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Im Laufe der Nacht ließ der Sturm nach und wir konnten ruhig schlafen. Die Signora hatte angekündigt, dass sie wegen ihres Rheumas morgens lange im Bett bleibe, aber sie ließ es sich dann doch nicht nehmen, zu unserem Abschied herauszukommen. Sie empfahl nochmal eine Frühstücksbar, die über nur wenige Stufen zu erreichen sei. Wir hatten andere Prioritäten und frühstückten einfach in einer Bar an der wir vorüberkamen. 

Danach wurde es etwas schwierig, den richtigen Weg durch das Gewirr der steilen Einbahnstraßen hinaus aus dem Ort zu finden. Schließlich hatten wir die Staatsstraße erreicht und kletterten langsam hinauf. An einem Aussichtspunkt konnten wir nochmal zurück auf die Stadt und ihren Hafen schauen.

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Weiter ging es bergauf, so dass die Tour doch wieder recht anstrengend wurde. Einige längere Abfahrten brachten einen gewissen Ausgleich, aber dann mussten wir ja doch wieder hoch. Am Straßenrand gab es vielfältige Blüten an Stauden und Sträuchern. Das Wetter war recht warm, aber trüb. Gelegentlich regnete es ein paar Tropfen, gelegentlich verbliesen uns auch wieder kräftige Böen. Wir sahen in einiger Ferne große Steinbrüche und bisweilen überholten uns schwere Lkw mit großen Marmorquadern oder Marmorgranulat. Vor Trapani ging es dann lange abwärts.

In der Stadt mussten wir etwas suchen, bis wir unsere Unterkunft gefunden hatten, denn viele der Gassen hatten keine Schilder mit Straßenamen. Am Ende aber waren wir an der richtigen Stelle und bekamen ein angenehmes Zimmer und Platz für unsere Räder im B&B 5 Torri. Mit Booking.com haben wir in den letzten Jahren noch keinen Reinfall erlitten.

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Wir machten uns frisch und gingen wieder hinaus. In der Stadt trafen wir auf großes Menschengedränge, dem wir uns anschlossen, um eine Prozession zu sehen, in der alljährlich in der Karwoche, der "settimana santa" ein religiöses Bildnis feierlich durch die Stadt getragen wird. Dazu wird getrommelt und ein Spielmannszug intoniert getragene Musik. Fliegende Händler verkaufen von bunt erleuchteten Ständen Süßigkeiten und Spielzeug. Nachdem wir dem Spektakulum eine Weile gefolgt waren, machten wir uns auf Essenssuche und genossen auch an diesem Tag wieder Meeresfrüchte. Das Lokal hieß Amici miei und es schmeckte uns dort wieder sehr gut. Auf dem Heimweg begegneten wir noch einmal der Prozession und zum Schluss gönnten wir uns trotz der Kühle noch ein sehr gutes Eis.

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Praktisch, wenn zwei Pasticcerie an gegenüberliegenden Straßenecken sind. Sie spornen sich gegenseitig zu Qualität und fairen Preisen an, man hat als Kunde die Wahl, und wenn eine geschlossen hat, wie an diesem Tag, geht man zum Frühstück einfach in die andere.

Es war warm genug für kurze Ärmel und die kurze Radlerhose, aber es blies ein kräftiger Südwind, der uns noch schwer zu schaffen machen sollte. Wir hatten uns entschlossen, nicht an der Küste entlang zu fahren, sondern nochmal hinauf nach Monreale und weiter über die Berge. Der Stadtverkehr war dichter und noch turbulenter, als am Vortag, dafür waren auf dem letzten Stück keine Ausflügler unterwegs und die Sehenswürdigkeiten in Monreale waren nicht überlaufen. Wir besichtigten zunächst, uns abwechselnd, die Kathedrale mit ihren wunderschönen goldenen Mosaiken und den farbigen Einlegearbeiten an Boden und Wänden, deren byzantinischer Stil uns sehr deutlich an Kirchen erinnerte, die wir im vergangenen Jahr in Moskau gesehen hatten. Dann besuchten wir noch den schönen Kreuzgang mit seinen zahlreichen unterschiedlich verzierten Säulen. Die sechs Euro Eintritt waren zwar etwas viel, aber wir betrachteten sie als Beitrag zum Gehalt des Mannes, der akribisch mit Zahnbürsten und anderen kleinen Werkzeugen an der Reinigung der Säulen arbeitete, und überhaupt als Obolus für die Erhaltung der Kunstwerke.

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Auf dem Platz wehte der Sturm so kräftig, dass unsere schwer beladenen Fahrräder mehrmals umfielen. Wir gönnten uns noch einen Cappuccino und fuhren dann weiter bergan. In einigen Kehren sahen wir noch mehrmals hinunter nach Palermo.

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Der Aufstieg bis auf 664 Meter über dem Meer wäre als erste größere Tour dieser Reise auch so schon recht anspruchsvoll gewesen, aber der böige Sturm machte die Tagesetappe wirklich anstrengend. Zeitweise mussten wir pausieren, weil wir uns vor Wind kaum mehr auf den Rädern halten konnten. Die lange Abfahrt war natürlich angenehm, aber auch da gab es oft Gegenwind und auf dem letzten Stück ging es auch noch ein paarmal bergauf, so dass wir im Laufe des Tages brutto 920 Höhenmeter zu klettern hatten. Das Meer lag vor uns im Dunst, der schließlich so stark wurde, dass die Spätnachmittagssonne nur noch als milchige Scheibe zu erkennen war.

