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Das Wetter hatte sich über Nacht deutlich gebessert. Der Himmel war überwiegend blau und der Blick aus dem Hotelfenster zeigte nur noch vereinzelte Wolken.

Blick aus dem HotelfensterWir holten unsere Fahrräder aus der etwas entfernten Garage, packten auf, suchten eine Bäckerei für Frühstücksteilchen, die wir auf einer Mauer sitzend verspeisten und gingen dann noch einmal ins "Perigord" zum Milchkaffee - ein Frühstücksritual, das wir auf Reisen in Frankreich gerne pflegen. Dann suchten und fanden wir noch einen Laden mit Mineralwasser und schließlich ging es auf vorwiegend kleineren Straßen, dafür aber manchmal etwas bergauf und bergab in Richtung Périgueux. An einigen Stellen ließ sich die Hauptstraße nicht vermeiden, aber die waren zum Glück recht kurz. Hier sind alle eilig unterwegs und auch schwere Lastzüge überholen oft unangenehm knapp und erzeugen einen kräftigen Luftwirbel, den man ausbalancieren muss. Beim Radeln ist für uns der Weg das eigentliche Ziel, deshalb schlängen wir uns wenn möglich über Land und durch kleine Siedlungen und Dörfer. Nur auf den letzten Kilometern in eine Stadt lassen sich hier die größeren Straßen kaum vermeiden.

Brücke über L'Isle bei AstierIn Périgueux erfuhren wir im Touristenbüro, dass viele Unterkünfte schon ausgebucht waren und nahmen kurzer Hand ein Zimmer im Etap-Hotel, das hier kein Neubau und nicht ganz so steril ist, wie in Dresden oder Genf. Dann machten wir einen Rundgang durch die Stadt, freuten uns über Kinder, die trotz großer Badeverbots-Schilder in einem Brunnen herumtobten, und besichtigten die Reste der alten römischen Siedlung und andere historische Ruinen.

Brunnen in PerigueuxSchließlich fanden wir einen netten Platz mit vielen Lokalen, wo wir den Tag bei einem frischen Bier und anschließend bei einem vorzüglichen Essen im "Les Cigales" ausklingen ließen.

Alte Ruinen

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Morgens war es noch trocken. Wir wechselten auf das linke Ufer der Dordogne und fuhren auf stillen Straßen angenehm dahin. Wenn man sich von den stark befahrenen Strecken fern hält, ist das Radeln hier sehr angenehm. Die Leute sind dann rücksichtsvoll, Autofahrer fahren langsam hinterher, bis sie sicher zum Überholen ausweichen können. Leute am Straßenrand oder bei den Häusern grüßen, winken oder rufen "Bon courage!" Wenn wir in Ortschaften halten, sind unsere voll bepackten Utopia Roadster ein Hingucker. Viele vermuten hinter Rohloff-14-Gang-Nabe und Voll-Kettenschutz einen Motorantrieb mit Kardanwelle und Ähnliches und rufen dann umso mehr "Bon courage!", wenn sie hören, dass wir mit reiner Muskelkraft unterwegs sind.

Bauernhof an der DordogneIm Laufe des Tages gab es einige Regengüsse, aber wir fanden immer schnell genug einen Unterstand und konnten auch bald wieder weiter fahren. Um die Mittagszeit erreichten wir Bergerac, nach unserer ursprünglichen Planung ein Etappenort, aber jetzt war es noch zu früh zum Bleiben und an der Stadt reizte uns auch nichts so richtig, so dass wir beschlossen, noch ein Stück weiter zu fahren, nachdem wir uns etwas gestärkt, ein paar Postkarten geschrieben, ausgeruht und die Église Notre Dame besichtigt hatten.

Altar in Notre Dame, BergeracWir fuhren weiter abseits der großen Straßen und als wir nach einem kräftigen Anstieg am Spätnachmittag das Gefühl hatten, jetzt wäre es langsam genug für den Tag, bekamen wir in einem kleinen Landhotel die Auskunft, dass leider nichts frei und im weiteren Umkreis keine weitere Herberge zu finden wäre. Erst in Mussidan, recht weit ab von unserer geplanten Richtung, gäbe es noch Möglichkeiten. Also nahmen wir einen weiteren Berg und nochmal etwa 20 km unter die Räder und fanden tatsächlich ein recht schäbiges Zimmer im großspurig so genannten "Hôtel du Grand Café". Das Städtchen erwies sich auch sonst als ziemlich trostlos. "Das ist kein Ort, an den man fährt, hier strandet man höchstens" waren Friederikes treffende Worte.

