Springe zum Inhalt

Am Morgen schien die Sonne in unser nettes kleines Häuschen, aber auf der Nordseite sah man schon finstere Wolken aufziehen und als wir nach dem opulenten selbstgemachten Frühstück unsere Räder bepackt hatten und wieder losfuhren, ging ein kräftiger Schauer nieder. Langsam wurde es aber besser und am Nachmittag fuhren wir meist in der Sonne. Die Route führte in die Nordseedünen bei Petten, dann Richtung Callantsoog. Faszinierende Landschaft mit karger Vegetation, Kiefern, Erika, niedrige Rosengewächse, in ihrer Rauheit für den alpinen Bergwanderer irgendwie vertraut und natürlich doch anders. LeuchtturmDarüber Möwen, die gierig auch unserer Brotzeitpause in Callantsoog beiwohnten, dazu putzige kleine Dohlen, eine Schar Stare und natürlich Spatzen. Ab Huisduinen fuhren wir dann direkt am Meer entlang und sahen draußen die Inseln. Den Helder ist hauptsächlich Hafen und Militär(museum), aber mit Hilfe des Tourist Office haben wir ein sehr nettes B&B in einem Reihenhaus-Vorort gefunden. Die Suche nach Abendessen endete beim 08/15-Chinesen, weil alle anderen Restaurants sehr teuer waren oder geschlossen hatten. Dabei war uns unterwegs gelegentlich der Duft von Fish&Chips in die Nase gestiegen und das hatte uns Appettit gemacht. Vielleicht beim nächsten Stop.

Track Warmenhuizen - Den Helder(GPX-Track)

Ein stürmischer Tag. Schon beim Losfahren mussten wir Laubwerk und Zweigen ausweichen, die der Sturm in der Nacht von Allebäumen abgerissen hatte. Und da wir in Richtung Norden und Nordwesten unterwegs waren, fuhren wir die meiste Zeit gegen den kräftigen Wind und kamen nur langsam voran. Gelegentlich war es sonnig, aber auch einige kräftige Schauer gingen nieder, zu kurz, als dass es sich gelohnt hätte Regenzeug anzuziehen, aber stark genug, um nach Möglichkeit wenigstens den Schutz eines Baumes zu suchen.

Wir fuhren von von Heemskerk wieder in Richtung Meer und durch die Dünenlandschaft nach Norden. Dann wieder landeinwärts nach Alkmar, wo wir endlich eine brauchbare Fahrrad-Landkarte bekamen, die den Rest unserer Reise abdeckt. Dann ging es weiter nordwärts, bis wir schließlich in Warmenhuizen ankamen und dort nach einigem Suchen und Fragen tatsächlich ein hübsches kleines Ferienhäuschen bekamen. Frisches Kiefernholz, ein Wohnraum mit Kochzeile, zwei Schlafkammern und ein kleines Bad. Der rustikale Jan zeigte uns alles, die Bewohner des Nachbarhäuschens guckten neugierig, wir luden unser Gepäck ab und radelten zurück in den Ort, um ein paar Sachen einzukaufen. Montags haben hier offenbar viele Lokale geschlossen, aber schließlich fanden wir einen freundlichen (und etwas salzverliebten) Chinesen, wo wir zu Abend essen konnten, ehe wir in unser Häuschen zurückkehrten.

Track Heemskerk - Warmenhuizen(GPX-Track)

Das Frühstück beim B&B Witte Singel in Leiden gab es im schönen Wohnzimmer des Hauses zwischen Flügel und Bücherschrank, unter Gemälden aus eigener Produktion der Familie. In der Nacht hatte es zum Teil sehr kräftig geregnet, jetzt schien es trocken bleiben zu wollen. Wir fuhren aus Leiden hinaus in Richtung Nordsee und dann durch faszinierende Dünenlandschaft mit kräftigem Rückenwind nordwärts. Zwischendurch gab es starke Regengüsse, so dass wir mit windgeblähten Capes dahinsegelten. Bei Haarlem fuhren wir landeinwärts in die Stadt und besuchten das Frans-Hals-Museum.

