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Das EigenArt-Appartement war prima. Die Räder standen gleich vor unserer Tür im Hinterhof und Friederike konnte sogar im Nachthemd hinausspringen und die Ledersättel abdecken, als es nachts zu regnen begann. Später schüttete es ganz kräftig, aber bis wir morgens starten mussten, hatte es wieder aufgehört. Wir ließen uns um 7 Uhr wecken, packten und fuhren die zweieinhalb Kilometer zum Hauptbahnhof. Dort suchten wir uns erst einmal einen netten Imbiss zum Frühstücken. Milchkaffee und Hörnchen waren eine gute Abwechslung nach all den Frühstückbuffets mit Semmeln und Brot, Speck und Eiern, Leberwurst und Aufschnitt, Käse, Marmelade und Honig.Frühstück im Berliner HauptbahnhofDann ging es zum Bahnsteig. Der Berliner Hauptbahnhof ist ein überraschend ruhiger Ort. Er ist so großzügig gebaut und hat durch die mehrstöckige Anlage der Gleisebenen recht kurze Wege, so dass sich auch größere Publikumsströme rasch zerstreuen - wenn sie sich nicht verlaufen, denn Abfahrtsauskunft und Leitsystem könnten besser sein. Wer mit dem Lift zum Fernverkehrs-Bahnsteig will, braucht deren zwei und das erfordert dann doch Pfadfinderarbeit. Aber wir kamen rechtzeitig genug zum Gleis, um auch noch nach dem Standort des Fahrradwagens zu forschen, denn die Anzeigetafeln wiesen darauf hin, dass der Zug in geänderter Wagenfolge verkehre - das kannten wir schon von der Hinfahrt. Ein gemütlicher runder Schaffner wusste Auskunft und so postierten wir uns eine ganze Weile vor der planmäßigen Abfahrt da, wo der Kopf des Zuges zu erwarten war.

Mit der planmäßigen Abfahrt allerdings war das so eine Sache. "Wegen eines Defekts am Triebfahrzeug" erhöhte sich die Verspätung in Fünf-Minuten-Portionen bis auf eine halbe Stunde. Dann kam der Zug und wir stiegen mitsamt unseren Fahrrädern ein.  Im Wagen existierten weder die Platznummern für die Räder, noch diejenigen für uns selbst. Eine Ansage informierte außerdem darüber, dass wegen eines Defekts keine Platzreservierungen angezeigt würden. Also nahmen wir auf Anweisung des Schaffners irgendwelche Plätze.

Warten auf den ZugWie schon bei der Hinfahrt nahm der Zug auch diesmal klammheimlich den Weg über Würzburg, holte aber dennoch bis München einen kleinen Teil seiner Verspätung auf. Wir beluden unsere Fahrräder, kauften am Viktualienmarkt Brot und Calamari-Tuben für ein feines Nudelgericht nach Art des Hauses, in Neuperlach auch noch Obst und Gemüsen für das bevorstehende Wochenende und kamen beinahe schon wohlversorgt zu Hause an.

Das war die ganze Tour von knapp 1000 Kilometern:

Track der Geamttour

In einem Nachbarhof unseres Hotels feierten einige Leute um ein riesiges Lagerfeuer. Sie waren aber weit genug entfernt, um unser Einschlafen nicht zu stören. Später weckte uns allerdings heftiger und lange dahinrollender Donner. Regen prasselte auf das große Blechdach vor unserem Fenster.

Am Morgen war das Wetter wieder trocken und nach einem guten Frühstück waren wir um 10 Uhr schon wieder auf der Straße. Auch heute führte unsere Route keineswegs auf dem kürzesten Weg zum Ziel, sondern verlief in zahlreichen Windungen, zunächst vorwiegend auf ruhigen Straßen. In einer Plattenbausiedlung vor Erkner führte uns mein Navi weisungsgemäß zu einem Supermarkt, der sich als Lidl erwies. Wir kauften Proviant und bekamen vor der Tür die Krankheitsgeschichte eines Rentners erzählt, und wie ihm eine Psychologin geholfen habe, mit seinem Hüftleiden umzugehen.

Am kleinen Müggelsee nahm Friederike ein Bad, das ihr besser gefiel, als die Ostsee. Dann kam der große Müggelsee und anschließend wurde es Stück für Stück immer städtischer. Vom Navi sicher geführt fanden wir schließlich unsere Adresse im Wedding, der Wirt wies uns telefonisch ein und wir bezogen ein sehr nettes Altbau-Appartement in einem kleinen grünen Hinterhof, der an einen Park grenzt. Etwas später kam der Wirt auch persönlich und stellte sich vor.

Nach Duschen und Ruhepause streiften wir nochmal mit den Rädern durch die Stadt, bis nach Kreuzberg. Im Park unter dem Fernsehturm schauten wir einige Zeit Kindern beim Seifenblasenspiel zu, das ein Gauklerpaar anbot. Zum Essen gingen wir in den Nussbaum im Nikolaiviertel, wo wir vor Jahren einmal mit Anna gewesen waren. Der Empfang durch einen genervten Kellner war unfreundlich, mein Eisbein winzig, das Lokal leidet erkennbar unter zu großem Touristeninteresse.