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Zum Schluss in Castellammare führte der Weg nochmal ein kurzes Stück steil bergan und nicht ohne Grund hieß das Gästehaus schließlich Alle Scale nach der Treppe, an der es liegt und über die wir am Ende unsere Fahrräder hinauftragen mussten.

Die Signora empfing uns sehr nett und als wir uns nach einem Restaurant erkundigten, schlug sie, da nichts geöffnet hatte, vor, uns stattdessen selbst zu bekochen. Friederike bekam Nudeln mit Thunfisch und Knoblauch, für mich gab es polpette, also sizilianische Fleischpflanzl, und eine tomatige Sauce zu den Nudeln. Dazu selbstgebackenes Brot von der Tochter und eine schwachsinnige Fernseh-Gewinn-Show, der die Hausherrin enthusiastisch folgte. Am Ende bekamen wir noch Kaffee und süßes Gebäck mit einer Füllung aus Feigen, Nüssen, Schoko und Kaffee. Alles schmeckte sehr fein und nach etwas behutsamem Feilschen stimmte auch für beide Seiten der Preis. Wir waren gesättigt und müde und stiegen zurück in unser sturmumtostes Zimmer im obersten Stockwerk.

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Unsere Behausung "Orto Botanico" erwies sich trotz der Zentrumsnähe als angenehm ruhig. Wir ließen am Morgen den eigenen Herd kalt und gingen in eine der nahe gelegenen Pasticcerie, um Cappuccino und ausgezeichnete Hörnchen zu frühstücken. Dann machten wir unsere Räder bereit für einen Tagesausflug nach Monreale.

Der Straßenverkehr in Palermo ist auch am Sonntag nichts für Landeier, aber wir kamen gut hinaus auf den schnurgerade leicht ansteigenden Corso Calatafimi und weiter hinauf nach Monreale. Beim Anstieg auf den letzten Kilometern wurde uns ganz schön heiß. Oben herrschte Stau in den engen Gassen. Die Piazza vor der Kathedrale war voll Menschen. Als wir an die Kirche kamen, wurde gerade geschlossen. Wiederöffnung um 15:30 Uhr. Wir kauften uns zwei große Stücke Focaccia und setzten uns damit auf den Platz. Die Souvenirhändler schlossen ihre Stände und rollten sie fort. Zu spät wurden wir gewahr, dass der Zugang zu Kloster und Kreuzgang ebenfalls geschlossen wurde und nachmittags nicht mehr öffnen würde. So standen wir vor der Wahl, den halben Tag zu verwarten, um die Kathedrale zu besichtigen, oder unverrichteter Dinge wieder zurückzukehren, um noch etwas von Palermo zu sehen. Wir entschieden uns für die Stadt, auf die wir von der Höhe aus einen guten Blick hatten, und rollten flott wieder hinunter.

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Nach einer kurzen Pause im "Orto Botanico" ließen wir unsere Räder im Zimmer und machten uns zu Fuß auf durch die Stadt. Auf einer Wiese am Ufer herrschte palmsonntägliches Treiben. Fliegende Händler ließen Drachen steigen und boten sie zum Kauf an, eine Gruppe junger Frauen übte unter Anleitung eines Trainers Spielzüge mit einem Rugby-Ball, an Ständen gab es Zuckerwatte und andere Süßigkeiten, eine Prozession dunkel gekleideter Menschen zog zu frommen Gesängen hinter einem großen Holzkreuz über die Wiese, einige Jugendliche spielten sich im Kreis einen Fußball zu.

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Wir spazierten eine Weile zwischen allem umher und gingen dann weiter in die Stadt. Wir liefen kreuz und quer durch enge Gassen, in denen Altes, Verfallendes, Renoviertes und neu Erbautes nicht nur benachbart, sondern oft auch miteinander verschachtelt sind. So haben wir Häuser gesehen, in denen einzelne Stockwerke, einschließlich Fenstern, Balkonen und Fassadenanstrich frisch renoviert waren, während darunter und darüber schäbige Trostlosigkeit herrschte. Oft standen zwischen zwei intakten Gebäuden nur noch die Mauerreste eines eingestürzten Hauses.

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Wir besichtigten einige Kirchen, vor denen, wie bei uns die Weidenruten, Olivenzweige als Palmsonntagsschmuck angeboten wurden, und Büsche aus geflochtenen Gräsern. Am frühen Abend herrschte auf den großen Straßen dichtes Gedränge. Menschen begegneten sich, grüßten einander mit Wangenkuss, blieben stehen, um sich zu unterhalten. Uns fiel auf, dass die meisten Leute dunkel gekleidet waren. Viele Frauen kräftig geschminkt und mit hochhackigen Schuhen. Später öffneten auch wieder einzelne Kneipen, aber es wurde nicht so turbulent wie am Vortag. Viele Lokale hatten auch geschlossen, so auch eines, das wir uns eigentlich zum Abendessen ausersehen hatten. Wir studierten mehrere Speisekarten und kehrten schließlich im "Palazzo Trabucco" ein, wo wir sehr gut mit Meeresfrüchten und gegrilltem Schwertfisch bedient wurden. Allerdings waren heute nur fünf Tische besetzt und alle Gäste waren Touristen. In dem recht leeren Lokal war es ein wenig kühl.