Dann ging es weiter nordwärts, bis wir etwas unvermittelt an eine Fährstation am Nordsee-Kanal kamen. Wir schaften es gerade noch in einen kleinen gläsernen Warteunterstand, bevor orkanartiger Sturm und ein wahrhaft sintflutartig fast waaregercht über den weiten Platz peitschender Regen ihre volle Kraft entfalteten. Als das Unwetter wieder etwas nachgelassen hatte, kam die Fähre und wir setzten über. Durch ländliche Gefilde kamen wir schließlich nach Heemskerk, wo die Stayok-Jugendherberge in einem alten Rittergut, dem Slot Assumburg, untergebracht ist.

Abendessen gab es im Haupthaus mit Blick in die Landschaft, abendliches Bier in einem urigen Rittersaal, unser Zimmer nach inzwischen wohlbekanntem Stayok-Standard lag in einem "Orangerie" genannten Nebengebäude, die Fahrräder parkten eng aneinandergestellt und mit dem in Rotterdam neu erworbenen mächtigen Schloss holländischen Standards gesichert draussen vor der Tür.

Track Leiden-Heemskerk(GPX-Track)

Das GPS hat den Weg aus Rotterdam hinaus prima gefunden. Größtenteils an Kanälen entlang und durch Siedlungsgebiet, nur selten ländlich kamen wir nach Den Haag, wo wir im Binnenhof, zwischen den beiden Häusern des niederländischen Parlaments, Brotzeit machten. Dann ging es weiter, wieder aus der Stadt hinaus, und schließlich gab es sogar Kühe und Schafe und weites offenes Land. So kamen wir schließlich nach Leiden und fanden schnell das kleine B&B, wo wir Zimmer bestellt hatten. Leiden ist sehr hübsch, malerisch und richtig gemütlich, gemessen an den Großstädten, in denen wir zuletzt waren. Keine Wolkenkratzer, sondern hauptsächlich zwei- oder dreistöckige Häuser, viel spielt sich auf den Kanälen ab, deren enges Netz die Stadt durchzieht. Man spürt die altehrwürdige Universität daran, dass viel Jugend unterwegs ist, und an der vielfältigen Gastronomie.

Die Nähe des Meeres bemerkt man durch die allenthalben vorkommenden großen Möven. Ein wenig künstlich wirken sie mit ihren klaren Farben, dem glatten Weiß des Gefieders, dem gelben Schnabel mit der Hakenspitze und den blassroten Füßen mit den Schwimmhäuten. Durchaus echt ist die Fressgier, mit der sie an Mülltüten zupfen, überall sofort zugegen sind, wo etwas auf den Boden fällt, mit ihrem etwas böse blickenden kleinen grauen Auge den Essenden beobachten. Ihre heiseren Schreie begleiteten uns in den Schlaf.

Track Rotterdam-Leiden(GPX-Track)

Gelegentlich hörten wir Leute, die sich auf den Bänken vor dem Eingang unter unserem Fenster unterhielten, sonst war die Nacht ruhig. Das Frühstück offenbar Stayok-Standard, mit dem gleichen klebrigen Dunkelbrot, aber diesmal gab es auch frisch aufgebackene Semmeln.

Rotterdam - Altes Frachtboot vor Skyline

Das Wetter kühl, aber trocken. Wir besorgten uns Tagesfahrkarten für die öffentlichen Verkehrsmittel und fuhren mit einem Umweg übers Touristenbüro am Bahnhof zum Museum Bojimans Van Beuningen. Die Dauerausstellung zeigt von allem etwas, von alten bis zu neuen Meistern, von mittelalterlichen Kruzifixen über chinesische Vasen bis zur Olivetti-Schreibmaschine. Etwas Rembrandt, etwas Canaletto, etwas Dali, etwas von Kandinsky. Mehr oder weniger bekannte Werke in etwas beliebiger Zusammenstellung. Wirklich spannend war eine Installation von Olafur Eliasson in drei großen dunklen Sälen. Starke Lampen schienen schräg auf große Wasserflächen, das reflektierte Licht beleuchtete Leinwände, auf denen sich die Wellenmuster des Wassers abbildeten. Durch Betreten einzelner Bodenbretter konnten die Besucher leichte Wellen der Wasserfläche auslösen, die dann in der Projektion sichtbar wurden.