Auf dem Heimweg hielten wir noch bei einem Späti und kauften Eis, Bier und Joghurt für den nächsten Tag. Die abendliche Radelei in Berlin schlug auch noch einmal mit 18 km zu Buche und mir hat es Spaß gemacht, mit Überblick und Chuzpe durch den Stadtverkehr zu navigieren. 

Geschlafen hatten wir im Nebengebäude, das noch ein wenig DDR-Flair atmete, Frühstück gab es im Herrenhaus, wo wir am Vorabend auch unser Abendbier genossen hatten. An einer Wand in der Lobby hingen Pläne zur maximalen Ausnutzung des Grundstücks, auf denen das alte Haupthaus zwischen einem Hotelblock und drei Villen eingeklemmt werden sollte. Ein Investorentraum. Hoffentlich nicht mehr.

Unser erstes Fahrtziel war ein Rewe-Markt, um Proviant zu kaufen. Zwei Pferdewagen mit je etwa einem Dutzend Leuten darauf zogen vorüber und eine lange Autoschlange hinter sich her, an der wir auf dem Gehsteig vorbeifuhren. Die Trennung der Wege von Fußgängern und Radfahrern wird hier nicht so genau genommen, wie anderswo. Oft ist gemeinsame Nutzung ausgeschildert, manchmal sind beide Bereiche in der Farbe des Pflasters getrennt, aber die Grenze wird als fließend betrachtet und auch Gegenverkehr auf der "falschen" Seite stört nicht. Das mag auch damit zu tun haben dass so gut wie alle Ortsstraßen grob gepflastert und deshalb für Radfahrer sehr unangenehm sind. Irgendwo im Wald fanden wir heute auch eine Pflasterstraße für den Wirtschaftsverkehr und parallel dazu einen asphaltierten Radweg. Über die Tradition der gepflasterten Straßen in Deutschlands Nordosten möge mich einmal jemand aufklären. Die Radwege der letzten Tage waren erfreulicherweise meist asphaltiert, aber da gibt es schon die ganze Reise über das Phänomen, dass der Belag sehr oft quer zur Fahrtrichtung verlaufende Erhebungen und Aufbrüche aufweist,  die oft überraschendes, lästiges manchmal auch schmerzhaftes Holpern verursachen. Auf der vorhergehenden Etappe waren diese Stellen über lange Strecken mit Farbe markiert. Wohl weniger, um sie zur Reparatur zu markieren, als zur Warnung für die Radler. Baumwurzeln kommen als Erklärung nur zum Teil in Frage, weil das Phänomen auch an Stellen auftritt, wo außer hölzernen Leitungsmasten keinerlei Bäume sind. Auch das ließe ich mir gerne erklären. Inner- und außerorts sind lange Radwegstrecken mit verzahntem Betonpflaster belegt. In diesen Bereichen treten die Verwerfungen nur selten auf.

Der Weg war auch heute unter rein pragmatischen Gesichtspunkten ein Umweg und wand sich zwischen Spree, Oder-Spree-Kanal und Seen dahin. Wir schauten die Kersdorfer Kanalschleuse an, machten in Fürstenwalde Rast neben dem Dom, der nach den Kriegszerstörungen äußerlich originalgemäß und innen modernisiert wieder aufgebaut worden war. Ein paar Ecken weiter tranken wir unseren Nachmittagskaffee.

Wir hatten es nicht sehr eilig, denn die Strecke war kürzer, als an den letzten Tagen und bot keinerlei Schwierigkeiten. Dennoch kamen wir schon um etwa 16 Uhr in Spreenhagen an und bezogen unser Zimmer. Wir duschten, machten es uns gemütlich und liefen vor dem Abendessen noch einmal auf und ab durch den Ort, sahen die Kirche, vor deren Eingängen das Gras selten niedergetreten zu werden scheint, das "Amt" mit ein paar Sitzbänken davor, auf denen Hochzeitsgesellschaften oder Bittsteller warten können, in der Grünfläche dahinter eine beeindruckend alte Linde und am anderen Ende unseres Weges eine Reitschule, wo gerade eine Gruppe von Freizeitreiter*innen in Kreisformation übte. Es war von außen nicht zu erkennen, ob die Schüler*innen die Kommandos der Lehrerin an die Pferde weitergaben, oder ob diese selbst den Ablauf schon kannten und direkt reagierten.

Im Restaurant unseres Hotels war "Schnitzeltag", auch panierter Kabeljau stand auf der Liste,  und so speisten wir recht gut und waren zufrieden. Das letzte Bier nahmen wir, wie öfter in diesen Tagen, mit aufs Zimmer und ließen da lesend und schreibend den Tag ausklingen. 

Die Nacht im Storchennest war ruhig, das Frühstück ordentlich. Beim Losfahren fanden wir eine Bäckerei, wo wir Semmeln kaufen konnten. 

Dann ging es zunächst einige Kilometer auf dem gleichen Weg zurück, den wir gekommen waren, bis wir wieder den Spreeradweg erreicht hatten. Ab da fuhren wir lange Zeit zwischen der Spree und mehrere Seen entlang, bis wir nach Schlepzig kamen, das ein etwas kleinerer Touristenort ist. Auch hier Bootsvermietung und Kahnpartien. Einige Männer mit Kapitänsmütze. In Stadtnähe gab es wieder mehr Ausflugsradler, aber mit zunehmender Entfernung ließ das wieder nach.


