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Das Frühstück beim B&B Witte Singel in Leiden gab es im schönen Wohnzimmer des Hauses zwischen Flügel und Bücherschrank, unter Gemälden aus eigener Produktion der Familie. In der Nacht hatte es zum Teil sehr kräftig geregnet, jetzt schien es trocken bleiben zu wollen. Wir fuhren aus Leiden hinaus in Richtung Nordsee und dann durch faszinierende Dünenlandschaft mit kräftigem Rückenwind nordwärts. Zwischendurch gab es starke Regengüsse, so dass wir mit windgeblähten Capes dahinsegelten. Bei Haarlem fuhren wir landeinwärts in die Stadt und besuchten das Frans-Hals-Museum.

Dann ging es weiter nordwärts, bis wir etwas unvermittelt an eine Fährstation am Nordsee-Kanal kamen. Wir schaften es gerade noch in einen kleinen gläsernen Warteunterstand, bevor orkanartiger Sturm und ein wahrhaft sintflutartig fast waaregercht über den weiten Platz peitschender Regen ihre volle Kraft entfalteten. Als das Unwetter wieder etwas nachgelassen hatte, kam die Fähre und wir setzten über. Durch ländliche Gefilde kamen wir schließlich nach Heemskerk, wo die Stayok-Jugendherberge in einem alten Rittergut, dem Slot Assumburg, untergebracht ist.

Abendessen gab es im Haupthaus mit Blick in die Landschaft, abendliches Bier in einem urigen Rittersaal, unser Zimmer nach inzwischen wohlbekanntem Stayok-Standard lag in einem "Orangerie" genannten Nebengebäude, die Fahrräder parkten eng aneinandergestellt und mit dem in Rotterdam neu erworbenen mächtigen Schloss holländischen Standards gesichert draussen vor der Tür.

Track Leiden-Heemskerk(GPX-Track)

Das GPS hat den Weg aus Rotterdam hinaus prima gefunden. Größtenteils an Kanälen entlang und durch Siedlungsgebiet, nur selten ländlich kamen wir nach Den Haag, wo wir im Binnenhof, zwischen den beiden Häusern des niederländischen Parlaments, Brotzeit machten. Dann ging es weiter, wieder aus der Stadt hinaus, und schließlich gab es sogar Kühe und Schafe und weites offenes Land. So kamen wir schließlich nach Leiden und fanden schnell das kleine B&B, wo wir Zimmer bestellt hatten. Leiden ist sehr hübsch, malerisch und richtig gemütlich, gemessen an den Großstädten, in denen wir zuletzt waren. Keine Wolkenkratzer, sondern hauptsächlich zwei- oder dreistöckige Häuser, viel spielt sich auf den Kanälen ab, deren enges Netz die Stadt durchzieht. Man spürt die altehrwürdige Universität daran, dass viel Jugend unterwegs ist, und an der vielfältigen Gastronomie.

Die Nähe des Meeres bemerkt man durch die allenthalben vorkommenden großen Möven. Ein wenig künstlich wirken sie mit ihren klaren Farben, dem glatten Weiß des Gefieders, dem gelben Schnabel mit der Hakenspitze und den blassroten Füßen mit den Schwimmhäuten. Durchaus echt ist die Fressgier, mit der sie an Mülltüten zupfen, überall sofort zugegen sind, wo etwas auf den Boden fällt, mit ihrem etwas böse blickenden kleinen grauen Auge den Essenden beobachten. Ihre heiseren Schreie begleiteten uns in den Schlaf.

Track Rotterdam-Leiden(GPX-Track)

Gelegentlich hörten wir Leute, die sich auf den Bänken vor dem Eingang unter unserem Fenster unterhielten, sonst war die Nacht ruhig. Das Frühstück offenbar Stayok-Standard, mit dem gleichen klebrigen Dunkelbrot, aber diesmal gab es auch frisch aufgebackene Semmeln.

Rotterdam - Altes Frachtboot vor Skyline

Das Wetter kühl, aber trocken. Wir besorgten uns Tagesfahrkarten für die öffentlichen Verkehrsmittel und fuhren mit einem Umweg übers Touristenbüro am Bahnhof zum Museum Bojimans Van Beuningen. Die Dauerausstellung zeigt von allem etwas, von alten bis zu neuen Meistern, von mittelalterlichen Kruzifixen über chinesische Vasen bis zur Olivetti-Schreibmaschine. Etwas Rembrandt, etwas Canaletto, etwas Dali, etwas von Kandinsky. Mehr oder weniger bekannte Werke in etwas beliebiger Zusammenstellung. Wirklich spannend war eine Installation von Olafur Eliasson in drei großen dunklen Sälen. Starke Lampen schienen schräg auf große Wasserflächen, das reflektierte Licht beleuchtete Leinwände, auf denen sich die Wellenmuster des Wassers abbildeten. Durch Betreten einzelner Bodenbretter konnten die Besucher leichte Wellen der Wasserfläche auslösen, die dann in der Projektion sichtbar wurden.