Rotterdam SkylineDen Rest des Tages verbrachten wir mit Trambahning, Shopping und Sightseeing und zu Abend landeten wir im "Bazar", einem orientalisch angehauchten Großrestaurant, wo wir recht gut und reichlich aßen. Da war dann der Tag in Rotterdam schon wieder zu Ende.

Der geplante Besuch von Sehenswürdigkeiten, der Kirche in Dordrecht und der Windmühlen in Kinderdijk, fiel heute dem Wetter zum Opfer. Es war zwar warm, aber es regnete immer wieder, teils auch sehr heftig, wir fuhren also meist in Regenkleidung und boten so dem kräftig blasenden Westwind besonders viel Angriffsfläche. Vor allem auf den längeren Streckenabschnitten, die wir ohne natürlichen Windschutz auf den Deichen des Lek entlangfuhren, kamen wir nur langsam voran. In Schoonhoven machten wir Pause, kauften bei einem Spar-Supermarkt etwas zu Essen ein und setzten uns gegenüber unter ein Zeltdach. Es gehörte zu einem Event, für den der ganze Platz in ein Strandgelände verwandelt worden war. Mit jeder Menge Sand und Beachvolleyball-Feldern, die durch den Regen zu schwerem Gelände geworden waren.

Auch auf dem Damm wurde es bald schlammig. Über viele Kilometer hin wurde er neu befestigt. Schwere Baumaschinen waren unterwegs, bewegten Erde, rammten Spundwände ein. Die Straße war aufgewühlt und als wir es, alle Umleitungshinweise missachtend, schließlich ans Ende der Baustrecke geschafft hatten, waren Räder, Schuhe und Hosen schlammbedeckt.

Rotterdam Skyline

Rotterdam kam nahe. GPS-geführt fanden wir zur und in die Stadt, staunten über eine Moschee mit zwei recht ansehnlichen Minaretten, über markante Hochhausarchitektur, Hafenkräne, Schnellstraßen und gelangten schließlich zu dem auffälligen Kubushaus, in dem wir wohnen sollten. Der Eingang zum Stayok Hostel allerdings lag so versteckt, dass wir lange Zeit suchen mussten, bis wir ihn gefunden hatten.

Stayok RotterdamDas Gebäude ist architektonisch sehr extravagant, um den Preis ungünstig geschnittener Nutzflächen. Unser Zimmer ist zwar in Schulterhöhe recht weit, am Boden durch die äußere Form des auf einer Ecke stehenden Würfels aber so eng, dass wenig Platz für Gepäck bleibt. Immerhin haben wir eine Toilette, eine Dusche und ein kleines rundes Edelstahl-Waschbecken. Für die Räder gibt es ein winziges Kabuff, das aber gut verschlossen ist. Wir richteten uns ein und gingen dann wieder hinaus in den Regen, um etwas zu Essen zu suchen. Nach einigem Wandern durch Wolkenkratzerlandschaften wurden wir bei Zatkini in der Witte De Wittstraat freundlich bedient.

Track Utrecht-Rotterdam(GPX-Track)

Am Nachmittag war über der münchner Innenstadt ein Unwetter niedergegangen und vielleicht kamen davon die S-Bahn-Störungen, die über den Newsticker gemeldet worden waren waren und wegen deren später Ausläufer wir am ottobrunner Bahnhof warteten und uns die wie immer abwegigen Verspätungsmeldungen aus dem Lautsprecher anhören mussten, die so gar nicht mit den Verspätungsanzeigen an den Monitoren übereinstimmten, welche eher moderat waren und viel besser zu unseren Wünschen passten, denn wir hatten zwar großzügig geplant, aber irgendwann würde es dann doch Zeit sein, zum Hauptbahnhof zu gelangen und den Zug zu erreichen, der uns und unsere vollbepackten Fahrräder nach Amsterdam bringen sollte. Aber die S-Bahn kam, wir erreichten noch leicht unseren Zug, verstauten die Räder an ihren reservierten Plätzen, installierten uns selbst auf unseren etwas schmalen und etwas harten Liegen und rauschten fort in die Nacht. Das Geräusch der Ventilatoren übertönte den nur sehr gedämmt hereindringenden Schienenlärm und der kühle Luftstrahl ließ uns Erkältungen fürchten. Wir dösten im Schunkeln und Rütteln der Fahrt und irgendwann müssen wir wohl eingeschlafen sein.