Später fuhren wir wieder lange Zeit durch Kiefernwälder. Der Weg wechselte häufig die Richtung und nahm insgesamt einen großen Bogen. Rein pragmatisch hätten wir auch ganz direkt eine Hauptstraße nehmen können, aber das wäre weit weniger schön gewesen. Bei Alt-Schadow hielten wir nahe einer Ausflugsgaststätte und eines Campingplatzes und machten Brotzeit. Danach setzten wir uns noch ins Café. 

Einen Ort vor Beeskow, unserem Tagesziel, rief uns ein entgegen kommender älterer Mann in Arbeitskleidung zu, dass die Straße nach Beeskow frei sei. Wir wunderten uns zunächst, trafen aber bald auf eine Sperre, die wir folglich ignorierten. So hatten wir die Landstraße für uns. Erst kurz vor dem Ende kam dann die Baustelle, die aber für Radfahrer kein wirkliches Hindernis war. Wir waren den Tag über gut vorangekommen und hatten nun Zeit, einem Bautrupp zuzuschauen, der mit verschiedensten Mitteln versuchte, eine große Fräsmaschine freizubekommen, die sich so tief in den sandigen Untergrund eingegraben hatte, dass sie weder vor noch zurück kam. Ein Radlader zog an ihr, ein großer Schaufelbagger versuchte, ihr einen Weg zu ebnen, Arbeiter schaufelten mit der Hand und fluchten ihrem verlorenen Feierabend hinterher. Irgendwann fuhren wir dann doch weiter und verzichteten auf das Finale des Schauspiels. So erreichten wir Beeskow und unser Hotel. Diesmal ein altes Herenhaus mit großzügiger Auffahrt und kleinem Park, daneben ein flacher Trakt, wohl aus DDR-Zeiten, in dem sich an einem langen Flur Zimmer aneinanderreihten. Wir hatten die Nummer 17.

Später fuhren wir nochmal in die schmucke kleine Altstadt mit gut erhaltenem Mauerring, an dessen Innenseite eine Gasse mit netten kleinen Häuschen verläuft. Wir warfen einen Blick in die vergitterte Kirche und entschlossen uns schließlich für ein Abendessen im "Schwan". 

Danach setzten wir uns noch auf die Terrasse unseres Hotels und beendeten Bier trinkend und die letzten Übernachtungen dieser Reise planend den Tag. 

Der Glockenschlag der Kirche gleich gegenüber unserem Zimmer störte unseren Schlaf weniger, als erwartet. Beim morgendlichen Blick aus dem Fenster sahen wir blauen Himmel. Die einzigen Wolken kamen aus den Kühltürmen des großen Braunkohlekraftwerks, aber die waren groß genug, um zeitweise die Sonne zu verdunkeln.

Wir frühstückten in einer kleinen Bäckerei am Platz, packten unsere Sachen und fuhren dann zu einem Supermarkt, um Proviant zu besorgen. Danach ging es hinaus in die Landschaft und schließlich erreichten wir die Spree.  Auch hier fuhren wir über weite Strecken auf dem Damm entlang, aber alles war  kleiner und harmloser, als an der Oder. Der Damm niedriger, das umgebende Land einfach nur grün, ohne die Rauhheit des Odertals mit seinen wilden Weidensträuchern und den toten Baumriesen.

Der Spree-Radweg ist so angelegt, dass einem die "touristischen" Highlights nicht entgehen - und man nicht ihnen. Wir kamen also nach Burg, einem Heilkurort, der offenbar zahlreiche Gäste anlockt. Der Spreewald ist hier durchzogen von vielen Flussarmen und Kanälen, auf denen man mit gemieteten Booten paddeln kann. Die Radwege führen häufig über kleine Brücken mit recht steilen Rampen, damit die Paddler darunter die nötige Kopffreiheit haben. Einmal mussten wir unsere Fahrräder eine Treppe mit seitlicher Führungsrinne hinaufschieben und auf der anderen Seite auch wieder hinunter. Auf den schmalen Rad-und Wanderwegen waren zahlreiche Ausflügler unterwegs. Erst hinter Lübbenau wurde es dann wieder ruhiger.

Die "Pension und Wellness am Storchennest im Biosphärenreservat Spreewald" in  in Biebersdorf hatten wir uns als Etappenziel ausgesucht, weil sie einigermaßen nahe am Weg lag und verfügbar war. Wir wurden auch gleich mit voller Aufmerksamkeit bedacht und noch ehe wir unser Zimmer zu sehen bekamen, wurden wir einer Führung über das Gelände unterzogen, und bekamen Sauna, Innenschwimmbad, Außenschwimmbad, Rodelhügel, Kinderspielplätze und andere Attraktionen gezeigt. Das gipfelte in einer gegen unsere Bekundung völligen Desinteresses durchgeführte Vorstellung des Fernsehapparates in unserem Zimmer, auf dem vor allem drei Filme über das Haus und seine Errichtung zu sehen waren. Beiläufig erfuhren wir auch, dass die Benutzung des WLAN fünf Euro kosten würde und dass das Restaurant nebenan Ruhetag hätte, so dass man sich das Abendessen beim indischen Pizzaservice im nächsten Ort bestellen müsse. Dessen Prospekt lag im Zimmer bereit, aber es war nicht ganz leicht, eine Stelle zu finden, von der aus man telefonieren konnte, denn das Mobilfunknetz war schlecht. Dafür hieß unser Zimmer "Getreidestube" und war an den Wänden mit Dreschflegel, Sense, zwei Rechen, einem Reisigbesen und einigen schon etwas staubigen Getreidegarben dekoriert in die große künstliche Blumen, Plastikheuschrecken und anderer Tand eingearbeitet waren. Im Bad gab es ein gehäkeltes Häubchen für die Extra-Klorolle und der Klodeckel hatte einen wuscheligen Überzug. Wir kauften einige Flaschen Bier bei der Wirtin, ließen den indischen Pizzaservice kommen und gingen nach dem Essen bald zu Bett. Es gab nichts weiter zu tun und wir waren unerklärlich müde.