Haus in MussidanEin wenig entschädigt wurden wir durch die recht nette Atmosphäre und das normal-anständige Essen im auch nicht mehr ganz taufrischen Hôtel du Périgord, wo wir zuvor vergeblich nach einem Zimmer gefragt hatten. Zu sehen gab es im Ort nichts weiter, also gingen wir zeitig schlafen.

Restaurant du Perigord, Mussidan

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Die Wochenmärkte scheinen uns zu folgen. Auch St. Cyprien war am Morgen voll mit Menschen, die am Markt, aber auch im lokalen Supermarkt einkaufen wollten. Auch hier am Ortsrand großes Auto-Gedränge, darunter viele Briten, Niederländer und Franzosen mit auswärtigen Kennzeichen, die vermutlich von den zahlreichen umliegenden Campingplätzen in den Ort kommen, um sich zu versorgen und sich mit dem Krimskram des Marktes etwas Abwechslung zu verschaffen. Für uns bot sich so trotz des Sonntags unerwartete Gelegenheit, Proviant und Wasser einzukaufen. Allerdings würde der Durst wohl nicht so groß sein, wie an den Vortagen, denn der Himmel war bedeckt und es war nicht unangnehm kalt, aber doch etwas kühler.

Markt in St. CyprinBald erreichten wir ruhige kleine Straßen und fuhren so schön durch das Flusstal dahin, wie wir uns das eigentlich immer vorgestellt und in den letzten Tagen etwas vermisst hatten. Da wir gut ausgeruht waren und es weniger heiss war, fielen auch die beiden kräftigen Steigungen nicht so ins Gewicht, die wir überwinden mussten. Die Aussicht von oben und die folgenden Abfahrten konnten wir dennoch genießen.

Blick auf das Tal der DordogneAls wir an einem Rastplatz in Badefols Halt machten, um Brot mit Olivenpaste und vorzügliche Pfirsiche vom morgendlichen Markt zu verspeisen, wurde es recht dunkel und wir beeilten uns, auf der nun wieder stärker befahrenen Landstraße Lalinde zu erreichen. Als wir gerade im Hotel Le Périgord eingecheckt und unser Gepäck abgeladen hatten, begann es in der Tat kräftig zu regnen. Auf dem Weg zur etwas entfernten Fahrrad-Garage fuhr der Wirt Friederikes Fahrrad, wunderte sich über die germanische Technik und wurde, wie auch ich hinterdrein, ziemlich nass.

Das Zimmer erwies sich als hübsch und geräumig, die Dusche war zwar eng, aber sonst sehr angenehm und die frühe Ankunft bot reichlich Zeit, nicht nur ausgiebig zu duschen, sondern auch ein paar Sachen herauszuwaschen.

Schwäne auf der DordogneDanach wanderten wir durch den Ort, wo gerade die Händler eines zweitägigen Weinmarktes ihre Stände abbauten und ihre Kühlschränke wieder verluden.  Bald brauchten wir unsere Schirme, denn es begann zu regnen. Die Gassen waren nun menschenleer und anstelle der bunten Boote zeigten sich auf der Dordogne unzählige weisse Schwäne.

ImmobilienbüroErstaunlich fanden wir auf unserem Rundgang ein Maklerbüro, das sich offenbar hauptsächlich damit beschäftigt, Landhäuser an britische Käufer zu vermitteln. Alsbald flüchteten wir vor dem Regen in eine originelle Kneipe, Le P'tit Loup, wo wir bei ausgefallener Rockmusik einen 51 genossen. Zum Abendessen gingen wir zurück ins Hotel. Ein besonderer Genuss dieser Reise sind in der Tat die kulinarischen Abwechslungen am Abend. Natürlich etwas unterschiedlich in der Qualität, aber immer zufriedenstellend, manchmal auch hervorragend. Stets frisch zubereitet und sorgfältig serviert. Unsere Wahl fällt meist auf ein einfaches oder mittleres Menü mit drei Gängen und da ist immer etwas dabei, woran wir uns gerne erinnern.