Kanal bei BreukelenAm Vormittag erreichten wir Amsterdam. Wir beluden unsere Räder, schoben sie auf den Bahnhofsvorplatz, ich schaltete das bereits zuhause anhand der VeloMap Netherlands programmierte Navi ein und war sehr gespannt, wie es uns aus der Stadt hinaus und nach Utrecht führen würde. Es wurde eine interessante Tour. Nach einer etwas abenteuerlichen Platzüberquerung und einem ganz kurzen Stück entlang einer Hauptstraße landeten wir in engen Gassen, in denen sich ein Lokal ans andere reihte, fanden beim Nieuwmarkt Frühstücksgebäck und Kaffee und fuhren dann an Grachten entlang, über Zugbrücken, durch Wohnviertel mit kleinen Häusern und kitschigen Vorgärten und durch aufgeräumt aussehende Großsiedlungen hinaus zu dem hochmodernen Viertel beim Fußballstadion und weiter aufs Land zu weidenden Kühen und Schafen, ländlichen Siedlungen mit kleinen Kanälen und üppigen Hortensienbüschen und schließlich bei Vinkekade auf einen langen Damm über dendiedas Vinkeveensche Plassen, wo die endlos lange gerade Straße links und rechts von zum Teil sehr exklusiv aussehenden Villen gesäumt ist, hinter deren gepflegten Gärten man gelegentlich die weite Wasserfläche erspähen kann. Dann wieder Polder mit Schafen, die sich in der steifen Brise flach an den Boden kauerten und dösten. Schließlich Breukelen. Dann Utrecht.

Man ahnt größere Städte ja von weitem. Die Straßen werden breiter und zahlreicher, Bahnlinien kommen heran, man fährt durch Gewerbegebiete. Das erste Gewerbegebiet, mit dem uns Utrecht empfing, fiel uns zuerst nur durch einen merkwürdigen Stau von Autos auf, die sich durch die Wendeschleife am Ende einer schmalen Straße schoben. Als wir ein Stück weiter den parallelen Radweg entlanggefahren waren, verstanden wir den Grund: den Kanal entlang lagen in endloser Reihe kleine Hausboote mit großen Schaufenstern, in denen Frauen aller Hautfarben und jeglicher Gewichts- und Altersklassen spärlich bekleidet ihre Dienste darboten. In den Autos promenierten potentielle Kunden die Straße entlang. Hin, Wendehammer, zurück, Wendehammer, wieder hin und so fort. Im Weiterfahren begegneten uns einige so auffallend ausstaffierte Radlerinnen, dass wir den Eindruck gewannen, auch die Damen des horizontalen Gewerbes fahren hier, wie sonst auch so viele, mit dem Fiets, dem Fahrrad, zur Arbeit. Bald gelangten wir ins Zentrum von Utrecht, wurden vom Navi in teils überraschenden Windungen hindurch und wieder hinausgeführt und mussten dann etwas im Kreis fahren, bis es uns gelang, den Fehler in der berechneten Route zu überwinden und den Weg nach Bunnik einzuschlagen. Kurz vor dem Ziel nochmal ein paar Missweisungen des nach einem langen Arbeitstag vielleicht schon etwas erschöpften Gerätes, so dass wir fast ins Streiten geraten wären, bis wir am Ende doch noch die idyllisch im Wald gelegene Jugendherberge, das Stayok Hostel erreichten. Wir waren nach Jugenherbergsregeln etwas zu früh dran und mussten etwas vor dem Haus warten, bis wir einchecken durften . Mehrere Gruppen in Schulklassenstärke waren auf dem Gelände. Am Tisch nebenan ein Vater mit Sohn, die auch mit dem Rad gekommen waren. Der Sohn blickte streng und mürrisch, als wäre er zur Strafe da. Schließlich bezogen wir unser Zimmer in einem etwas abgelegenen Haus, richteten uns ein und radelten wieder in die Stadt. Wir gondelten etwas herum, saßen eine Weile auf dem Platz zwischen Universität und Dom und holten uns schließlich bei "Wok to go" Essen in Pappschachteln, das wir gleich auf einer Bank vor dem Lokal verspeisten. Das Abendbier gab's dann in der Bar vom Stayok und ungewöhnlich früh lagen wir in den Stockbetten.