Das Zimmer im Eiscafe Sommer war wirklich kein Highlight und das frühe Zubettgehen mangels offener Lokale machte auch keine Freude, aber auf diese Weise haben wir einmal sehr ausgiebig geschlafen. Das Frühstück war in Ordnung und der Kaffee besser als alles, was wir in den letzten Tagen bekommen hatten. So gestärkt fuhren wir ungewöhnlich zeitig los. Der Weg folgte wieder den Schleifen der Oder, mal auf dem Damm, mal unterhalb und die Landschaft des weiten Tals mit seinen Bäumen und Sträuchern war so bestechend schön, wie am Vortag. Am liebsten wäre ich andauernd stehen geblieben, um zu fotografieren. Der Wind war auch an diesem Tag kräftig. Einmal begegneten wir einer Schafherde, die mit ihrem Schäfer auf dem Damm und der Straße dahinzog. Wir fuhren ganz langsam hindurch und die Schafe machten uns Platz.

In Eisenhüttenstadt wurde beim Marktplatz ein Spanferkel gebraten. Eine gut beschilderte Umleitung wegen Dammbauarbeiten führte uns ein Stückchen am Oder-Spree-Kanal entlang und weiter neben einer größeren Straße. Wir besichtigten das Kloster Neuzelle, in dessen nicht sehr großer Kirche alles versammelt ist, was die Religion an figürlichen und bildlichen Motiven zu bieten hat. Das wirkte in Holz und Stuck und Gips und Gold und Farben ungeheuer prunkvoll und völlig überladen. Danach ging es wieder an den Fluss. In Guben machten wir zunächst bei den Resten der 1945 gesprengten Nordbrücke über die Lausitzer Neiße Halt und aßen von unserem Proviant, dann gönnten wir uns noch Kaffee und Kuchen im Ort. In dem Café verkehrten auch viele alte Leute, die wohl in der Nähe ein Heim bewohnen. Viele wurden im Rollstuhl von Angehörigen geschoben, die wohl einen Sonntagsbesuch machten. An einem Tisch neben uns nahm eine sehr gepflegt und gut gelaunt aussehende Frau Platz, die mit dem E-Rollstuhl gekommen war. Sie hatte wohl eine Art Muskelschwäche und ihr Tischnachbar, ebenfalls im Rollstuhl, half ihr, die volle Kaffeetasse an den Mund zu führen. Als es ihr später nicht gelingen wollte, sich eine Zigarette anzuzünden, half Friederike.

Bald nach dieser Kaffeepause verließen wir die Neiße und wandten uns nach Westen, der Spree zu. Der Höhenrücken zwischen den beiden Flüssen ist nicht sehr beeindruckend und so kamen wir gut voran. Zunächst fuhren wir durch Kiefernwälder, dann durch offene Landschaft, die nun nicht mehr so naturhaft war, wie an der Oder, sondern es gab wieder Maisanbau und andere Landwirtschaft. Schließlich tauchten in der Ferne die riesigen Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde auf, das seinen Brennstoff aus den Tagebauen der Lausitz erhält. Wenig später waren wir bei unserer Unterkunft in Peitz, einem gut ausgestatteten großen Appartement am Marktplatz, gleich gegenüber der Kirche.Ich nutzte die Gelegenheit, letztmals auf dieser Reise kleine Wäsche zu waschen, dann gingen wir in der Nähe zum Essen. Eigentlich wollten wir dann noch in einem anderen Lokal ein Bier trinken, aber auch hier ist schon um neun Uhr Schluss. 

Wir schliefen gut, aber mit dem ersten Morgenlicht begann der Hahn des Hauses zu krähen, zwar durch die Wände des Hühnerstalls gedämpft, aber durchaus hörbar. Wir dösten noch eine Weile weiter, denn das Frühstück hatten wir erst für 9 Uhr bestellt. Schließlich wurden der Hahn und die Hühner freigelassen, Krähen und Gackern wurden laut und deutlich vernehmbar, auch der Storch auf dem Wagenrad klapperte. Wir standen auf, machten uns fertig und gingen zum Frühstück.