Rotterdam SkylineDen Rest des Tages verbrachten wir mit Trambahning, Shopping und Sightseeing und zu Abend landeten wir im "Bazar", einem orientalisch angehauchten Großrestaurant, wo wir recht gut und reichlich aßen. Da war dann der Tag in Rotterdam schon wieder zu Ende.

Der geplante Besuch von Sehenswürdigkeiten, der Kirche in Dordrecht und der Windmühlen in Kinderdijk, fiel heute dem Wetter zum Opfer. Es war zwar warm, aber es regnete immer wieder, teils auch sehr heftig, wir fuhren also meist in Regenkleidung und boten so dem kräftig blasenden Westwind besonders viel Angriffsfläche. Vor allem auf den längeren Streckenabschnitten, die wir ohne natürlichen Windschutz auf den Deichen des Lek entlangfuhren, kamen wir nur langsam voran. In Schoonhoven machten wir Pause, kauften bei einem Spar-Supermarkt etwas zu Essen ein und setzten uns gegenüber unter ein Zeltdach. Es gehörte zu einem Event, für den der ganze Platz in ein Strandgelände verwandelt worden war. Mit jeder Menge Sand und Beachvolleyball-Feldern, die durch den Regen zu schwerem Gelände geworden waren.

Auch auf dem Damm wurde es bald schlammig. Über viele Kilometer hin wurde er neu befestigt. Schwere Baumaschinen waren unterwegs, bewegten Erde, rammten Spundwände ein. Die Straße war aufgewühlt und als wir es, alle Umleitungshinweise missachtend, schließlich ans Ende der Baustrecke geschafft hatten, waren Räder, Schuhe und Hosen schlammbedeckt.

Rotterdam Skyline

Rotterdam kam nahe. GPS-geführt fanden wir zur und in die Stadt, staunten über eine Moschee mit zwei recht ansehnlichen Minaretten, über markante Hochhausarchitektur, Hafenkräne, Schnellstraßen und gelangten schließlich zu dem auffälligen Kubushaus, in dem wir wohnen sollten. Der Eingang zum Stayok Hostel allerdings lag so versteckt, dass wir lange Zeit suchen mussten, bis wir ihn gefunden hatten.

Stayok RotterdamDas Gebäude ist architektonisch sehr extravagant, um den Preis ungünstig geschnittener Nutzflächen. Unser Zimmer ist zwar in Schulterhöhe recht weit, am Boden durch die äußere Form des auf einer Ecke stehenden Würfels aber so eng, dass wenig Platz für Gepäck bleibt. Immerhin haben wir eine Toilette, eine Dusche und ein kleines rundes Edelstahl-Waschbecken. Für die Räder gibt es ein winziges Kabuff, das aber gut verschlossen ist. Wir richteten uns ein und gingen dann wieder hinaus in den Regen, um etwas zu Essen zu suchen. Nach einigem Wandern durch Wolkenkratzerlandschaften wurden wir bei Zatkini in der Witte De Wittstraat freundlich bedient.

Track Utrecht-Rotterdam(GPX-Track)

Am Nachmittag war über der münchner Innenstadt ein Unwetter niedergegangen und vielleicht kamen davon die S-Bahn-Störungen, die über den Newsticker gemeldet worden waren waren und wegen deren später Ausläufer wir am ottobrunner Bahnhof warteten und uns die wie immer abwegigen Verspätungsmeldungen aus dem Lautsprecher anhören mussten, die so gar nicht mit den Verspätungsanzeigen an den Monitoren übereinstimmten, welche eher moderat waren und viel besser zu unseren Wünschen passten, denn wir hatten zwar großzügig geplant, aber irgendwann würde es dann doch Zeit sein, zum Hauptbahnhof zu gelangen und den Zug zu erreichen, der uns und unsere vollbepackten Fahrräder nach Amsterdam bringen sollte. Aber die S-Bahn kam, wir erreichten noch leicht unseren Zug, verstauten die Räder an ihren reservierten Plätzen, installierten uns selbst auf unseren etwas schmalen und etwas harten Liegen und rauschten fort in die Nacht. Das Geräusch der Ventilatoren übertönte den nur sehr gedämmt hereindringenden Schienenlärm und der kühle Luftstrahl ließ uns Erkältungen fürchten. Wir dösten im Schunkeln und Rütteln der Fahrt und irgendwann müssen wir wohl eingeschlafen sein.