Track Amsterdam - Utrecht(GPX-Track)

Das Appartement in Mainburg war wirklich sehr nett und obendrein absolut günstig. Morgens drehten wir noch eine Runde durch den Ort, um ein paar Einkäufe zu erledigen. Die Stadt macht einen wohlhabenden Eindruck und ihre Bürger fahren offenbar nicht ganz billige Autos. Der örtliche Rotary Club hatte gerade eine  Kunstmeile 2010 initiiert, von deren Ausstellungsstücken wir einige zu Gesicht bekamen. Besonders nett ein "Fluss-Bett" von Minyoung Paik aus Südkorea.

Kunstwerk von Minyoung Paik

Diese Aktion wurde durch das Hochwasser, das in diesen Tagen auch das Flüsschen Abens führte, nicht beeinträchtigt, wohl aber unsere spätere Weiterfahrt durch Überflutungen an der Isar.  Zunächst ging es vom Wasser unbehelligt, aber unterbrochen durch zahlreiche von der Radwegführung erzwungene Wechsel der Straßenseite entlang der "Deutschen Hopfenstraße" gut voran. Ab Rudelzhausen folgten wir dem Hennebach und kamen über Tegernbach nach Nandlstadt, von dort am Kühbach entlang nach Gründl und von dort aus immer am Mauerner Bach nach Mauern und schließlich nach Moosburg.  Von dort wollten wir nach einer kurzen Pause weiter in Richtung München, aber in den Isarauen waren die Radwege überflutet, so dass wir für unseren Weg nach Freising eine hügelige Route einschlugen: Grünseiboldsdorf, Nieder- und Oberhummel, Hangenham, Marzling. Das war zwar auch schön, aber in der Hitze sehr viel anstrengender zu fahren, als die ebene und schattige Route durchs Isartal. So kamen wir nur langsam voran und entschieden schließlich, die Reise bereits in Freising mit einem Biergartenbesuch zu beenden und dann mit der S-Bahn nach Hause zu fahren. Der Schlamm der Regentage an unseren Fahrrädern war inzwischen gut getrocknet.

Fahrradreinigung nötig

Zustand nach 466 Reisekilometern in Regen und Sonnenschein

Das Brook Lane Hostel in der namensgebenden Oberen Bachgasse in Regensburg ist eine einfache aber durchaus originelle Bleibe. Die Wohnungen eines ehemaligen Altstadt-Mietshauses wurden so umgewandelt, dass die Zimmer einzeln vermietet werden, bei jeweils gemeinsamer Nutzung von Küche und Bad der ehemaligen Wohnung. Es gibt auch ein Appartement für Zwei, aber das war bereits belegt, so dass wir ein einfaches Zimmer in einer solchen "WG" bekamen. Von unseren "Mitbewohnern" sahen wir nichts, nur spätabends wummerte einmal jemand gegen die Tür und begehrte Einlass. Er hatte sich wohl, nicht mehr ganz nüchtern, in der Tür geirrt. Als wir morgens aufstanden, waren wir allein und hatten Bad und Küche für uns. Teebeutel, Zucker und Gerätschaften waren vorhanden, Hörnchen und dergleichen gab es in einer nahen Bäckerei. Gefunden hatten wir das Brook Lane via Internet, als wir von unterwegs aus suchten, um am Ende des Regentages eine trockene Bleibe zu haben. Der Empfang war freundlich und unkompliziert, die Lage zentral, der Preis günstig und so ließ sich der kleine Komfortverzicht für eine Nacht gut verschmerzen.

