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Von der netten Müllerin in Sachau, wo wir angenehm im Gartenhäuschen übernachtet hatten, fuhren wir weiter nach Prienitz, überquerten bei Mauken mit der Gierfähre die Elbe und gelangten über Kleindröben, Klöden, Gorsdorf und Listerfehrda nach Elster. Dort gab es den ersten Cappuccino, ehe wir weiter auf Wittenberg zufuhren. Auch heute Störche auf den Feldern und Reiher in Feuchtgebieten, duftendes Heu auf großen weiten Wiesen und vielfältige Blumen an den Hängen der Deiche, an denen wir über weite Strecken entlangfuhren. In den Orten manchmal Storchennester auf hohen Stangen. Ebene Landschaft, so weit das Auge reicht, aber im Kleinen durchaus vielfältig und abwechslungsreich. Das Wetter sonnig, aber das Fahren erschwerte heute wieder ein kräftiger Gegenwind.

Lutherstatue vor dem Rathaus in WittenbergAm Eingang von Wittenberg fanden wir einen Supermarkt, wo wir nach dem Wochenende wieder unsere Proviantvorräte auffüllen konnten. Dann fuhren wir in die Stadt hinein, machten Halt am Rathausplatz und fanden schließlich im Park bei der Schlosskirche eine nette Bank für Rast und Brotzeit. Der trutzige Turm der Kirche trägt passend in großen Lettern die Inschrift „Ein feste Burg ist unser Gott...“. Im Inneren der Kirche fanden wir die Gräber von Luther und Melanchthon, am "Thesentor" erklärte eine Führerin, welche Bedeutung die eben erst erfolgte Erfindung der Druckerpresse durch Gutenberg für die rasche Verbreitung von Luthers Thesen gehabt habe. Auch damals beschleunigte also ein neues Kommunikationsmedium die gesellschaftliche Veränderung.

Deichlandschaft im "Gartenreich Dessau-Wörlitz"Wir mussten etwas suchen, bis wir die Elbebrücke fanden, von der aus wir nochmal einen schönen Blick auf die Türme der Stadt hatten, ehe wir auf der linkselbischen Variante des Radwegs immer am Deich entlang durch wasserreiche Landschaft nach Wörlitz fuhren. Den dortigen Park konnten wir leider nicht durchradeln, wie es der Reiseführer versprochen hatte. Aber der Ort war auch so recht nett anzusehen und wir ließen uns zum Nachmittags-Cappuccino nieder. Es schien ganz passend, unsere Tagesetappe bald zu beenden und so folgten wir dem Rat unseres letzten Wirtes und meldeten uns telefonisch beim Kleinen Landhaus in Vockerode an. Noch ein Stück durchs Unesco-Weltkulturerbe "Gartenreich Dessau-Wörlitz", dann waren wir da und bezogen auch für diese Nacht wieder ein charmantes Gartenhäuschen. Vor der Tür wachsen einem reife Zwetschgen und Äpfel beinahe in den Mund und wir wurden ermuntert, uns gütlich zu tun. Als wir gerade daran gingen, uns den Schweiß des Tages abzubrausen, begann draußen leichter Regen. Die Dusche spendete reichlich warmes Wasser aus zahlreichen Düsen, es war nur nicht ganz einfach, alles wunschgemäß einzustellen. Aber am Ende konnten wir erfrischt und sauber zum Abendessen gehen.

Gartenhäuschen im Kleinen Landhaus, Vockerode

Gut bürgerlich geschlafen, bürgerlich gefrühstückt, am Sachsenhof in Riesa gab es echt nichts auszusetzen. Wir überquerten wieder die Elbe und fuhren am rechten Ufer weiter flußabwärts. Zwischen Fichtenberg und Mühlberg kürzten wir nach einem Blick auf unsere neue Radwanderkarte ab und nahmen die sonntagsleere Straße. Recht nett das Kloster Marienstern, noch wenig renoviert und so auf sympathische Weise unvollkommen. In einer abgelegenen Ecke des Klostergartens ein schmuckes kleines Gartencafé, wo wir uns Cappuccino gönnten.