Nach dem Essen war uns nicht mehr nach Laufen, die Füße hatten ihr Pensum geleistet. So machten wir uns auf den Heimweg, nicht ohne uns nochmal in der Pasticceria nebenan mit einem feinen Nachtisch zu versorgen. Palermo ist, süß wie herzhaft, ein kulinarisches Highlight.

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Wir schliefen ausgezeichnet, sanft gewiegt von den Wellen, sahen ein schönes Morgenrot, schliefen noch etwas weiter, genossen die Bequemlichkeiten von Bad und Dusche, gingen dann in die Bar zu Cappuccino und Hörnchen und erkundeten anschließend weiter das Schiff. In der Ferne waren Wolken zu sehen, vereinzelt wohl auch lokale Regengebiete, aber über uns strahlte blauer Himmel, die Sonne schien, aber es wehte ein kräftiger frischer Wind. Im Schutz der Glasscheiben rund um den leeren Swimmingpool lagerten Hundebesitzer mit ihren Lieblingen, die in den nahen Käfigen genächtigt hatten. Im fensterlosen und auch sonst recht trostlosen Saal der Schlafsessel hockten einige Leute vor den Fernsehbildschirmen, andere dösten. Wir waren froh, dass wir komfortabler gebucht hatten und gingen wieder in unsere Kabine, um zu lesen, zu schreiben, zu dösen, die Reste unseres noch von zu Hause mitgebrachten Proviants an Brot und Käse zu verzehren und von den kostenlosen Erfrischungsgetränken aus der Minibar zu probieren. Cola ist eine sehr seltsame Brause, wenn man nicht daran gewöhnt ist.
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Nach einem weiteren Rundgang und einem weiteren Cappuccino in der Bar sahen wir bereits Sizilien in der Ferne auftauchen und die Passagiere wurden aufgefordert, bis 16.45 Uhr die Kabinen zu räumen und zum Zählappell an bestimmten Stellen des Schiffes zu erscheinen. Wir taten, wie geheißen, wurden auch nochmal durch Pochen an der Tür aufmerksam gemacht und fanden uns pünktlich im großen Salon mit der Bar ein, wo sich schon zahlreiche Fahrgäste versammelt hatten. Der Musikant, der morgens seine elektronischen Geräte aufgebaut hatte, gab routiniert Karaoke zum Besten. Als er dann auch Leute aus dem Publikum zum Singen einlud, kam die Stunde des Fremdschämens und wir mussten leider dabei ausharren.

Schließlich ging es langsam in Richtung Ausgang. Die Passagiere wurden nach Parkdecks aufgerufen und nach nochmaligem Warten gelangten wir zu unseren Rädern, packten auf und fuhren hinaus in die abendliche Stadt. Es war etwa Sieben Uhr. Durch turbulenten Stadtverkehr kamen wir dennoch recht schnell zu unserer Unterkunft. Ich hatte schon vormittags angerufen und unser Kommen angekündigt. Jetzt, nachdem wir die kleine Gasse gegenüber dem Orto Botanico erreicht hatten, rief ich nochmal an und nach längerem Warten kam ein junger Mann gefahren, der uns einlassen sollte. Das war nicht ganz einfach, denn das erste Appartement, das er öffnete, erwies sich als bereits belegt, im zweiten nahm er Gasgeruch wahr und schaltete vorsichtshalber den Strom aus, bevor er hineinging, um erst einmal durchzulüften und den Gashahn am Herd zu schließen. Sogar sein Telefon ließ er aus Furcht vor Explosionsgefahr draußen.

Als gründlich gelüftet war, durften wir einziehen. Unser Heim für zwei Nächte erwies sich als sehr charmantes Appartement mit einem Wohnzimmer zur Straße, das geräumig genug war, um auch ganz bequem unsere Fahrräder unterzubringen, einem Schlafzimmer, Küche und Bad. Wir richteten uns ein, lasen und schrieben Nachrichten und gingen dann hinaus, um etwas zu essen zu suchen. Wir kamen schnell in die richtige Gegend und aßen in der Antica Focacceria S.  Francesco wunderbares Meeresfrüchte-Risotto.

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Dann liefen wir noch weiter durch die engen, belebten Gassen und gelangten zu einem Platz, wo zwischen abbruchreifen Häusern dröhnend laute Musik lief, an Tischen Getränke serviert wurden und immer wieder der Geruch von Marihuana und Haschisch vorbeizog.

Wir ließen uns für längere Zeit da nieder und beobachteten das vorbeiziehende Samstagabendvolk aller Klassen und Altersgruppen. Schließlich wanderten wir durch die Gassen zurück zum Orto Botanico und holten uns in einer Pasticceria, die jetzt, nach Mitternacht, noch geöffnet hatte, wunderbares Gebäck, um es als Betthupferl zu verspeisen.

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Wir schliefen etwas unruhig in dieser ersten Reisenacht. Das ungewohnte Bett spielte dabei sicher eine Rolle, aber auch die Unsicherheit über die Weiterfahrt angesichts des Streiks. Bis zum Abend müssten wir unser Schiff in Genua erreichen. Mitten in der Nacht gab es draußen ein gewaltiges Donnern, wie von einer großen Explosion. Aber es folgten keine Polizei-,  Ambulanz- und Feuerwehrsirenen und so versuchten wir, wieder einzuschlafen.

