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Das Campanile Hotel in Warschau liegt direkt an den Gleisen zum Zentralbahnhof und bei einer großen Straßenkreuzung. Deshalb hielten wir in der Nacht das Fenster geschlossen. Wir hätten dazu die künstliche Belüftung anschalten sollen, denn so wurde es etwas zu warm. Sonst war das Zimmer zwar klein, aber völlig in Ordnung. Das reichhaltige Frühstücksbuffett gab es im angenehmen, modern eingerichteten Restaurant. Mit Einlasskontrolle.

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Wir wanderten zwischen Hochhäusern,  Plattenbauten und Ruinengrundstücken zum Grzybowski-Platz und von dort in ebensolcher Stadtlandschaft durch das Gebiet des ehemaligen Ghettos zum Museum des Warschauer Aufstands. Es ist ein sehr merkwürdiges Gefühl, als heutiger Deutscher durch diese Ausstellung zu gehen, in der in drastischen Zeitdokumenten die Gräueltaten der eigenen Vorfahren im  besetzten Warschau dargestellt werden. Wir schämen uns, sind zugleich froh, dass weniger als ein Menschenalter später Normalität zwischen den Völkern eingetreten ist und hoffen, dass das so bleibt. Im Café DoWoli, wo wir auf dem weiteren Weg Halt machten, hörten wir zum Cappuccino ein Lied der französischen Sängerin Zaz.

Nächste Station waren die Mirów Markthallen, ein bemerkenswert ruhiger Ort, ohne das Geschrei südländischer Märkte, mit zum Teil winzigen Läden, Frisiersalons, Nähereien und anderen Angeboten.

Unser weiterer Weg führte uns zum Gelände des ehemaligen Gestapo-Hauptquartiers, dessen Gedenkstätte derzeit allerdings eine Baustelle ist. Nächste Station war das Denkmal der Ghettohelden, vor dem Willy Brandt am 7. Dezember 1970 den berühmten Kniefall tat. Ein wenig entfernt, auf der gegenüberliegenden Seite des jüdischen Museums, erinnert eine Bronzetafel an diesen einzigartigen großen Moment bundesrepublikanischer Geschichte.

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Wir besuchten noch den "Umschlagplatz" von wo aus 300.000 Juden in die Vernichtungslager gebracht worden waren und machten uns dann gedankenvoll auf den Weg zurück ins Hotel.

Da es zu regnen begonnen hatte, wollten wir mit der Straßenbahn fahren. Die Linie war mit Hilfe von OpenStreetMap schnell gefunden. Einen Fahrkartenautomaten gab es an der Haltestelle leider nicht, aber der Zug der Linie 1, der dann kam, war von der modernen Sorte, die einen Automaten an Bord hat und so gelangten wir schnell und trocken zum Hotel.

Zum Abendessen liefen wir nochmal ein ganzes Stück bis zu U Swejka. Dort war es laut, zünftig, deftig und mehr als reichlich für zu zweit um nicht einmal 20€. Am Geschmack, meint Friederike, könnte noch etwas gearbeitet werden. Ich war zufrieden.

Die Stadt ist großzügig angelegt, mit breiten Boulevards und riesigen Plätzen, und so sind unsere Fußwege lang. In einer der Buden nahe beim Hotel holten wir uns noch zwei Flaschen Bier und gingen aufs Zimmer, um unsere müden Beine auszustrecken.

Die Nacht im Zug war ruhig und so angenehm, wie eine Schlafwagenfahrt nur sein kann. Die Temperaturschwankungen störten ein Wenig. Bisweilen wurde rangiert, eine Zeit lang stand der Wagen irgendwo herum.

Gegen halb Sieben wachten wir auf und machten uns abwechselnd an dem winzigen Waschbecken frisch. Zu zweit kann man sich auf dem engen Raum des Abteils nicht bewegen. Einer muss immer auf dem Bett sitzen und warten, bis der andere fertig ist. Später kam der beflissene Schaffner und brachte Kaffee, sowie die Botschaft, dass wir vierzig Minuten Verspätung hätten. Das hatten wir nach einem Blick aufs GPS auch schon geahnt. Wir verspeisten etwas von unserem Proviant und die Frühstückshörnchen, die wir im Spiegelschrank gefunden hatten und schauten hinaus in die üppig grüne, fast völlig ebene und oft sumpfige Landschaft. Auch hier schien es schon länger ergiebig geregnet zu haben. Der sandige Boden war oft aufgeweicht, auf Feldern und Wiesen stand Wasser.