Die Elbebrücke bei Mühlberg ist zwar gewiss spektakulär und soll die längste Brücke Brandenburgs sein, das wir hier kurz berühren, aber den Deutschen Brückenbaupreis hätte sie von uns schon alleine deshalb nicht bekommen, weil der Ausblick aufs Elbtal beidseits von schwarzgepunkteten Glaswänden behindert wird. Allerdings fehlten schon jetzt viele der Glaselemente, so dass sich die Aussicht wohl langsam verbessert.

Rolandsstatue vor dem Rathaus von Belgern
Gen Belgern schickten uns die Deichbauer über die Hauptstraße, statt an der Elbe entlang, wo die Wasserschutzbauten erneuert werden. Die Umweg-Wegweisung leider nicht ganz konsistent, so dass wir uns erneut über die neue Landkarte freuen konnten. Nett vor dem rot gestrichenen Rathaus von Belgern ein steinerner Roland mit vergoldeten Einzelheiten. Ab da ging es wieder auf dem normalen Elberadweg weiter bis kurz vor Torgau, wo wir erneut auf eine schlecht ausgeschilderte Umleitung durch die Stadt geführt wurden. An den verwirrten Gesichtern entgegenkommender Radreisender war zu erkennen, dass die Wegweisung auch in Gegenrichtung zu wünschen übrig ließ. Erst bei Döbern erreichten wir wieder den Elberadweg. Die Landschaft durchaus abwechslungsreich und hier auch mit kleinen Steigungen. Am Wegrand immer wieder kleine Schilder mit Werbung für Unterkünfte. "Zur Müllerin" war ein irgendwie verlockender Name auf roten Schildchen und so riefen wir schließlich dort an und reservierten ein Zimmer.

Der Himmel war schon seit einer Weile bedeckt, die Luft feuchtwarm, es gab ein paar Regentropfen und wir waren froh um die Aussicht auf ein sicheres Nachtquartier. Hinter Dommitzsch war die Straße von Zwetschgenbäumen gesäumt und wir taten uns gütlich. Obstbaum-Alleen, wie sie uns schon zur Kirschenzeit in Thürigen erfreut hatten, gibt es auch hier. Die kleinen Äpfel und Birnen, die jetzt reif sind, haben wir allerdings noch nicht verkostet. Mit dieser kleinen Wegzehrung gelangten wir schließlich nach Sachau, wo wir beim Gasthof Zur Müllerin ein hübsches kleines Gartenhäuschen beziehen konnten. Davor, im Wirtsgarten gab es schmackhafte Forelle und anständigen Schweinsbraten mit Weißkraut. Nach dem Abendessen spielte der Wirt draußen noch bemerkenswert geläufig einige Stücke auf der Klarinette. Alles sehr nett und freundlich und ganz zu Recht sind alle Zimmer für die Nacht voll belegt.

Gasthof Zur Müllerin, Sachau

Ehrlich gesagt, schlafen wir nachts doch lieber bei offenem Fenster, als bei eingeschalteter Belüftungsanlage. Und wir schauen auch nicht gerne im Internet nach der Außentemperatur, ehe wir aus dem Haus gehen, sondern halten einfach die Hand hinaus. Auch waschen wir uns das Gesicht lieber an einem Becken, über das man den Kopf halten kann, ohne ihn sich an einem Design-Wasserhahn zu stoßen. So viel zu den Grenzen des Komforts im hochmodernen Etap-Hotel Dresden, das wir nun wieder samt Fahrrädern per Edelstahl-Lift verließen. Frühstück gab es nochmal im Wiener Cafe beim Kulturpalast und dann ging es los Richtung Meißen. Der eigentliche Beginn dieser Tour, bei prächtigem Sonnenschein und ordentlichem Gegenwind. Wir waren natürlich nicht die einzigen Radler auf dem Weg, sondern trafen immer wieder auch auf größere Gruppen, viele davon Tagesausflügler mit kleinem Gepäck.