Gegen Sechs ertönten unsere Wecker. Wir machten uns fertig, packten und checkten aus. Frühstück gab es um diese zeitige Stunde noch nicht. Am Bahnhof war es ziemlich ruhig, unser Zug stand bereit und war recht leer. Wir stellten unsere Räder in den Einstiegsbereich gleich hinter dem Lokführer und setzen uns in Sichtweite in die erste Etage. Der Zug war recht schäbig, aber es gab ein kostenloses offenes WLAN, sogar in einigen der langen Tunnels, die wir befuhren. Der Himmel war klar und blau. Ohne Verzögerung erreichten wir Genua.

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Wir frühstückten prima Cappuccino und Croissants bei einer kleinen Bar in einer schmalen Straße nahe dem Bahnhof. Dann radelten wir kreuz und quer, auf und ab durch die Stadt. Durch ganz enge Gassen, in denen sich ein winziger Laden an den anderen reihte, die meisten von Arabern und Afrikanern betrieben; dann vorbei an grandiosen noblen  Palazzi. Wir besichtigten eine Kirche und das hübsche Rathaus, fuhren weit hinauf und konnten steil hinab in die Straßen unter uns schauen und in die Fenster der oberen Stockwerke. Die Stadt ist gestaffelt an die Steilküste gebaut. Einmal diente das Flachdach eines fünfstöckigen Hauses als Parkplatz, der von der oberen Straße her ebenerdig erreichbar war. In einem versteckt gelegenen Supermarkt kauften wir Proviant. Die Einheimischen schleppten schon große Kuchenschachteln mit "colombe" nach Hause, den etwas trockenen Tauben aus Kuchenteig, die hier, ebenso wie die riesigen in bunte Metallfolie verpackten Ostereier, zum österlichen Brauchtum gehören.

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Auf dem weiteren Weg kamen wir an einer Straßenblockade Streikender vorbei. In geringer Zahl, aber mit großem Lärm von Lautsprechermusik und einer großen Blechtonne, die enthusiastisch geschlagen wurde, sperrten sie ein wichtiges Straßenstück. Ihr Protest richtete sich gegen die Privatisierung der Verkehrsbetriebe.

Wir sahen von oben das Meer und fuhren hinunter, saßen lange an der Hafenpromenade und schauten den Leuten zu. Dann fuhren wir hinaus zum Passagierhafen, um die Einzelheiten unserer Abreise zu erkunden. Zunächst gerieten wir auf die Zufahrt für Kraftfahrzeuge bei den unteren Decks. Wir wurden zweifach kontrolliert und eingewiesen, aber der Weg endete in einer Autoschlange vor vergitterten Toren und so fuhren wir wieder hinaus auf die Straße und erreichten schließlich, nach einem schmerzhaften Sturz von Friederike, die einen Betonpoller am Straßenrand übersehen hatte, die Passagierzugänge. Da erfuhren wir nach einigem Fragen und Suchen, dass wir zunächst noch im Büro der Schifffahrtsgesellschaft einchecken und unsere Bordkarten holen müssten, das aber erst gegen 18 Uhr. So kehrten wir zurück zur Promenade und setzten uns noch für eine Weile in die Spänachmittagssonne.
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Was uns in diesem Jahr auffiel, war ein Trend zum Vollbart bei jüngeren Männern. Wenn die Regel stimmte, dass uns Italien bei modischen Entwicklungen immer ein Stückchen voraus ist, dann stünden uns bärtige Zeiten ins Haus. Was uns in Genua außerdem auffiel, waren die großen Parkplätze, die eigens für Motorroller reserviert sind. Da standen jeweils dicht an dicht hunderte motorini an den Rändern von Straßen und Plätzen. Nicht Fahrräder lösen hier das Platzproblem, sondern Roller. Das Umweltproblem freilich lösen sie nicht.
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Schließlich kehrten wir an den Hafen zurück. Da warteten wir mit einigen anderen Reisenden verschiedener Schiffe, sahen den Händlern zu, die Ein-Euro-Ramsch und trockene Gebäckkringel verkauften, gingen in einem Mega-Supermarkt einkaufen, suchten vergeblich nach einem Restaurant, das nicht McDonalds hieß, liefen mal hierhin, mal dorthin, holten unsere Bordkarten im Schifffahrtsbüro und langweilten uns ansonsten ausgiebig, bis wir gegen neun Uhr abends in Richtung Schiff aufbrechen konnten. An der Sperre vor einer langen Fußgängerbrücke gab es nochmal eine Verzögerung, bis weit unter uns fleißige kleine Zugmaschinen den größten Teil der Sattelauflieger ins Schiff bugsiert hatten. Dann durften wir los, mussten die Fahrräder am Ende der Brücke hochkant in einem viel zu kleinen Aufzug nach unten schaffen und durften sie dann in den Bauch des Schiffes bringen, wo ihnen ein Platz neben einigen Motorrädern zugewiesen wurde.