Da saß schon ein Ehepaar und der Esstisch war so üppig gedeckt dass mein Tablet zum Zeitunglesen gar nicht mehr Platz hatte. Es gab Wurst, Käse, Eier von den eigenen Hühnern, Gemüse aus dem eigenen Garten, Apfelsaft von der eigenen Ernte des Vorjahres, Pfefferminztee aus frisch geschnittenem Kraut und viele Informationen. Wir lernten, wie die nach dem Krieg aus Polen vertriebenen Deutschen sich hier in der DDR ansiedeln konnten und hier jeweils eine Hofstelle und Ackerland bekamen. Wie es zu Zeiten der Planwirtschaft zuging, wie man sich Baustoffe organisierte, um das Haus auszubauen und zu verschönern, wie Beziehungen und Chuzpe halfen und westliche Verwandtschaft und wie der Übergang zur Wendezeit erlebt wurde.

Schließlich waren wir fertig, die Frau des Hauses war einkaufen gefahren, die anderen Gäste wollten in der Nähe Verwandtschaft besuchen und wir bekamen vom Hausherrn noch eine Führung über das ganze Grundstück mit Obstbaumanger und Goldfischteich und Hühnerhof und Storchennest und Gewächshaus und Gemüseacker und vor allem über die Traktoren aus DDR-Zeiten, die er restaurierte. Das war recht spannend, dauerte aber auch seine Zeit und so kamen wir erst etwas später los.

In Kienitz staunten wir über das Denkmal eines Sowjet-Panzers, der hier an die erste Oder-Überquerung der Russen im Zweiten Weltkrieg erinnern sollte. Wie in anderen Orten der Gegend gab es auch hier eine "Straße der Freundschaft" und eine "Straße der Befreiung" und wir gaben uns der Betrachtung hin, ob da wohl die Befreiung von der Freundschaft des großen öslichen Bruderstaates gemeint sein könnte.

Wir fuhren zurück an den Fluss und weiter den Oder-Neisse-Radweg mäandernd nach Süden, mal gegen den starken Wind, mal seitlich von ihm bedrängt, mal flott dahin, den Wind im Rücken. Der Weg lief teils auf dem Damm, teils landseits unter ihm entlang. Mit ihrer Weite, den vereinzelten Strauch- und Baumgruppen, riesigen alten Weiden, abgestorbenen großen Bäumen, die ihre hellen kahlen Äste in die Luft reckten und auf denen bisweilen einzeln oder in ganzen Schwärmen Vögel saßen, mit vereinzelten Herden von Rindern und Deichschafen, die unter den Bäumen lagerten, mit dem wolkigen Himmel und dem Wechselspiel des Lichts mit dem Zug der Wolken bot sich immer wieder ein Bild, wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich. Vor allem an Stellen, wo der asphaltierte Weg sich weitete, fanden wir immer wieder Scherben von Muschelschalen am Boden, für die uns keine andere Erklärung einfiel, als dass hier Vögel Muscheln aus der Höhe fallen ließen um sie zu knacken. Noch mehr, als an den Vortagen, begegneten uns auch wieder Radfahrer, teils auf Tagestour, aber viele auch mit vollem Gepäck, wie wir.

Immer noch sahen wir regelmäßig die Grenzpfähle in den deutschen Farben und wie schon seit dem Morgen des Vortages begleiteten uns im Abstand von je hundert Metern Markierungssteine mit Entfernungansangaben. Bei jedem Stein war ein weißer Strich auf dem Asphalt des Weges und bei jedem vollen Kilometer stand auch die Zahl auf dem Weg. Seit zwei Tagen fortlaufend in absteigender Reihe. Nun waren die Zahlen einstellig geworden und wir begannen, zu raten, was uns wohl am Anfang der Reihe erwarten würde. Langsam näherte sich von rechts ein Höhenrücken und als er die Oder erreichte, endeten zugleich der Damm und die Zahlenreihe, die seine Länge angegeben hatte. Vor Lebus ging es recht steil aus dem Odertal heraus. Wir kauften Proviant in einem Supermarkt. Eine Weile ging es entlang einer Hauptstraße oben über Land und wir sahen riesige Staubwolken, die von Mähdreschern auf den großen Feldern kamen. Wo bereits abgeerntet war, stakten Störche herum. Vor Frankfurt ging es wieder an den Fluss. An einer öffentlichen Feuerstelle mit Sitzsteinen, Bänken und vielen die Polizei schmähenden Graffiti machten wir Brotzeit mit Blick auf die Oderbrücke und die polnische Seite. Ein Stück weiter verließen wir die Oder erneut und gelangten nach Brieskow-Finkenheerd, wo wir ein Zimmer gebucht hatten.

