brot, Käse, Tomaten, Obst und sehr viel Mineralwasser kaufen konnten. Gleich um die Ecke, hinter der Kirche, gab es einen Picknickplatz mit Tischen und Bänken, wo wir uns zum Essen niederließen.

Bei nochmaligem Betrachten unseres Routenplans ergab sich von hier aus eine noch günstigere Variante. Also holte ich nochmal das Netbook heraus und speicherte die geänderte Route erneut ins Navigationsgerät. Zu Zeiten wo es nur die gute alte papierene Landkarte gab, konnten wir zwar auch reisen, aber so lassen sich schöne Routen mit optimiertem Höhenverlauf planen und fahren. Spontane Änderungen sind auch kein Problem.

Haus in LandschaftWenn auch mit elektronischer Hilfe geplant, müssen die Wege anschließend mit reiner Muskelkraft gefahren werden, und nachdem wir insgesamt große Höhen zu überwinden hatten, kamen wir in der Hitze des frühen Nachmittags ganz schön ins Schwitzen, tranken große Mengen Wasser und legten immer wieder kleine Pausen ein.

Collonges-La-RougeNach einem letzten langgezogenen Anstieg auf einem kleinen Sträßchen kamen wir schließlich auf eine größere Straße, die uns zügig bergab brachte. Vor Collonges-La-Rouge hielten wir mehrmals an, um die Silhouette der Stadt anzuschauen, die ihren Namen nach dem roten Sandstein der Gegend hat, aus dem sie erbaut ist. Im Näherkommen sahen wir, dass auch hier ein Touristennest mit allem Zubehör an Souvenirläden und Sightseeing-Bähnchen entstanden war. Nur wenig weiter hatten wir, wie geplant um 19 Uhr, unser Tagesziel, Meyssac, erreicht. Von dem gebuchten Hotel wurden wir über die Straße zu einer Familie begleitet, wo wir sehr angenehm in einem Gästezimmer mit eigenem Bad unterkamen. "La Dame Blanche" ist der Name.

Blick aus dem ZimmerfensterAuf besondere Empfehlung unserer Gastgeberin gingen wir zum Abendessen in L‘Assiette Meyssacoise. Auf dem Weg sahen wir schon allerlei  Buden und Aufbauten für ein abendliches Fest. Dieses hatte offenbar auch dem Lokal einen Ansturm beschert, den es kaum bewältigen konnte. Alles dauerte sehr lang und aus der Küche hörte man heftigen Streit. Der Qualität des Essens tat das weiter keinen Abbruch. Nur die Potage du Jour war ein wenig versalzen.

Auf dem Rückweg fanden wir dann extrem laute und nicht sehr gute Rockmusik in einem Hof, darunter die längste Version von „House of the Rising Sun“, die ich je gehört hatte – mit französischem Text. Überall auf den Straßen gab es Autoscooter, Glücksbuden, Kraft- und Geschicklichkeitsspiele, Verkaufsstände für Barbapapa und andere Süßigkeiten. An den meisten Fahrgeschäften war kaum etwas los, viele Gondeln fuhren leer. An einem Kinderkarussell überraschte uns ein bunter Panzer. In einem Land, dessen Bewusstsein der eigenen Geschichte nur zu Recht geführte Kriege kennt, ist die Sichtweise anders, als in Deutschland. Dennoch passt ein Panzer wegen seines Gewalt-Charakters nicht wirklich auf ein Kinderkarussell.

Kinderkarussell mit PanzerEine Weile schlenderten wir noch umher, dann gewann die Müdigkeit nach dem anstrengenden heißen Tag die Oberhand und wir gingen in unser Zimmer.

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Diesmal wählten wir das Hotelfrühstück, um dann bald auf die Straße zu kommen. Beim Monoprix holten wir im Vorbeifahren einen Vorrat an Mineralwasser, dann ging es hinaus aus der Stadt. Allerdings verfingen wir und bei dem Versuch, die Hauptstraße zu meiden, in einer Vorortssiedlung, die sich endlos einen Hang hinaufzog, ohne dass wir seitlich einen Ausweg gefunden hätten. Bis wir oben ankamen, hatten wir sinnlos 120 Höhenmeter erklommen und schon viel Kraft verbraucht. Es war extrem heiß, so dass wir auch später nicht recht vorankamen. Einige Wegstücke funktionierten nicht so, wie geplant, weil sie sich in der Landschaft als verbaut oder unwegsam erwiesen, so dass wir zu zusätzlichen Umwegen mit erneuten Steigungen gezwungen waren.

In Thenon beschlossen wir, uns frühzeitig um eine abendliche Unterkunft zu bemühen. Friederike genoss den Aufenthalt im klimatisierten Touristenbüro und kam schließlich mit einem Prospekt zurück, aus dem wir ein Gästezimmer in La Villedieu vor Terrasson wählten. Die Dame machte es bei unserem Anruf etwas kompliziert und wollte die Reservierung nicht sofort bestätigen, aus Angst wir könnten dann doch nicht kommen und das Zimmer bliebe unbelegt. Aber immerhin hatten wir einen wenn auch noch etwas vagen Zielpunkt und scheuten nun auch nicht die Schnellstraßen, die ohne starke Steigungen dahinzogen, auch wenn wir von Lastzügen in geringem Abstand überholt wurden und uns insgesamt durch den starken Verkehr gehetzt fühlten. Um halb Sechs riefen wir nochmal an und bekamen unser Zimmer nunmehr bestätigt.