Wir selbst fuhren mit dem Lift in die siebte Etage, wo uns ein beflissener älterer Stewart in eine ganz erstaunliche Kabine geleitete. Die war recht geräumig, holzvertäfelt, mit reichlich Schränken und Schubladen, einem großen Doppelbett, eigenem Bad mit Wanne und einem Fenster mit Blick auf das Vorderdeck und nach vorne über das Meer - jetzt, am Abend, allerdings nur auf das Hafenbecken und die Lichter der sich das steile Ufer entlangziehenden Stadt. Wir richteten uns ein und gingen wieder hinaus, um das Schiff zu erkunden, mit seinen endlosen Fluren, Treppenaufgängen, Sälen, Lounges, Salons und Decks. Es gab sogar einen Raum mit zahlreichen großen und kleinen Hundekäfigen und einen mit Regalen für Katzentransportboxen.

Das Schiff schien nur wenig mit Passagieren belegt zu sein. Fahrgästen, die nur Schlafsessel gebucht hatten, wurden per Lautsprecherdurchsagen lukrative Upgrades in Kabinen angeboten. Nach einiger Zeit gingen wir ins beinahe leere Restaurant und aßen feine Spaghetti mit Meeresfrüchten. Als wir uns kurz nach Mitternacht schlafen legten, zeigte das Navi, dass wir mit etwa 43 km/h reisten, uns aber noch nicht sehr weit vom Festland entfernt hatten.

Der Tag begann interessant.  Als wir starten wollten, war auf mysteriöse Weise fast alle Luft wieder aus den Reifen an Friederikes Fahrrad gewichen, die sie am Vortag noch extra hineingepumpt hatte. Also wurde nochmal gepumpt und das hielt. Dann verschätzte ich mich beim Aufsteigen mit dem Gepäck, blieb mit dem Fuß hängen, strauchelte, verlor durch die ungewohnte Beladung das Gleichgewicht und machte eine Bauchlandung. Passiert ist zum Glück weiter nichts. Nachdem so schon zwei größere Missgeschicke vorweggenommen waren, konnten wir getrost zum Bahnhof radeln. Die S-Bahn hatte etwas Verspätung, aber wir hatten wie immer großzügig geplant und kamen noch bei weitem früh genug zum Zug nach Verona. Der fuhr von dem berühmten Gleis 11, wo schon meine allererste Italienreise ihren Anfang genommen hatte, unzählige danach und nun also auch diese.

Es gab kein Fahrradabteil, sondern an beiden Enden der meisten Waggons je eine Aufhängung für ein einzelnes Velo. Das war ein wenig blöd, weil unsere Räder so an entgegengesetzten Enden des Wagens untergebracht waren. Zudem war die Aufhängung für mein etwas längeres Fahrrad zu niedrig, so dass ich es kopfunter mit eingeschlagenem Lenker aufhängen musste. Aber wir haben es geschafft und der Waggon war ziemlich leer.

Bis Rosenheim fuhr der Zug im Gespann mit einem anderen, der Budapest zum Ziel hatte. Diese Reihung, mit einer Lokomotive in der Mitte, scheint selten zu sein. Jedenfalls warteten entlang unserer Route mehrere Fotografen und Filmer, um uns abzulichten, einer stand sogar mit einer Trittleiter auf einem Feldweg. Etwa ab Innsbruck konnten wir anhand der GPS-Aufzeichnungen nochmal unsere Vorjahresroute verfolgen, auf der wir über den Brenner geradelt waren. Nur war die Landschaft diesmal winterlich und kahl.

Südlich des Brenner wurde der Schnee langsam weniger. Wir sahen Weingärten, in denen die einzelnen Triebe für das Jahr sorgsam aufgebunden, aber noch vollkommen kahl waren. Ähnlich standen auch die Spindelbäume der Apfelplantagen nackt und bloß und zugeschnitten da, bereit, vom Frühling erweckt zu werden. Einzelne Forsythien leuchteten gelb auf, ein paar weiße Sträucher kamen hinzu und brachten Farbtupfer ins Graubraun.

In Verona stiegen wir aus, bepackten unsere Räder, fuhren mit dem Lift hinunter und an Gleis 6 wieder hinauf zum Eurocity Richtung Genf, der uns nach Mailand bringen sollte. Es begann, spannend zu werden. Nicht nur, weil der Bahnsteig ziemlich voll wurde und wir wieder einmal raten durften, wo unser Wagen mit den Fahrradplätzen halten würde, sondern auch, weil eine Laufschrift auf allen Anzeigetafeln einen vierundzwanzigstündigen Eisenbahnstreik ankündigte, der am Abend beginnen sollte. Unser Zug kam und wurde ziemlich voll, aber die Leute wollten ihre großen Rollkoffer lieber bei sich haben und zwängten sich damit durch die Gänge. Die Gepäcknische im Eingangsbereich blieb somit zum Glück %frei für unsere Räder und einen gefalteten Kinderbuggy.

Südlich von Verona sahen wir die erste Obstbaumblüte. Der schweizer Zug mit Zielstation Genf war ziemlich eng gebaut und gut besetzt, vor allem mit Businesspeople, die jetzt, am frühen Abend, eifrig die Stromsteckdosen nutzten, um ihre Telefone nachzuladen. Einmal entstand eine Debatte über einen der reservierten Plätze. Es obsiegte ein junger schmaler Anzugträger mit Brille und Dreitagebart, an dem sein rosafarbenes iPhone und die bis aufs Blut abgenagten Fingernägel besonders auffielen. Neben mir saß ein Dicker in Nadelstreifen, mit halblangem graumeliertem Haar, der auf seinem iPhone einen modernen Western schaute. Gegenüber schlief eine gut gekleidete Dame mittleren Alters mit offenem Mund.