Kanal bei BreukelenAm Vormittag erreichten wir Amsterdam. Wir beluden unsere Räder, schoben sie auf den Bahnhofsvorplatz, ich schaltete das bereits zuhause anhand der VeloMap Netherlands programmierte Navi ein und war sehr gespannt, wie es uns aus der Stadt hinaus und nach Utrecht führen würde. Es wurde eine interessante Tour. Nach einer etwas abenteuerlichen Platzüberquerung und einem ganz kurzen Stück entlang einer Hauptstraße landeten wir in engen Gassen, in denen sich ein Lokal ans andere reihte, fanden beim Nieuwmarkt Frühstücksgebäck und Kaffee und fuhren dann an Grachten entlang, über Zugbrücken, durch Wohnviertel mit kleinen Häusern und kitschigen Vorgärten und durch aufgeräumt aussehende Großsiedlungen hinaus zu dem hochmodernen Viertel beim Fußballstadion und weiter aufs Land zu weidenden Kühen und Schafen, ländlichen Siedlungen mit kleinen Kanälen und üppigen Hortensienbüschen und schließlich bei Vinkekade auf einen langen Damm über dendiedas Vinkeveensche Plassen, wo die endlos lange gerade Straße links und rechts von zum Teil sehr exklusiv aussehenden Villen gesäumt ist, hinter deren gepflegten Gärten man gelegentlich die weite Wasserfläche erspähen kann. Dann wieder Polder mit Schafen, die sich in der steifen Brise flach an den Boden kauerten und dösten. Schließlich Breukelen. Dann Utrecht.

Man ahnt größere Städte ja von weitem. Die Straßen werden breiter und zahlreicher, Bahnlinien kommen heran, man fährt durch Gewerbegebiete. Das erste Gewerbegebiet, mit dem uns Utrecht empfing, fiel uns zuerst nur durch einen merkwürdigen Stau von Autos auf, die sich durch die Wendeschleife am Ende einer schmalen Straße schoben. Als wir ein Stück weiter den parallelen Radweg entlanggefahren waren, verstanden wir den Grund: den Kanal entlang lagen in endloser Reihe kleine Hausboote mit großen Schaufenstern, in denen Frauen aller Hautfarben und jeglicher Gewichts- und Altersklassen spärlich bekleidet ihre Dienste darboten. In den Autos promenierten potentielle Kunden die Straße entlang. Hin, Wendehammer, zurück, Wendehammer, wieder hin und so fort. Im Weiterfahren begegneten uns einige so auffallend ausstaffierte Radlerinnen, dass wir den Eindruck gewannen, auch die Damen des horizontalen Gewerbes fahren hier, wie sonst auch so viele, mit dem Fiets, dem Fahrrad, zur Arbeit. Bald gelangten wir ins Zentrum von Utrecht, wurden vom Navi in teils überraschenden Windungen hindurch und wieder hinausgeführt und mussten dann etwas im Kreis fahren, bis es uns gelang, den Fehler in der berechneten Route zu überwinden und den Weg nach Bunnik einzuschlagen. Kurz vor dem Ziel nochmal ein paar Missweisungen des nach einem langen Arbeitstag vielleicht schon etwas erschöpften Gerätes, so dass wir fast ins Streiten geraten wären, bis wir am Ende doch noch die idyllisch im Wald gelegene Jugendherberge, das Stayok Hostel erreichten. Wir waren nach Jugenherbergsregeln etwas zu früh dran und mussten etwas vor dem Haus warten, bis wir einchecken durften . Mehrere Gruppen in Schulklassenstärke waren auf dem Gelände. Am Tisch nebenan ein Vater mit Sohn, die auch mit dem Rad gekommen waren. Der Sohn blickte streng und mürrisch, als wäre er zur Strafe da. Schließlich bezogen wir unser Zimmer in einem etwas abgelegenen Haus, richteten uns ein und radelten wieder in die Stadt. Wir gondelten etwas herum, saßen eine Weile auf dem Platz zwischen Universität und Dom und holten uns schließlich bei "Wok to go" Essen in Pappschachteln, das wir gleich auf einer Bank vor dem Lokal verspeisten. Das Abendbier gab's dann in der Bar vom Stayok und ungewöhnlich früh lagen wir in den Stockbetten.

Track Amsterdam - Utrecht(GPX-Track)