Das war zweifellos die bisher schlichteste Bleibe auf unserer Reise und der Wirt bedauerte auch sehr, dass er uns wegen einer aktuellen Rohrverstopfung nicht das ursprünglich vorgesehene größere Zimmer geben konnte. Es gab zwei separate Betten und ein Bad mit einem abenteuerlichen Elektroboiler, den man erst vorheizen musste, um einen spärlichen warmen Brausestrahl zu erreichen. Auch die Ernährungslage war einigermaßen prekär. Von einem Fischlokal am Ort hatten wir schon im Internet gelesen, dass es nur noch mittags geöffnet hätte. Auch unser Wirt, der selbst im Haus eine Eisdiele betreibt, klagte über den Niedergang der Speisegastronomie und die frühen Schließungszeiten. Im Zimmer lag der Prospekt eines türkischen Döner-Imbisses, der bis 19 Uhr geöffnet hätte. Da fuhren wir in beginnendem Regen hin. Das winzige Lokal lag in einem um diese Zeit verwaisten kleinen Einkaufszentrum. Der Türke war freundlich und schwerhörig, das Essen war so, wie man es in einem türkischen Imbiss erwartet, desgleichen die Getränkeauswahl, d.h. es gab einen Getränkekühlschrank voller Softdrinks in kleinen Flaschen und Dosen und keinerlei Alkohol. Da es im Hotel keine brauchbare Internet-Verbindung gab, nutzten wir die Gelegenheit noch, nach dem Essen den nächsten Tag zu planen und eine Unterkunft zu buchen. Für den Abendtrunk setzten wir auf ein weiteres Lokal, das man uns genannt hatte, das als Bierstube firmierte und im Internet etwas längere Öffnungszeiten angab. Als der Regen trotz längeren Wartens immer noch nicht aufhören wollte, fuhren wir dort hin und fanden den Laden geschlossen vor. So landeten wir etwas durchnässt und stocknüchtern am frühen Abend wieder in unserem Hotel am augenscheinlichen Ende der Welt und des Internet.

Wir hatten eine angenehm ruhige Nacht und wurden, dank des Fliegengitters vor dem Fenster,  auch nicht von Insekten belästigt. Im großen Saal, durch den wir zum Frühstück mussten, war alles schon fertig für die heutige Hochzeit dekoriert und etliche Menschen verbreiteten rund ums Haus allerlei Hektik mit weiteren Vorbereitungen. Baumstammsägen, Luftballonsteigen, bei der Hochzeit sollte wohl keine Attraktion fehlen. Wir ließen den Trubel hinter uns und fuhren los. Vom Hausdach sah uns einer der Jungstörche nach, die uns am Vortag von dort oben begrüßt hatten. 

Wir fuhren am Oder-Deich entlang und kämpften mit kräftigem Gegenwind. Nach einiger Zeit begegneten uns mehr und mehr Radfahrer, die den Oder-Neisse-Weg in nördlicher Richtung unterwegs waren. Wir hielten an einer Schleuse und sahen zu, wie sie sich flussabwärts öffnete, zwei Boote einfuhren, das untere Tor geschlossen und das obere ganz langsam geöffnet wurde, bis die Boote auf die Höhe des oberen Kanals gehoben waren. In der Weite des Oderbruchs weideten Schafe, ein Storch stakte zwischen ihnen herum. In Hohenwutzen fuhren wir kurz in den Ort zu einem sehr spartanischen kleinen Laden, um etwas Proviant zu kaufen. Etwas weiter lockte uns ein kleines Café.

Am späteren Nachmittag kam der Wind von hinten und wir flogen nur so dahin, meist unter dem Deich, ein Stück auch auf seiner Krone. Wir fuhren mit 25 und mehr Stundenkilometern und die Entfernung zum Ziel, die das Navi anzeigte, schwand zusehens,so dass wir schon Sorge hatten, viel zu früh bei unserer nächsten Unterkunft zu sein. Also gönnten wir uns gegen Drei eine lange Brotzeitpause auf dem Deich mit Blick auf die Weite des Oderbruchs. 

Einmal beobachteten wir einen riesigen Schwarm entengroßer Vögel, die sich, wie die Starenwolken, die wir schon seit Tagen immer wieder gesehen haben, am Himmel sammelten, wieder zerstreuten und an anderer Stelle wieder zu einer dichten Wolke zusammenballten. Ein sehr schönes Schauspiel, nur haben uns die Vögel leider Gattung und Art nicht verraten. 

Fast den ganzen Tag hatten uns die schwarzrotgelben Grenzpfähle begleitet, zu deren jedem sich, mal nah, mal ferner, auf polnischer Seite ein rotweisses Pendant ausmachen ließ. Nun waren wir in Groß Neuendorf, wo wir den Oderweg verlassen mussten, um zu unserer Unterkunft zu gelangen. Es gab da ein großes Bauwerk, das früher dazu gedient hatte,  Getreide zwischen Flussschiffen, Eisenbahn und LKW umzuladen. An einer ehemaligen Förderbrücke hingen an langen Seilen zwei Schaukeln, auf denen sich Jugendliche vergnügten. Der Turm des früheren Maschinenhauses war zu einem Hotel mit Gaststätte umgebaut und wir studierten schon einmal die Speisekarte für den Abend. Schilder verwiesen auf einen jüdischen Friedhof etwas abseits des Ortes, den wir kurz besichtigen. Dann erkundeten wir noch ein Lokal, das vom "Landfrauenverein Mittleres Oderbruch e.V."  geführt wurde und in dem vor allem Gerichte mit Schmorgurken als Beilage angepriesen wurden. In einem dieser beiden Lokale wollten wir zu Abend essen. Vorerst fuhren wir noch die dreieinhalb Kilometer nach Kienitz Nord, wo wir telefonisch ein Zimmer bestellt hatten. 