So gelangten wir nach Mailand und wollten uns erst einmal nach den Fahrgelegenheiten am Streiktag erkundigen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich in einem tieferen Stockwerk des riesigen Bahnhofs ein Servicecenter gefunden hatte, wo Wartenummern an die Auskunftsuchenden vergeben wurden. Meine Zahl war hoch genug, dass ich zu Friederike zurück gehen konnte, die mit den Rädern auf der Bahnsteigebene gewartet hatte. Wir nahmen einen Lift nach unten und postierten uns mit den Rädern vor einer der Anzeigetafeln, auf denen die Aufrufnummern zu den sechzehn Schaltern angezeigt wurden. Die Auskunft, die wir nach langem Warten endlich von einem müde wirkenden jungen Menschen erhielten, war lapidar: Ja, um 7:25 und um 12:25 würden Züge nach Genua verkehren, und nein, sie würden wohl nicht überfüllt sein. Unser Glaube war zu schwach, um angesichts des Streiks auf eine so einfache Weiterreise zu hoffen. Wir entschieden uns deshalb für den früheren Zug. Dann hätten wir bis zur Abfahrt unseres Schiffs am späten Abend noch einigen Spielraum, um auf Eventualitäten zu reagieren.

Das Navi führte uns brav zum Hotel Centrale an einer Seite des riesigen Bahnhofsgeländes. Zwei vor der Tür rauchende junge Araber erwiesen sich als das zuständige Personal. Die Fahrräder konnten wir in einem gesicherten Hinterhof parken, wofür immerhin je fünf Euro berechnet wurden. Das Zimmer für insgesamt also 83,- Euro war groß, modern und sehr sauber.

Wir richteten uns ein und gingen dann ein paar Häuser weiter zum Essen. Le Cose Particolari ist ein eher einfaches Lokal, wo Stammgäste zum Essen gehen. Eine rundliche Signora kocht, ein dienstergrautes Männlein mit dicker Brille bedient beflissen und hätte uns sicher gerne noch mehr gebracht, aber wir hatten Pizza Vegetariana bzw. Calzone Farcito und zwei Liter Wasser für 23,50 und waren zufrieden.

Wir liefen das kurze Stück zurück zum Hotel, programmierten unsere Wecker auf viertel vor Sechs und gingen zu Bett.
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An diesem letzten Tag der Reise mussten wir uns beim Frühstück beeilen, denn um 9:30 Uhr sollte der Bus in Richtung Heimat abfahren. Wir holten unsere Räder aus der Tiefgarage und da stand er schon, diesmal kein mittelgroßes Fahrzeug mit Anhänger, sondern ein Kleinbus, in dem vorne der Fahrer und die insgesamt sechs Fahrgäste sitzen konnten und wo hinter den Sitzbänken gut Platz für die Räder und alles Gepäck war. Alles wurde gut verstaut und dann ging es los, bis zum Brenner meist in der Nähe unserer Fahrradroute, so dass wir vielerorts die Wege nochmal sehen konnten, die wir zurückgelegt hatten.

Zeitweise ging es auch für uns etwas zäh dahin, aber vor allem in Gegenrichtung waren von Italien bis vor München oft riesige Staus. Wir hatten verabredet, dass wir nicht mit bis zum ZOB an der Hackerbrücke fahren müssten, sondern schon in Hofolding aussteigen konnten. Der Bus verließ kurz die Autobahn, wir stiegen aus und konnten das letzte Stück bei bestem Wetter bis nach Hause radeln.

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1430 km weit waren wir in diesen 21 Tagen insgesamt geradelt.

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Das Frühstück war eher unbefriedigend. Der Kaffee kam wieder einmal aus einem der Pulverkaffee-Automaten, wie wir sie auch schon in Moskau angetroffen hatten und schmeckte entsprechend, die gereichten Backwaren erinnerten in Geschmack und Konsistenz eher an Pappe. Das hier länger residierende Ferienvolk lässt sich anscheinend allerhand gefallen.

Wir reisten ab, deckten uns noch im Supermarkt um die Ecke mit Proviant ein und machten uns auf den nun schon wohlbekannten Weg in Richtung Chioggia. Auf den Straßen war allerhand los und auch die Straßenmeisterei und die Feuerwehr waren unterwegs, um Sturmschäden zu beseitigen. Bäume, Plakate und Verkehrsschilder waren in Mitleidenschaft gezogen.

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Vor Erreichen des eigentlichen Ortes Chioggia bogen wir entlang dem Flusslauf der Brenta westwärts ab und folgten dann auf einer mäßig zuverlässig beschilderten Fahrradroute dem Lauf des Bacchiglione. Hier war es angenehm ruhig.

Mit kurzen Abschnitten auf stärker befahrenen Straßen ging es so weiter, meist auf den Dämmen des Bacchiglione entlang. Selten kam Gegenverkehr.

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In den Randbezirken von Padova wurde das Angebot von Radwegen ziemlich abwechslungsreich. Mal war ein Schutzstreifen wechselnder Breite von der Fahrbahn abmarkiert,

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mal gab es breite gepflasterte Radwege, die unvermittelt endeten.