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Für sich genommen ist Sarlat bestimmt eine sehr hübsche Stadt und wir hatten sogar erwogen, nochmal in einem anderen Hotel nachzufragen, nachdem wir das Zimmer im St. Albert nur für eine Nacht hatten mieten können. Aber ein Blick vor die Tür genügte, um uns für die Abreise zu entscheiden. Durch die Straßen schob sich beinahe Stossstange an Stossstange eine unendliche Kette von Autos. In der Altstadt war zu dem Touristengetümmel auch noch Markt, so dass wir nach dem Morgenkaffee mit unseren Rädern beinahe im Getümmel stecken blieben und steil bergauf durch enge Gassen zur Ringstraße flüchteten, wo wir uns im Slalom zwischen den schleichenden Autos voranarbeiteten, um endlich auf einer hügeligen kleinen Straße nach Vitrac zu gelangen. So richtig gemütlich ruhig wurde es an diesem Tag nur selten. Auf fast allen Straßen herrschte reger Touristenverkehr.

Landschaft bei VitracIrgendwie steckten uns auch noch die Anstiege der beiden vorangegangenen Tage in den Knochen, so dass wir ziemlich müde dahintrotteten und keine lange Tagesetappe zurücklegen wollten. Außerdem schien es uns geraten, frühzeitig eine Unterkunft zu suchen.

Ab Castelnaud-la-Chapelle hielten wir uns eng am linken Ufer der Dordogne, wechselten bei Allas-les-Mines auf die andere Seite und fuhren dann auf einer Sandstraße eng an der Bahnlinie entlang nach St. Cyprien. Schon am Nachmittag hatte sich der Himmel langsam zugezogen und gelegentlich fielen einzelne Regentropfen, es blieb aber heiß.

Straße in St.CyprienIn St. Cyprien bekamen wir beim Touristoffice einen Plan und fanden bald ein nettes kleines Hotel, das uns an alte Zeiten erinnerte. Billig, einfach aber sauber, ohne TV und mit Dusche und WC über den Flur. Wir ruhten etwas aus und machten uns dann auf durch die ruhigen und überaus malerischen Gassen. Danach gab es unter knallbunten Sonnenschirmen einen Pastis, während rund um uns bereits eifrig die Tische gedeckt wurden, eine Altherrencombo ihre Musikanlage aufbaute und die ersten holländischen Touristen von den umliegenden Campingplätzen zum Abendessen einfielen.

Toreingang in St. CyprienWir selbst kehrten zurück in unser Hôtel Restaurant La Gravette und verbrachten den Abend bei gutem Essen und einem späten Glas Wein im hübschen Garten hinter dem Haus.

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Heute verzichteten wir aufs Hotelfrühstück und kauften uns stattdessen in einer Boulangerie Croissants und Pain au chocolat, ließen sie uns auf dem Platz schmecken und setzten uns dann zum Milchkaffee in eine Bar.

Weil wir heute nur bis Sarlat kommen wollten, wählten wir den Weg über das malerische Domme, auch wenn wir dabei laut Landkarte einen kirchturmhohen Höhenunterschied zu erwarten hatten. Dass es sich dabei allerdings um das Ulmer Münster handeln würde, sogar noch um ein paar Meter mehr, wurde uns erst unterwegs klar. Zunächst ging es recht gemütlich durchs Tal der Dordogne nach Saint Julien de Lampon, und erst bei Groléjac begann dann ein beinahe kontinuierlicher Aufstieg um über 200m auf etwa acht Kilometern. Das war nie unangenehm steil, aber doch durch die Länge ziemlich anstrengend. Zum Glück gab es wenigstens auch reichlich Schatten.

Hochebene bei DommeDafür öffnete sich dann auf der Hochebene ein weiter Blick und etwas abwärts gelangten wir nach Domme, von wo aus sich wunderbare Aussicht auf das Tal der Dordogne bietet, wo aber auch der Massentourismus sich selbst besichtigt und es, obwohl man den kleinen Ort mit Leichtigkeit zu Fuß durchlaufen kann, auch zwei Besichtigungs-Bähnchen gibt, die mit Lautsprecherschall durch die Gassen touren.

Aussichtspunkt in Domme

Blick über das Tal der DordogneAbwärts ins Tal nach Vitrac wurde der Verkehr etwas mehr und die D46 nach Sarlat, an einem kleinen Flüsschen entlang, erwies sich als Rennbahn für PKW, Wohnwagen und auch große Trucks und war kein Vergnügen.