Wir kamen in Warschaus hochmodernem Zentralbahnhof an und versuchten erst einmal an verschiedenen Informationsschaltern den für die Weiterfahrt gebuchten Zug zu verifizieren. Er steht nicht auf den Abfahrtstafeln, aber es scheint ihn zu geben. Dann machten wir uns auf den Weg zum Hotel. Dort konnten wir unser Gepäck abstellen, dann starteten wir zu einem ersten Rundgang.

In der Umgebung des Zentralbahnhofs stehen hohe Wolkenkratzer und moderne Glaspaläste unmittelbar angrenzend an weite Ruinengrundstücke und heruntergekommene Altbauten. Anders in der Gegend des Schlosses, wo nach dem Krieg fast alle Gebäude originalgetreu wieder aufgebaut worden waren, so dass sich das Bild einer historischen Stadt bietet. Wir folgten einem Rundgang aus dem Reiseführer und sahen hübsche Gassen, Plätze, die Stadtmauer, ein paar Kirchen und einige Aussichtspunkte. Außerdem, wie zu erwarten, zahlreiche Touristen, Souvenirläden, einige Pferdekutschen und ein Touristenbähnle. In einem Straßencafe machten wir Pause.

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Von den interessanten modernen Dachgärten der Universitätsbibliothek und des Kopernikus-Zentrums hatten wir einen weiten Rundblick über die Stadt. Dann setzten wir uns eine Weile auf die Steintreppen am Ufer der Weichsel und sahen den Ausflugsbooten und den bunten Zügen auf der Eisenbahnbrücke zu.

Auf unserem weiteren Weg passierten wir das Chopin-Museum und gelangten dann zum Militärmuseum, dessen Außenanlagen noch geöffnet waren. Wir gingen hinein und staunten über im Freien aufgestelltes Kriegsgerät aller Art. Kleine Propellerflugzeuge, Strahlgetriebene Jagdflugzeuge und Bomber, Panzer, Flakgeschütze, Schiffskanonen, mobile Raketenabschussrampen und allerlei schwere Munition. Die Leute spazierten herum und machten vor den Flugzeugen und Panzern Selfies von sich und den Kindern. Nationen, die keinen Angriffskrieg geführt und verloren haben, scheinen da recht unbefangen zu sein.

Über das Regierungssviertel liefen wir dann zum Hotel, checkten ein, packten aus, streckten ein wenig die Beine aus und gingen dann im Abenddämmerlicht in der Nähe zum Essen.

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Das Grand Kredenz konnte die Erwartungen nicht ganz erfüllen, die TripAdvisor und unser Müller-Reiseführer geweckt hatten, aber wir wurden satt und gingen dann zurück ins Hotel. Nach der nächtlichen Zugfahrt und dem ganzen Tag unterwegs waren wir doch recht müde.

Erst am Nachmittag abzureisen ist recht angenehm, weil man dann in aller Ruhe die letzten Vorbereitungen treffen kann.

Der Start brachte schon einen Hauch von Abenteuer, weil eine S-Bahn ausfiel und wir zudem während des Wartens am Ottobrunner Bahnhof herausfanden, dass der Railjet nach Wien eine Viertelstunde eher abfährt, als auf unserem Reiseplan verzeichnet. Aber wir hatten wie immer großzügig geplant und waren beizeiten am Hauptbahnhof. Der Grund für die Fahrplanänderung war wohl eine Sperrung der Strecke zum Ostbahnhof und so rollten wir recht gemächlich über Moosach und den Nordring nach Trudering, wo wir die normale Strecke nach Salzburg erreichten. Ab dem Chiemgau regnete es draußen gleichmäßig, Wiesen standen unter Wasser. Der Zug war angenehm leer. Bis Salzburg hatten wir auch die umwegbedingte Verspätung aufgeholt.

Der österreichische Railjet erwies sich wieder einmal als sehr gepflegtes Reisemittel. Ab der Grenze gab es WLAN mit ausgezeichneter Internetanbindung, später durchaus schmackhaftes Essen im Bordrestaurant, dazu ein Ottakringer Helles und so gelangten wir auf angenehme Weise nach Wien.

Dort stand dann einen Bahnsteig weiter schon der polnische Nachtzug bereit, der uns nach Warschau bringen sollte. Der dienstergraute Schlafwagenschaffner wies uns mit leiser Stimme ein und wir bezogen unser winziges aber sehr komfortables Zweibettabteil. Bis wir uns umgetan und eingerichtet hatten, fuhr der Zug dann auch schon los.