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Dann ging es wieder ganz ruhig an einem Kanal entlang.

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Schließlich waren wir mitten in Padova, an dem schönen Platz Prato della Valle.

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Da suchten wir uns eine Bank, ruhten eine Weile aus und fuhren dann weiter durch die Stadt bis zum Bahnhof.

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Die Zugfahrt nach Verona wurde das übliche Abenteuer. Der von Venedig kommende Zug schien recht gefragt zu sein, jedenfalls warteten mit uns noch recht viele andere Reisende und auch einige Radler. Und wie immer wusste niemand, ob der Zug ein Fahrradabteil führt, und an welchem Ende das gegebenenfalls ist. Wir hatten uns auf gut Glück für das vordere Zugende entschieden, sahen dort bei der Einfahrt des Zuges kein Fahrradsymbol, liefen also nach hinten, sahen dort auch keines, bekamen von einem Schaffner die Auskunft, es sei doch vorne, radelten also, klingelnd und rufend, damit uns die ausgestiegenen Fahrgäste Platz machten, wieder den ganzen Bahnsteig entlang nach vorne und kamen da endlich in einem recht unpraktisch möblierten Abteil unter, wo schon drei Rennradler aus Mailand ihre Räder hängend und stehend untergebracht hatten. Der Zug fuhr ab.

Mit Mühe arrangierten ein älteres italienisches Ehepaar und wir unsere Räder so um, dass sie, die nach Vicenza wollten, zuerst aussteigen konnten und so fuhren wir, bei unseren Rädern stehend, nach Verona. Dort ging es dann noch per Rad zum Hotel, das wir bereits bei unserer letzten Durchreise, gute zwei Wochen zuvor, gebucht hatten.

Abends holten wir nochmal unsere Räder aus der Tiefgarage, gondelten ein Wenig durch Verona, gingen in einer Slowfood-Trattoria am Rande der Altstadt gut und originell essen und gönnten uns zum Abschluss noch ein feines Eis.

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In der Nacht gab es kein Geräusch, als das gleichmäßige ferne Tönen irgendeiner Maschine in der nahen Konservenfabrik. Das störte nicht weiter und so haben wir sehr gut geschlafen.

Am Morgen ging es dann ohne Frühstück los, und erst in einem der nächsten kleinen Orte kehrten wir zu Kaffee und Croissants in einer Bar ein. In einem anderen kleinen Ort, Mesola, kauften wir eine Semmel und ein Stück Käse, in einem weiteren Ort gab es einen Obstladen, wo wir Trauben bekamen und prima reife Feigen vom eigenen Baum des Händlers.

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Danach kam ein ziemlich unangenehmes Wegstück, denn über die verschiedenen Arme und Kanäle, in denen Po und Etsch hier münden, gibt es nur die großen Brücken der Hauptstraße und so fuhren wir wieder einmal ständig überholt von schweren Lkw, die immer eine für Radler sehr irritierende Windschleppe hinter sich herziehen.

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Einige Male konnten wir auf Nebenstraßen ausweichen, aber die Rückkehr auf die schnell befahrene Hauptstraße ist  dann, vor allem von links kommend, auch immer ein Abenteuer der besonderen Art.

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Ein Problem an diesem Tag war, dass wir mangels Internetzugang im Hotel von Codigoro noch kein Hotel für die kommende Nacht hatten buchen können. Erst in Rosolina, wo wir Pause machten, gelang es mir, einen mobilen Internetzugang zum Roamingtarif zu aktivieren und Friederike buchte ein Zimmer in Rosolina Mare, das der Beschreibung nach nahe genug an Chioggia zu liegen schien, wo wir auf dieser Reise unbedingt einmal hin wollten, nachdem das vor zwei Jahren nicht geklappt hatte.

Ein Stück hinter Rosolina konnten wir dann endlich abbiegen. Auf einem Damm-Radweg ging es ziemlich holperig unserem Übernachtungsort Rosolina Mare zu. DCIM103GOPRODas Hotel Sole war auch schnell gefunden. Die Zimmer in seinen zwei Trakten haben sehr große Terrassen, die direkt aneinander grenzen. Die Gäste gegenüber schienen einen Hund zu haben, denn dort standen nicht nur eine Bierdose auf dem Tisch und Fress- und Trinknäpfe auf dem Boden, sondern die Terrasse zierten auch zwei beachtliche Hundehaufen.

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Friederike wollte ins Meer, also machten wir uns mit leichtem Gepäck auf zum Strand. Während sie schwamm, guckte ich mir das bunte und vielfach belustigende Strandleben an.

20150820_160431Für den Abend hatten wir uns, wie gesagt, Chioggia vorgenommen, und wir ließen uns auch nicht davon abschrecken, dass die gemessene Entfernung etwas über zwanzig Kilometer betrug. Die Schnellstraße nach Möglichkeit meidend, gelangten wir schließlich dort hin, machten einen kleinen Rundgang in der wirklich sehr malerischen Stadt und setzen uns schließlich, abseits des Touristenstroms, vor eine kleine Trattoria, wo wir gut mit einem Meeresfrüchte-Menü beköstigt wurden.