Sarlat fanden wir voll von Touristen, so dass wie in den Gassen kaum vorankamen. Die Hotelsuche erwies sich als schwierig, weil dort, wo wir fragten, bereits belegt war. Das Touristoffice hatte zwar eine Liste, aber leider half die auch nicht und eher im Vorbeifahren entdeckten wir dann das Hotel Saint Albert, wo wir wenigstens für eine Nacht ein enges, niedriges aber stilles Dachstübchen fanden.

Jongleur in SarlatAuf den Straßen war auch abends Trubel, in den Restaurants Gedränge und im "Cour des Poetes" gab man sich zwar Mühe, dem Ansturm flott und freundlich gerecht zu werden, aber die Küche konnte nicht wirklich mithalten. Immerhin gab es zum Anfang frischen Salat und am Ende guten Apfelkuchen.

Einrad-AkrobatNach dem Abendessen schlenderten wir noch weiter durch die Gassen und über die Plätze und schauten den Darbietungen von Artisten zu, deren Künste uns so gefielen, dass wir gerne auch etwas spendeten.

Verkaufsstand

Als wir gerade zu Bett gegangen waren, ratterte einmal direkt hinter dem Hotel ein Zug vorbei, ein zweites Mal morgens, fast gleichzeitig mit unserem Wecker. Sonst hatten wir eine angenehme Nacht im Auberge du Vieux Port und am Morgen schien auch schon die Sonne zum Fenster herein.

Hotelfenster in GagnacFrühstück gab es auf der Terrasse vor dem Haus, dann machten wir uns wieder auf den Weg. Nach ein paar Kilometern kreuzten wir vor Puybrun erstmals die Dordogne, bei Carennac erneut und so folgten wir den ganzen Tag über ihrem Lauf, mal diesseits, mal jenseits, mal näher, mal ferner, mal im weiten Tal, vorbei an Feldern von Tabak und Mais, mal an hohen Felswänden entlang, wo sich die Mittagshitze staute und wo wir doch versuchten, zügig voranzukommen, weil gelegentlich Felsbrocken und kleinere Steine  auf der Straße lagen und Einschläge im Asphalt davon deuteten, dass bisweilen auch größere Stücke herunter kommen konnten. Es duftete nach Feigenbäumen und anderen ätherischen Aromen des südlichen Sommers, trotz Urlauberverkehrs, auch von vielen Niederländern, waren die Straßen meist angenehm ruhig.

Straße an der DordogneEtwas mehr touristisches Leben versammelte sich in dem sehr malerischen Carennac. Auch wir machten eine Weile Halt, besuchten die alte Kirche, fotografierten ein Wenig und sahen dem Treiben zu.

Kirche in CarennacIn Creysse machten wir Mittagspause, dann folgten wir, zum Teil in langen heißen Anstiegen und ebenso langen erfrischenden Abfahrten weiter den Schleifen des Flusses, auf dem wir immer wieder Gruppen von Kanufahrern sahen. So erreichten wir am späten Nachmittag Souillac und entschieden uns nach kurzem Umsehen für La Vieille Auberge als Unterkunft.

Autofreunde mit einem alten CitroenOldtimerWir machten uns frisch, setzten uns für einen Pastis auf den Hauptplatz und schlenderten dann bis zum Abendessen durch die Straßen, in denen die Vorbereitungen für ein Sommerspektakel mit Musik, Jahrmarkt, einer kleinen Schau von alten Autos und allerlei anderer Unterhaltung im Gang waren. Nach einem sehr angenehmen Abendessen im Hotel machten wir noch einen längeren Rundgang durch die belebten Gassen der Stadt.

Abendlicher Markt

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Das Abendessen im Hotel Le Renaissance war recht gut, wenn auch etwas schwer für die späte Stunde. Auf der Suche nach ein paar Flaschen Mineralwasser durchkreuzten wir am Morgen die rigoros verkehrsberuhigte Altstadt. Es gibt sogar Poller, die beim Herannahen des öffentlichen Busses abgesenkt werden und hinter ihm wieder hochfahren und die Durchfahrt sperren. Offenbar setzt man hier nicht auf Einsicht, sondern wendet gleich Zwang an.

Kühe der AuvergneDer Start der Tagesetappe war etwas verhunzt, denn der Versuch, stärker befahrene Straßen zu meiden, führte zunächst auf eine grobe Schotterpiste, später auf einen Mountainbike-Trail, aber die D18 erwies sich dann als angenehm ruhig und auf ihr gelangten wir zum Stausee am Zusammenfluss von Authre und Cère, den wir nördlich umrundeten.