Madames Hund bewacht unsere FahrräderEs erwies sich als nett gelegen und die Madame war sehr bemüht und freundlich. Wir machten uns frisch und fuhren dann auf der langen geraden Straße in die Altstadt von Terrasson zum Essen. Die Stadt lag sehr schön im Abendlicht, im ruhigen Wasser des Flusses spiegelten sich Brücken, Häuser und Bäume und wir fanden ein gutes Lokal „Le Vieux Moulin“, wo wir angenehm speisten. Nur eine extrem laute holländische Familie am Nebentisch nervte etwas.

Blick über den Fluss in TerrassonEs gibt ganz unterschiedliche Familien, haben wir jetzt schon in mehreren Lokalen festgestellt. Bei manchen verhalten sich die Kinder mucksmäuschenstill und verklemmt und werden ständig zurechtgewiesen, bei anderen werden die Kinder auch ständig zurechtgewiesen, aber halbherzig und inkonsequent. Das sind die, die echt nerven. Und schließlich gibt es Familien, in denen die Kinder erkennbar ernst genommen und sicher geführt werden. Da sind sie ganz entspannt, nehmen auch mal mit Fremden Kontakt auf, aber sie stören nicht, auch wenn man sie natürlich bisweilen hört.

Treppe am Fluss in TerrassonAls wir zu unserer Herberge zurückradelten, war es schon dunkel.

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Wir beschlossen, noch eine zweite Nacht in Périgueux zu bleiben. Das Etap-Hotel war zwar etwas unromantisch, aber ordentlich, günstig und praktisch gelegen und wir hatten da gut geschlafen.

Kleidermarkt in PérigueuxDer erste Weg führte uns über einen Wochenmarkt, wo neben dem üblichen Kram wie Handtäschchen, Geldbörsen, Gürteln, Schlüsseletuis, Dessous und Billigschuhen auch Textilien aus Kleidersammlungen verkauft wurden. Shorts für einen Euro, Flecken inbegriffen. Eine Straße weiter entdeckten wir ein Lokal, das unser Lieblingsfrühstück an einem Ort zusammenbrachte: in der "Briocherie du Centre" kann man vorzügliche Gebäckteilchen und guten Milchkaffee bekommen und dabei am Tischchen unter der Markise sitzend den Leuten zusehen. Würdiger Beginn für einen Ruhetag.

Briocherie du Centre, PérigueuxDen weiteren Vormittag verbrachten wir mit einem Rundgang durch die verwinkelten Gassen der Altstadt. Auf der Place de La Clautre gab es einen bunten Lebensmittelmarkt, wo wir uns Obst besorgten. Das helle klare Licht bringt alle Farben zum Leuchten und umso mehr reizten der bunte Markt und die vielen Menschen zum Fotografieren.

Lebensmittelmakt in PérigueuxNatürlich sind auch hier viele Touristen unterwegs, aber die an sich schon geschäftige Stadt verkraftet das besser, als z.B. Sarlat, wenn ich als Münchner freilich auch das Gefühl des Belagertseins in der eigenen Stadt kenne, und den dringenden Wunsch, endlich wieder einmal nur unter Einheimischen zu sein und nicht dauernd besichtigt und abfotografiert zu werden. Hier nun sind wir die Touristen, stehen dem Alltag im Weg, schauen in alle Gassen und fotografieren Häuser und Leute.

Touristen in PérigueuxAnschließend besuchten wir die Kathedrale St. Front, die größte Kirche Südwestfrankreichs. Da sollte ein Gottesdienst beginnen und Priester wie Mesner hatten alle Mühe, Messbesucher von geschwätzig herumschlendernden Touristen zu trennen und für sakrale Ruhe zu sorgen. Die Menschen schauen zwar die Kirchen noch an, aber sie verstehen ihre Rituale nicht mehr.

St. FontWir wanderten weiter durch enge Gassen mit netten Läden, über kleine Plätze mit weiteren Marktständen und schwelgten nochmal in süßem Gebäck. Auch in diesem kulinarischen Segment sind die Franzosen Meister und für ein Éclair mit Kaffee- oder Caramelcreme, einen Flan oder einen Chausson aux Pommes bin ich immer zu haben.

Aufbau zum NachtmarktAls wir nach einer kleinen Siesta wieder auf die Straße kamen, wurden dort, wo am Mittag noch der Lebensmittelmarkt gewesen war, erneut Stände aufgebaut, für einen sommerlichen Nachtmarkt. Wir tranken Menthe à l'eau und sahen dem Rangieren der Lieferwagen und dem Auspacken zu.

Markthändler beim RangierenMarkthändler beim AuspackenGegen Abend leerten sich die meisten Gassen und die Menschen sammelten sich in den Restaurants. Wir wanderten einige Zeit umher und betrachteten die Speisekarten. Schließlich kehrten wir im "Cocotte & Cie" ein und bekamen ein recht gutes Abendessen in netter Atmosphäre. Zum Schluss noch ein Spaziergang über den nächtlichen Markt und dann war Schlafenszeit. Auch ein Stadttag macht müde.

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