MeissenIn Meißen machten wir Halt und gönnten uns einen Cappuccino. Die Suche nach einer guten Landkarte erwies sich als schwierig. Ich erstand schließlich einen Radwegführer, der zwar viel zu viel Reklame enthielt, aber sonst einigermaßen brauchbar zu sein schien, um wenigstens etwas mehr von der Umgebung zu sehen, als auf dem Navi.

Elbauen mit KuhherdeWeiter ging es durch schöne Flusslandschaft. Bei Nünchritz buntes Rohrgewirr an der Wacker-Chemiefabrik. Spätnachmittags erreichten wir Riesa, wo wir übernachten wollten. Im Hotel Sachsenhof fanden wir ein geräumiges Zimmer, ruhten ein Wenig aus und spazierten dann durch den aufgeräumt wirkenden Ort.

Hauptstraße RiesaWir sahen ein Kloster, einen weitläufigen Park am Fluss, ein glyzinienbewachsenes Rathaus, staunten über die niedrigen Preise der in verschiedenen Maklergeschäften angebotenen Häuser und Wohnungen und kehrten schließlich, dem aufkommenden Hunger gehorchend, zurück in den Sachsenhof, wo wir mit bürgerlicher Küche bewirtet wurden. An diesem Tag wurde hier überall Einschulung gefeiert, nach Landessitte ein großes Familienfest für die Kleinen, deren Unterricht am Montag beginnt. Am Abend hörten wir sogar verschiedentlich etwas Feuerwerk und während wir schon müde vom ersten Radeltag ans Zubettgehen dachten, war unten im Wirtshaus noch allerhand los.

Riesa Fußgängerzone

 

Das Bett tat beste Dienste und wir schliefen gut und recht lange. In einem Stehcafé gab's Hörnchen und Milchkaffee, dann erklommen wir den Hausmannsturm im Residenzschloss und verschafften uns einen ersten Überblick. Oben war es recht windig, aber noch trocken. Wir liefen weiter zum Zwinger, betrachteten die Touristenströme von obder Terrasse aus, dann unten aus nächster Nähe und besuchten anschließend die Katholische Hofkirche. Draußen zogen finstere Wolken auf und schon nach einem kurzen Blick von der Brühlschen Terrasse begann heftiger Regen, vor dem wir in einen Brückendurchgang flohen. Als der Guß vorbei war, gingen wir zur Frauenkirche und von dort zur Kreuzkirche. Gleich nebenan im Aha, wo wir gestern schon zu Abend gegessen hatten, gab's Kuchen und Milchkaffee.

DresdenDann holten wir die Fahrräder aus dem Hotel, sahen uns das orientalisch anmutende Gebäude der früheren Zigarettenfabrik Yenidze an, genossen von der Elbbrücke aus einen schönen Blick auf die Altstadt und erkundeten dann die Neustadt mit vielen Szeneläden und -Lokalen. In der Kunsthof-Passage fanden wir dann auch ein originelles Lokal, die Lila Soße, wo wir recht annehmbar zu Abend aßen. Anschließend schauten wir uns bei wunderschönem Abendwetter noch recht lang das bunte Treiben des Dresdener Stadtfestes an, das heute begonnen hatte.

Dresden, Stadtfest

 

Die Bahn ist voller Rätsel. Eines davon ist die Fahrplanauskunft im Internet, die uns heute mit der Sonderabfrage "Fahrradmitnahme" auf eine lange etappenweise Fahrt mit der Vogtlandbahn geschickt hat. Von München nach Hof, dann nach Plauen, dann nach Zwickau und nach einem weitern Mal Umsteigen endlich nach Dresden.