 

Wir wurden von einer sehr freundlichen Frau in einem Privathaus empfangen, in dem es zwei kleine Ferienwohnungen gab. Im und um das Haus sah es nach regem Bastlergeist aus und im Hof stand ein zerlegter alter Radlader, der sich offenbar im Prozess der Restaurierung befand. Da wir früh dran waren, ließen wir uns Zeit, kümmerten uns um die Unterkunft für die nächstfolgende Nacht, machten uns frisch und entschieden uns schließlich, ins "Maschinenhaus" essen zu gehen. Da gab es eine kleine Karte von Gerichten mit streng regionalen Zutaten, die uns recht gut schmeckten, dazu ganz dezent klassische Musik, unter anderem zweimal die Ode an die Freude in Instrumentalfassung. Irgendwie schuf das eine angenehm ruhige Atmosphäre. Die Gäste unterhielten sich alle in moderater Lautstärke. 

Am Ende konnten wir dann nicht widerstehen und schaukelten im Mondschein an der alten Förderbrücke. Das war sehr schön, nur als ich die Schaukel anhielt, stürzten sich die Mücken auf mich, als hätten sie auf diesen Augenblick gewartet. Nichts wie weg und zurück durch die Nacht, vorne links den fast schon vollen Mond, hinten rechts den letzten Schein des Abendrots. Unsere Räder schoben wir in die Tiefe des Grundstücks und ketteten sie zusammen. Den Platz sehen (und hören) wir von unserem Fenster aus. 

Wären wir heute dem Wetterbericht gefolgt, hätten wir einfach im Bett bleiben müssen. Angesagt war Regen, unterbrochen von mehreren Gewittern. Wir nutzten zunächst einmal die Möglichkeit, uns Tee zu machen und bis der getrunken war und wir unsere Sachen gepackt hatten, war der Regen erst einmal vorbei. Die Fahrräder standen noch dort, wo wir sie im Treppenhaus angekettet hatten. Wir packten auf und starteten zu einer kleinen Besichtigungsrunde. Erstes Ziel war die Jakobs-Basilika, die wir nacheinander besuchten. Vor der Kirche gab es einen soliden Tisch mit Bänken, wo wir zwei süße Gebäckstücke frühstücken konnten, die wir unterwegs in einer Bäckerei gekauft hatten. Kaffee fehlte allerdings. Nächste Station war der Heumarkt in der Altstadt und schließlich noch das ziemlich riesige Schloss der Herzöge von Pommern, durch dessen Höfe wir fuhren.

Eigentlich wollten wir dann gerne zur Oder und auf deren polnischer Seite entlang nach Süden fahren, aber der Einstieg in die Radroute war nicht zu finden und so landeten wir zunächst auf ziemlich nervtötenden Ausfallstraßen. Schließlich fanden wir eine Umgehung, aber da gab es unangenehme Steigungen. Bei Moczyly versuchten wir, an die Oder zu kommen, aber auch das gelang uns nicht und als wir es dann einige Kilometer weiter schafften, war der Weg durch den Wald so schwer zu fahren und die Mücken setzten sich bei jedem kurzen Halt zu Dutzenden auf uns, so dass wir die Oder bei nächster Gelegenheit wieder verließen. 

Erst nach einer Grenzquerung zur deutschen Seite kamen wir dann wirklich an die Oder und auf dem Oder-Neisse-Radweg zum schönsten Abschnitt dieser Tagesetappe. Gleich am Anfang lockte ein Cafe, dann ging es auf guten Wegen durch die Flusslandschaft. Bei Gatow verließen wir den Weg dann wieder, um schneller voranzukommen. Der starke Wind, der schon den ganzen Tag über unsere Fahrt erschwert hatte, wurde nun stürmisch und der Himmel vor uns begann sich zu verdunkeln. Wir fuhren nun recht energisch voran, passierten Schwedt, wo uns die überraschend vielen großen Wohnblocks und einige Industrie auffielen. Wir hielten an einem Supermarkt, um Wasser zu kaufen.  Dann ging es zügig weiter nach Criewen, wo wir in einem letzten Spurt unter Donnergrollen mit den ersten großen Regentropfen des herannahenden Gewitters unsere Unterkunft erreichten. Bis auf einen ganz kurzen Schauer war ansonsten es zum Glück trocken geblieben.

Der zu allerlei Späßen aufgelegte Wirt wies uns ein. Im Saal, den wir auf dem Weg zu unserem Zimmer passieren mussten, wurde für eine Hochzeit am nächsten Tag dekoriert. Im Zimmer duftete es nach den geölten Naturholzmöbeln. Wir machten uns frisch und als wir zurück in die Gaststube gingen, durften wir auch noch unser Urteil darüber abgeben, ob sich das Grün der Stuhlschärpen mit dem anderen Grün der Tischdekoration beisse oder nicht. Wir versuchten, die stark verunsicherte Frau zu beruhigen, die für die Deko zuständig war. Sie brachte im Verlauf unseres Abendessens noch eine ganze Reihe anderer Leute daher, die ihr Werk begutachten sollten. Unser Essen servierte die sehr junge und quirlige Tochter des Hauses (so jedenfalls meine Vermutung). Es schmeckte, vor allem Friederike hatte Freude an ihrem Wels im Bierteig. Ein Highlight war Schorle vom frisch gepressten Apfelsaft. Danach kam Köstritzer Hell, von dem wir uns noch je ein Glas mit aufs Zimmer nahmen. Die Unterkunft für die nächste Station konnten wir leider noch nicht klären.