StauseeObwohl die Tagesetappe in der Summe von über 600 auf nur mehr etwas über hundert Meter Meereshöhe führte, gab es auf den knapp 72 Kilometern doch auch einige recht anstrengende Steigungen, die sich zum Teil recht lang hinzogen. Vor allem in der Hitze des frühen Nachmittags war das auf der heißen Asphaltstraße außerordentlich schweisstreibend, so dass wir unterwegs nochmal drei Liter Wasser kauften, die bis zum Abend fast ausgetrunken waren.

Blick zurück nach einem AufstiegNachdem sich nach der D18 auch die D653 im Cantal, sowie die  D3 und die D31 später im Département Lot als angenehm verkehrsarm erwiesen, wichen wir an verschiedenen Stellen von der vorgeplanten Route ab, die über noch kleinere Straßen und Wege geführt hätte. Wir staunten, wie viel sich hier in den  mehr als 25 Jahren seit unserer letzten Frankreich-Radtour nicht geändert hatte. Die immer etwas unebenen Straßen mit dem in der Mittagshitze feuchtglänzenden Asphalt, der schwarze Rollsplitt, der einen bei kurvenreichen Abfahrten zusätzlich zwingt, das Tempo zu mäßigen, die breit ausgebauten und doch kaum befahrenen Straßen, die im Vergleich zu Bayern doch sehr viel dünnere Besiedelung. Einfamilienhäuser mit maximal gepflegten Gärten, einzeln oder in kleinen Siedlungen mitten in der Landschaft, ohne Anbindung an Buslinien und ohne Einkaufsmöglichkeit. Verfallende Bauernhöfe und einstürzende Scheunen, viele Schilder mit Immobilienangeboten.

TeyssieuDem Lauf der Cère folgend, immer etwas auf und ab, erreichten wir schließlich unser Tagesziel, Gagnac sur Cère, und, jenseits des Flusses, nur ein kleines Stück aufwärts, das letzte vorgebuchte Hotel dieser Tour, L'Auberge du Vieux Port. Für nur zwei Hotelsterne ziemlich modern und overstyled, mit Sanitärkeramik vom Feinsten, wo man kaum einmal ein Hemd herauswaschen kann, einer geräumigen Komfort-Dusche, Typ "Singing in the Rain" ohne Tür und ohne Ablagemöglichkeit fürs Handtuch. Aber das ist fast überall so, nicht nur hier und nicht nur in Frankreich. Die solche Zimmer planen und ausstatten, müssen nicht darin wohnen. Deshalb gibt es nur selten Handtuchhaken oder -halter in mindestens der Zahl der angebotenen Tücher, kaum je genügend Kleiderhaken in Zimmer und Bad und so gut wie nie eine reguläre Möglichkeit zum Aufhängen gewaschener Kleinwäsche, wie mann und frau das beim autolosen Wandern oder Radeln dringend bräuchte.

Aber das Essen im Auberge du Vieux Port war ganz wunderbar, der Abend auf der Terrasse angenehm lau und wenn uns nicht die ungewohnten Anstrengungen dieser ersten Radl-Etappe in den Knochen gesessen hätten, wären wir sicher noch eine Weile länger draußen sitzen geblieben. Im Tal hörte man Büchsenknallen der Jäger, aber als wir in unser Zimmer gingen, hatte das auch schon aufgehört.

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Erst mittags von zu Hause aufzubrechen, lässt eine Reise wunderbar entspannt beginnen. Wir nahmen bequemer Weise die S-Bahn zum Hauptbahnhof. Der erste Zug brachte uns dann nach Zürich, der zweite, sehr komfortabel Roll-on-Roll-off, ohne das Gepäck abzunehmen durch das schöne Schweizerland nach Genf. Dort wies uns Garmin souverän den Weg zum schon gebuchten Etap-Hotel. Abendessen gab es in einem nahen Restaurant. Dann war der erste Reisetag auch schon zu Ende.

Schweiz - Blick aus dem Zugfenster

Wie bereits einmal festgestellt, handelt es sich bei den Zimmern der Etap-Hotels mit ihren harten Normbetten um schlicht effiziente Vorrichtungen zur Durchführung des Nachtschlafes. Nicht mehr, nicht weniger. Klimaanlage, Fenster fest verriegelt, genormte Duschzelle, Miniwaschbecken, Kloschrank. Alles was man braucht. Nicht mehr.