In Hof auf allen Linien Verspätung. Der Zeitabstand zwischen dem durchgehenden Regionalexpress nach Dresden und der etappenreichen Vogtlandbahn war zu knapp, um es am Schnellzug zu versuchen, und bei Platzmangel dort zum Bummelzug zu wechseln. Der wäre dann fort gewesen. Laut Fahrplan zumindest. Als er endlich fuhr, hatten wir mit langen Gesichtern schon zwei Schnellzügen nachgeschaut.

Aber nette Namen haben die zahlreichen Haltestellen der Vogtlandbahn: hinter Hof kommt Feilitzsch, dann Gutenfürst und Grobau, Schönberg, Mehltheuer, Syrau, der Zug hält überall nur auf Anforderung, schließlich Plauen. Dort erneut die schwierige Wahl: langsam, aber sicher, mit dem bereits einladend wartenden Bummelzug nach Zwickau, oder riskieren, auf den schnellen Direktzug nach Dresden zu warten und dann keinen Fahrradplatz zu bekommen. Wir entschieden uns für die Vogtlandbahn: Jößnitz, Jocketa, Ruppertsgrün, Herlasgrün, Netzschkau, Steinpleis, Lichtentanne, Zwickau.

Dort dann nochmals das Entweder-Oder, aber diesmal war's einfach, denn eine Schaffnerin verriet uns, dass der Schnellzug in jedem Fall eher fahren würde, als die Regionalbahn am gleichen Bahnsteig. Immerhin fünfzig Minuten gewonnen.

In Dresden erst Verwirrung, denn das Navi führte uns brav an die geografisch richtige Stelle, aber man hatte den Straßennamen geändert und wir suchten etwas herum, bis wir verstanden: Das Etap-Hotel Dresden ist, ohne sich von der Stelle zu rühren, von der Wilsdruffer Straße 25 zum Altmarkt 25 übersiedelt.

Innen futuristisch-spartanisch. Samt Fahrrädern im edelstahlglänzenden Lift zur Rezeption in die zweite Etage, wo es auch einen wohlgeordneten Veloparkplatz gibt. Das Zimmer modern, klimatisiert, sauber, schranklos, tischlos, stuhllos. Die Dusche eine Glaskanzel in der Zimmerecke. Davor, freistehend an einer schmalen Säule, das Waschbecken. Das WC einsam in einem winzigkleinen abgeschlossenen Raum.

Wir verstreuten unsere Sachen auf dem Boden und machten uns auf, Abendessen zu suchen. Nebenan, in der hochmodernen Altmarkt-Galerie, Fehlanzeige. Zwischen Markenshops nur Ketten-Snack für den eiligen Gast, jetzt schon geschlossen. Ein paar Straßen weiter, gleich hinter der Kreuzkirche fanden wir das Café-Restaurant Aha - Anders Handeln, Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung und kirchliche Ökumene. Wir aßen wohlschmeckend und mit bestem politischem Gewissen. Als Nachspeise Grießbrei mit Kirschkompott, wie daheim. Der stillte den Hunger, den die Hauptmahlzeit noch übrig gelassen hatte. Das Lokal erkennbar ein Treffpunkt engagierter Menschen.

Wir umrundeten in lauer Nachtluft noch kurz die Kreuzkirche und schlenderten dann wieder zum Hotel. Das "Twin-Bett", bestehend aus zwei je nach gegenseitiger Gunst verschiebbaren Spanplatten mit aufgelegten Schaumstoffmatratzen, am Kopfende Sensorschalter für die Beleuchtung, darüber als Wandbild die minimalistische Andeutung einer Wiese, sollte sich als einfache aber höchst effiziente Vorrichtung zur Durchführung des Nachtschlafes erweisen. Träume müssen die Gäste allerdings selbst mitbringen.

Etap Hotel Dresden