Nach dem Regenwetter der letzten Tage war dies der erste wunderschöne Sonnentag der Reise. Wir kauften noch eine Landkarte für den weiteren Reiseverlauf und setzen uns auf den Kohlenmarkt zum Morgenkaffe. Touristengruppen zogen durch die Stadt. Wir wollten Regensburg entlang der Donau verlassen, aber als wir bei der Steinernen Brücke ans Ufer kamen, war der Weg überflutet und wir mussten eine Ausweichroute suchen.

Morgenkaffee am KohlmarktHochwasser an der Steinernen Brücke

Prüfening, Pentling, Matting, Bad Abbach. Bis Saal, kurz vor Kelheim, versuchten wir dann nur noch einmal, den Donauradweg zu nehmen, nachdem ein alter Mann gesagt hatte, er sei passierbar. Das war leider falsch, wir bekamen nasse Füße und kehrten um. Eine Entenfamilie paddelte dort, wo der Radweg gewesen war. In Saal verließen wir die Donau und folgten dem Radwanderweg Kelheim-Abensberg. Die Landschaft wurde hügelig und abwechslungsreicher als am Fluss. Es ging immer parallel zur B 16 über Oberteuerting weiter, bei Arnhofen über die Bundesstraße und hinein nach Abensberg. Leider ist dieser Weg nicht so gut beschildert wie die bisherigen, so dass wir manchmal anhalten mussten, um uns zu orientieren. In Abensberg gönnten wir uns eine Kaffepause. Dann ging es auf dem Abens-Radweg weiter, der dem namensgebenden Flüsschen meist nicht unmittelbar folgt, sondern in einiger Entfernung über die Hügel führt. So mussten wir hier nur an einer Stelle einen kurzen Umweg nehmen, um dem Hochwasser auszuweichen. Allersdorf, Rappersdorf, etwas verwirrend durch Siegenburg hindurch und nach Train.

Abens-RadwegPause am Abens-Radweg

Zwischen Elsendorf und Ratzenhofen sahen wir die ersten Hopfengärten der Holledau. Teils waren die Leute damit beschäftigt, Gräben zu ziehen, durch die das in den Äckern stehende Wasser abfließen sollte. Nach dem Dauerregen der letzten Tage waren auch höher gelegene Felder zu Sümpfen geworden. In einer Senke stakte eine Storchenfamilie über ein Feld, auf dem das Wasser stand.

So gelangten wir schließlich nach 75 Tageskilometern in Mainburg an. Der Ort machte einen hübschen Eindruck, aber die beiden Hotels am Platz waren belegt. Per Internet fanden wir dann noch ein sehr nettes ruhiges Appartement in einer Seitenstraße. Die freundliche Wirtin wollte noch das Zimmer herrichten und schickte uns derweil zum Abendessen. Das fanden wir in der in Küche und Ambiente bemerkenswert originalgetreuen Pizzeria La Piazza. Es war wirklich wie in irgendeiner Kleinstadt in Italien. Wirt und bedienender Neffe so italienisch, als seien sie eben erst nach Deutschland gekommen. Wir saßen draußen und um den Kreisverkehr dröhnten jede Menge tiefergelegte Sportwagen auf Abendpromenade, auch ein dickes Motorrad mit lauter Schlagermusik kam mehrmals vorbei. Als die Sonne hinter den Häusern verschwand, wurde es bald kühler, so dass wir uns zum Abendtrunk nach drinnen verzogen. Im Gastraum einfach gedeckte Tische, hinten ein weitgehend leerer Raum mit einem riesengroßen Fernseher und ganz am Ende die düster beleuchteten Toiletten. Italien in der Holledau. Ganz wunderbar.