Um knapp acht Uhr, Sekunden vor dem Wecker, Pochen an der Tür. Die italienisch sprechende Putzfrau. Jetzt noch nicht.

Beim Frühstück immerhin freie Mengenwahl von Speis und Trank. Dann vom Zimmer voll bepackt mit dem Lift hinab zur Tiefgarage. Auf dem Weg zum Bahnhof hatten wir nochmal Gelegenheit, uns über die fahrradfreundliche Verkehrsplanung zu freuen. Rot markierte Fahrradfurten, separate Ampelschaltungen, alles sehr nett geplant und ausgeführt.

Am Bahnhof machten wir dann ganz unerwartet eine Grenzerfahrung alter Art. Auf dem Weg zum Gleis nach Frankreich gab es eine Sicherheitsschleuse mit einem langen schmalen Flur, vor der wir mit vielen anderen Reisenden längere Zeit ausharren mussten, bis wir dann doch ganz ohne weitere Formalitäten durchgewunken wurden.

Im Zug quetschten wir uns mit den bepackten Rädern in den Einstiegsraum eines Wagens, den wir mit etlichen Koffern und einer ausladenden afrikanischen Mutti samt Kind teilen mussten und machten uns schon auf eine ungemütliche Fahrt gefasst. Zum Glück zeigte uns die Schaffnerin dann doch noch das unauffällig beschriftete Velo-Abteil, wo unsere Räder wohlverwahrt hängend Lyon entgegenschaukeln konnten, während wir es uns in einiger Entfernung auf weichen Polstersesseln bequem machten. Der Zug füllte sich allerdings zusehens, es wurde eng in den Fluren und so begannen wir schon eine ganze Weile vor der Ankunft damit, uns portionsweise mit den insgesamt elf Fahrradtaschen durch die zwei Waggons bis zu den Rädern zu bugsieren, um beim Ausstieg alles beisammen zu haben.

Der Bahnhof Lyon Part Dieu erfreute uns durch bequeme Rampen von den Bahnsteigen hinunter in die geräumige Wartehalle und der Anschluss ließ uns reichlich Zeit für eine kleine Zwischenmahlzeit mit hartgekochten Eiern und den letzten Tomaten vom heimischen Strauch.

Lyon Part DieuEntgegen unseren Erwartungen sind an diesem Dienstag doch sehr viele Ferienreisende unterwegs. Auch ganze Kinderscharen mit Betreuern auf Ferienverschickung. Der Einstieg in den nächsten Zug gelang nur knapp, weil alle in die letzte Tür drängten und die Hängeplätze für die Räder schon mit Menschen und ihren riesigen Koffern belagert waren. Um nicht auf dem Bahnsteig bleiben zu müssen, während Friederike schon im Zug feststeckte, winkte ich einen orangebewesteten Helfer herbei, der uns freundlicher Weise den nötigen Raum verschaffte. So traten wir zwar etwas eingekeilt, aber immerhin ungetrennt den Weg nach Clermont-Ferrand an.

Mit Fahrrädern im ZugDort brauchten wir noch eine Fahrkarte und in Ermangelung von Rampen und Aufzügen wurde es zum Schluss etwas hektisch, bis wir treppab treppauf am Bahnsteig waren und uns in den auch hier recht vollen Zug gezwängt hatten. So ging es dann durch das Hügelland der Auvergne. Es wurde bergig und kurvenreich, Zweige bürschtelten bisweilen den Zug, der sich von Station zu Station leerte. Die Farbe der Kühe wechselte von weiss nach dem charakteristischen glatten Rotbraun der in dieser Gegend üblichen Rasse. Die Ortsnamen wurden vertrauter. Hier hatten wir vor dreissig Jahren Wanderurlaub gemacht, später die Gegend auch einmal mit Fahrrädern durchquert. Wir guckten aus den Fenstern und suchten bekannte Berge und Ortschaften.

Zwei Tage Anreise sind eine Menge Zeit und 1150 km ein weiter Weg, aber schließlich erreichten wir Aurillac, gleich auch unser Hotel, Le Renaissance, und bald saßen wir zufrieden beim ersten französischen Abendmenü  seit vielen Jahren. Ab morgen wird geradelt.