Das Klappern vom Wegräumen der Biertische auf dem Platz war der Ausklang des vorherigen Abends, das Klappern vom Aufbau eines Wochenmarktes begrüßte uns an diesem Morgen. Wir dösten dessenungeachtet noch eine Weile weiter. Zum Frühstück waren bereits die gleichen Kellnerinnen wieder auf dem Plan, die uns am Vorabend bedient hatten. Eine kurze Nacht für sie. Das Frühstück ohne Tadel. Wir ließen uns Zeit mit der Abreise, denn die Tagesetappe schien nicht besonders lang und komplikationslos.

Der Markt vor dem Haus bot viel Ramsch und Tand, aber es gab einen Obststand und da holten wir Proviant. Gleich in der Straße nebenan war noch eine Bäckerei, ein paar Ecken weiter ein Geldautomat, dann waren wir wieder versorgt und fuhren los.

Nach einem kurzen Stück Straße ging es in den Wald und dort wurde es bald holprig, wir mussten große Pfützen umfahren, manchmal sogar an ihnen vorbeischieben, zum Teil war der Weg sandig und die Räder kamen ins Schwimmen, aber es gab auch Abschnitte, wo wir auf festem Sand flott vorankamen. Bei Hintersee war es uns dann genug, auch wollten wir nicht riskieren, wieder im Nirgendwo an einem nicht vorhandenen Grenzübergang zu enden und so wechselten wir auf die hier nur wenig befahrene Hauptstraße. Da ging es dann zügig dahin. Die Grenze offen und unbewacht. Wir fanden ein Stück weiter auch einen Rastplatz mit Tisch und Bänken und Dach und machten da Pause. Allmählich nahm der Autoverkehr zu, bevor es zu wild wurde, kam ein gut ausgebauter Radweg, aber der führte links an der Straße entlang und der starke und laute und stinkende Verkehr gleich nebenan ging uns auf die Instinkte, so dass wir in Anspannung gerieten und froh waren, das letzte Stück Weg in die Stadt nach kurzem Suchen wieder durch Parks zurücklegen zu können.

So kamen wir dann doch wieder relaxed bei unserer Unterkunft an, wo uns eine etwas rundliche Dame und eine junge, schlanke, schon vor der Tür erwarteten, nachdem ich unsere Ankunft vereinbarungsgemäß eine knappe Stunde im Voraus angekündigt hatte. Von da an wurde es etwas umständlich, denn das Appartement lag in der dritten Etage und die Damen wollten unbedingt einen Teil unseres Gepäcks schleppen. So ging Friederike mit ihnen und einem großen Teil unserer Sachen nach oben, während ich unten mit den Rädern wartete. Die Lady hätte am liebsten auch die noch in den dritten Stock tragen geholfen, aber dann durften wir sie im Parterre ans Treppengeländer ketten und das sollte hoffentlich reichen.

Das Zimmer war zeitgemäß als Appartement ausgestattet, aber winzig und, bis auf die Küchenzeile, schranklos. Hinter einer Tür verbarg sich noch ein kleiner etwas muffiger Raum, der wohl das Frühstadium eines begehbaren Kleiderschranks darstellen sollte. Da gab es immerhin zwei Kleiderstangen und etliche Bügel.

Wir gingen auf die Straße und erkundeten die Gegend. Es waren vom Hotel aus tatsächlich nur zwei Ecken bis zum baulichen Zentrum der Stadt. Das kulinarische Zentrum fanden wir bald auch, in einer Parallelstraße unweit unseres Appartements. Trotz der Grenznähe zu Deutschland und der Attraktivität der Stadt für Tourismus ließen die Restaurants keinerlei Bemühen erkennen, es dem Fremdling leicht zu machen. Vor jedem Lokal standen handgeschriebene Tafeln in polnischer Sprache mit den Haupt-Angeboten, aber es gab keine von außen einsehbaren vollständigen Speisekarten, anhand derer man sich ein Bild hätte machen können, geschweige denn Angaben in Deutsch oder Englisch. So endete unsere Suche in einem Lokal mit italienischer Küche, wo wir wenigstens hoffen konnten, uns einigermaßen auszukennen. Sehr schade eigentlich, denn ich hätte gerne auch die lokale Küche probiert, aber zumal mit Friederike als Vegetarierin mochte ich mich nicht in einem Lokal niederlassen, um dann nach längeren radebrechenden Verhandlungen doch bei einem unpassenden Gericht zu landen. Irgendwie fühlten wir uns nicht richtig willkommen und wer erlebt hat, wie tief ins Land hinein in anderen Grenzregionen die Nachbarsprache wenigstens in einfachster Form bekannt ist, staunt doch sehr über die Schärfe der deutsch-polnischen Sprachgrenze in dieser Gegend. Vielleicht findet sich ja mal jemand, der mir das erklärt. Die jungen Bedienungen in den Lokalen konnten immerhin meistens ein wenig Englisch.

Das italienische Essen war immerhin recht originalgetreu zubereitet. Im Vergleich zu den üppigen Mahlzeiten an den vorangegangenen Tagen war die Portion etwas klein, dafür war das Eis riesig, das wir uns danach noch in einer anderen Straße gönnten. Die Preise waren sehr niedrig. Schließlich ließen wir uns noch einmal zu Bier nieder und dann war es genug und wir gingen schlafen.