Die Nacht über regnete es. Als wir morgens früstückten, schien es kurz nachzulassen, aber bis wir losfuhren war der Regen so stark, dass wir Regenkleidung brauchten. Und so sollte es, mit ein paar kurzen Pausen, den ganzen Tag bleiben. Auch die Fronleichnamsprozession, für die schon alles dekoriert und hergerichtet war, fiel ins Wasser. Die Tücher unter den Fenstern, mit denen einige Häuser geschmückt waren, hingen nass und schlapp herunter und die in manchen Straßen aufgestellten jungen Birken blieben unbesungen. Schade drum.

Der Main-Donau-Kanal zieht hier in schönen Schleifen durch das Tal und der Radweg folgt seinem Lauf. Seitenarme und Altwasser bieten gute Brutplätze und so sahen wir auch heute Familien von Schwänen, Gänsen und Enten, einige Reiher und einmal sogar einen einzelnen schwarzen Schwan. Einige von Bibern angenagte Bäume sahen wir auch, und über eine weite Strecke waren die Stämme in Wassernähe mit Drahtnetzen gegen die Nager gesichert.

Natürlich ist es viel schöner, bei Sonnenschein zu radeln, aber wenn man die Aussicht hat, am Ende an einem trockenen und warmen Ort anzukommen, ist auch ein Regentag erträglich. Um uns diese Perspektive zu sichern, bestellten wir schon gegen Mittag telefonisch ein Zimmer in Regensburg.

In Kelheim fuhren wir in die schmucke Altstadt und gönnten uns einen Kaffee. Dann ging es weiter, immer am Fluss entlang, der nun die Donau war. Kurz nach Sinzing überquerten wir die Naab, die hier mündet. Dann war es nur noch ein kurzes Stück, allerdings wegen einer Brückenbaustelle etwas verwirrend. Wir kamen an der Eisernen anstelle der Steinernen Brücke über den Fluss, fanden aber dann sofort den Weg zum Brook Lane Hostel, das seinen Namen nach der Oberen Bachgasse hat, in der es liegt.

Nachdem wir die Fahrräder verstaut, das Zimmer bezogen, frische Kleider angelegt und die nassen Sachen zum Trocknen aufgehängt und ausgebreitet hatten, machten wir uns auf zu einem Stadtrundgang. An der Donau waren Arbeiter an einigen besonders tief gelegenen Stellen damit beschäftigt, Barrieren gegen ein mögliches Hochwasser zu errichten. Der Fluss stand ziemlich hoch und am gegenüberliegenden Ufer war schon eine Wiese überflutet. Auch die dicken Stämme einiger Weiden wurden bereits umspült. Die werden das schon ein paarmal erlebt haben.

Donauhochwasser in Regensburg

Am Dom wollte man nichts mehr von uns wissen, der macht um 18:00 Uhr zu. In der Neupfarrkirche übte jemand Orgel. Vor der Kirche erinnert ein Denkmal, das den Grundriss einer alten Synagoge nachzeichnet, an die Juden, die hier gelebt hatten und in einem Pogrom im 16. Jahrhundert vertrieben worden waren. Eine Tafel am Straßenrand erklärt die geschichtlichen Gegebenheiten und das Monument, sagt, dass die Regensburger es "voller Dankbarkeit und Achtung" angenommen hätten und bittet - irgendwie paradox in dieser Ausdrücklichkeit - darum, "diesen Ort sauber zu halten und jede Beschädigung zu vermeiden". Der Platz werde videoüberwacht.

Synagogendenkmal in RegensburgInfotafel am Synagogendenkmal in Regensburg

Während ich da stand, kümmerten sich drei junge Frauen um eine verletzte oder kranke Taube, die auf der Straße saß. Ein Männchen nutzte ihre Hilflosigkeit und versuchte, sie zu begatten. Sie flatterte auf den Rand des Denkmals, das sich flach auf dem Boden ausbreitet. Als sich die Frauen näherten, flog sie auf und suchte Schutz auf einem Sims über dem Schaufenster eines Geschäfts. Auf dem weissen Stein des Synagogendenkmals blieb ein kleiner roter Fleck von Taubenblut zurück.

Als wir nach dem Abendessen nochmal zur Donau schauten, war das Wasser noch ein ganzes Stück gestiegen, hatte aber nicht den Uferweg erreicht.