20150820_192130Die Wirtin wurde wegen der rasch einsetzenden Dunkelheit schon etwas nervös, aber uns schienen die Wolken noch weit genug entfernt, um sicher zurück ins Hotel zu kommen.

Während unserer Fahrt begann beinahe ringsum in der Ferne Wetterleuchten, aber es blieb trocken und kräftiger Wind blies uns voran. Das ging so lange gut, wie wir nach Südwesten fuhren. Das letzte Stück von knapp zehn Kilometern allerdings begann in entgegengesetzter Richtung und nun machte uns der ständig stärker werdende Wind schwer zu schaffen. Als Blitz und Donner immer näher kamen und rasch heftiger werdender Regen einsetzte, nahmen wir schnell Zuflucht zu einem einzeln stehenden Haus und suchten Schutz in der wetterabgewandten Türnische eines Anbaus mit einem kleinen Dachüberstand.

Bald blitzte und donnerte es in unmittelbarer Nähe, der Sturm riss Zweige von den Bäumen und trug sie mit sich fort, dem heftigen Regen gesellte sich Hagel bei und schließlich lief die Dachrinne unseres Refugiums über und wir wurden, so sehr wir uns auch in die Nische drückten, auf der Vorderseite gut durchnässt.

Als der Regen nachzulassen begann, machten wir uns auf den restlichen Rückweg. Im Hotel hatte der Sturm auf unserer Terrasse die schweren stählernen Stühle und unsere frisch gewaschene Wäsche verblasen und fremde Handtücher herbeigeweht. Wir räumten etwas auf, zogen trockene Kleider an und gingen für einen Abendtrunk in die Hotelbar. Studio_20150823_150503

Nachts war es laut gewesen. Gegenüber dem Hotel befand sich eine Kneipe namens Woodstock und die dortigen Gäste unterhielten sich bis weit nach Mitternacht lautstark. Auch später waren noch lärmende Leute auf der Straße und schon früh kamen Straßenreinigung und Müllabfuhr.

Wir fuhren noch einmal zur Piazza, um sie bei Tage zu sehen, dann hinaus aus der Stadt. Unterwegs fanden wir in einer Wohnanlage mit einigen kleinen Läden unseren Proviant. Wir essen noch immer kiloweise Weintrauben, aber langsam ist unser Appetit darauf gesättigt.

Nachts hatte es geregnet. Der Himmel war bedeckt und es war bedeutend kühler als in den letzten beiden Wochen, aber nur in Pausen zogen wir unsere Windstopper-Jacken an. Während der Fahrt genügten immer noch Hemd oder T-Shirt.

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Nach einiger Zeit erreichten wir die Valli di  Comacchio, einen großen See im Nationalpark des Po-Deltas. Meist auf Dämmen fuhren wir durch eine sonst völlig ebene Landschaft. Einmal mussten wir auf einer kleinen Fähre einen Kanal überqueren.

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Wir sahen Reiher, Möven, Flamingos, Fasanen, einen Hasen. In dem lagunenartigen See lagen zum Teil verfallene Häuser auf künstlich angelegten kleinen Inseln.

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Wir kamen in Comacchio  vorbei, das mit seinen malerischen Kanälen vor allem bei deutschen Touristen sehr beliebt zu sein scheint und ließen uns dort bei einem Brunnen zur Brotzeit nieder.

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Etwas ferner sahen wir die mächtigen Wasserstrahlen von großen Bewässerungsanlagen und als wir wieder auf größere Straßen kamen, überholten uns wieder, wie schon neulich, die hoch überladenen Lkw, die eine Spur einzelner verlorener Tomaten hinterließen, in Kurven und Kreisverkehren hätte man sich für so manche Mahlzeit mit Soßentomaten eindecken können.

Nach einer nervenbelastenden Fahrt auf der Fernstraße, ständig überholt von riesigen Lastzügen, gelangten wir schließlich zur Abtei von Pomposa, die wir vor einigen Jahren bereits besichtigt hatten. Hier hielten wir uns länger auf, denn die ursprünglich auf über 100 km berechnete Tagesetappe hatten wir zwar deutlich verkürzt und waren schon früh in Zielnähe, aber wir hatten telefonisch Nachricht erhalten, dass das Hotelzimmer erst um 18 Uhr beziehbar sei.

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Der Weg dorthin wurde allerdings recht lang, denn in dem Bemühen, auf den letzten zwei Kilometern die schreckliche Hauptstraße zu meiden, verhedderten wir uns auf Feldwegen. Das Hotel schließlich war modern, das Zimmer geräumig, aber es war doch ein Reinfall, denn es gab weder das im Internet abgebildete Restaurant, noch überhaupt eine Internetverbindung, was unsere weiteren Planungen, einschließlich Hotelbuchung für die darauffolgende Nacht, erheblich beeinträchtigte.

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Das Hotel, vor nicht allzu langen Jahren wohl mit großen Erwartungen und einem schmucken Restaurant erbaut, liegt am Rande eines Gewerbegebietes, das auch Ziel von vielen Tomatenlastern ist, die sich dort in einer Konservenfabrik entleeren.

Zum Abendessen mussten wir nochmal zurück zur Abtei, wo es ein kleines, etwas prolliges Restaurant gibt. Diesmal nahmen wir den umständlichen aber Lkw-freien Weg über die Dörfer und so hatten wir am Ende des Tages die 100 km doch fast erreicht.

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